Avesco | Sandvik

Trockener Vortrieb mit umgerüsteten Bohrwagen

Beim neuen Eisenbahntunnel Stuttgart Feuerbach, Teil des Großprojekts Stuttgart 21, fordert die komplizierte Geologie Mensch und Maschine heraus. Aufgrund des anhydrithaltigen Gesteins müssen Vortriebs- und Injektionsbohrungen weitestgehend im Trockenbohrverfahren ausgeführt werden. Zum Einsatz kommen daher umgerüstete Bohrwagen und Fahrzeuge mit Absaugaggregaten. Der Vortrieb wird teils mit Rohrschirmen abgesichert.

Projektbeschreibung

Seit 2014 entsteht, ausgehend vom Stadtteil Stuttgart-Nord, ein Eisenbahntunnel mit zwei eingleisigen Röhren von 2449 und 2426 m Länge als Herzstück. Der Tunnel wiederum ist Teil des Großprojekts Stuttgart 21, bei dem der bestehende Stuttgarter Hauptbahnhof – ein Kopfbahnhof – in einen tieferliegenden Durchgangsbahnhof umgewandelt wird. Der neue Hauptbahnhof wird durch Zulaufstrecken aus Richtung Feuerbach, Bad Cannstatt, Ober- und Untertürkheim sowie der Filderebene unterirdisch angebunden.

Mit dem Bau des Tunnels Feuerbach ist eine ARGE beauftragt, in der die drei Partner Baresel GmbH (technische Federführung), Alfred Kunz Untertagebau und Bertschinger Bau GmbH zusammenarbeiten.

 

Anhydrithaltiger Gipskeuper

Die größte Herausforderung bei diesem Tunnelbauprojekt lauert im Gestein um die Tunnelröhren: Dort steht teils quellfähiger, anhydrithaltiger Gipskeuper an, welcher bei entsprechenden Wasserzutritten um bis zu 70 % an Volumen zunehmen kann. Diese Reaktion könnte gegebenenfalls zu Bauwerksschäden führen und hat daher weitreichende Konsequenzen für die Bohrarbeiten. Für den mittlerweile weitgehend abgeschlos­senen Vortrieb hat der Schweizer Bauausrüster Avesco AG Bohrwagen des schwedischen Herstellers Sandvik umgerüstet. Es handelt sich um die Modelle DT820-SC, DT821-SC und DT922i. Ein erster Bohrwagen vom Typ DT820-SC wurde im November 2014 für den Ausbruch des 319 m langen Stollens ab dem östlichen Portal zur Baustelle gebracht. An den Stollen schließen die zwei eingleisigen Röhren an. Ab Mitte September 2015 wurde für den Vortrieb an dieser Stelle zwei zusätzliche Bohrgeräte eingesetzt. Je ein weiterer Bohrwagen folgte Ende April 2016 sowie im Mai 2018. Insgesamt sind damit fünf Bohrwagen vor Ort.

 

Projektspezifisch umgerüstete Bohrwagen

Üblicherweise würden die Bohrlöcher mit Wasser ausgespült. Da ein Wassereinsatz aufgrund des Anhydrit-Gesteins jedoch ausgeschlossen ist, hat Avesco die Bohrwagen für vollständiges Trockenbohren umgerüstet. Da damit naturgemäß eine sehr starke Staubentwicklung verbunden ist, ist eine leistungsstarke und mobile Staubabsaugung unerlässlich.

In Zusammenarbeit mit der schwedischen Ilmeg Products AB konzipierte Avesco gemäß dem Anforderungskatalog des Auftraggebers ein entsprechendes Gerät. Als Grundgerät dient ein Transporter des österreichischen Herstellers Reform, Modell Muli, auf den die Staubabsaugung von Ilmeg am Stammsitz von Avesco in Langenthal, Schweiz, aufgebaut wurde. Zusätz­lich plante und fertigte Avesco die notwendigen Absaugköpfe für die Lafetten. Diese saugen den Staub direkt am Bohrloch ab. Im Tunnel erledigt jeweils eine Kombination aus Bohrwagen und Transporter mit Absaugaggregat die Bohrarbeit.

Die Umrüstung für das Trockenbohren machte überdies eine weitere Anpassung notwendig, denn bevor das normalerweise zum Ausspülen des Bohrloches verwendete Wasser durch die Bohrkrone strömt, wird es auch als Kühlmittel für das Hydrauliköl genutzt. Diese Funktion übernehmen nun bei allen Bohrwagen aufgebaute Luftkühler. Während der gesamten Einsatzdauer stellen Bohrwagenspezialisten von Avesco die Wartung der Maschinen sicher. Der Service der Bohrhämmer erfolgt in einem eigens für das Großprojekt eingerichteten Bereich in der firmeneigenen spezialisierten Werkstatt in Langenthal.

 

Rohrschirmlösung für den Tunnelvortrieb

Beim Tunnelprojekt in Stuttgart-Feuerbach war zudem in Teilbereichen eine besondere Sicherung des Gewölbes erforderlich. Als Sicherungsvariante wurde der Einbau eines Rohrschirms gewählt, der ebenfalls mittels Sandvik Bohrwagen errichtet wurde. Beim Einbau der Rohre kam eine von Avesco entwickelte Methode zur Anwendung, die sich mittlerweile in diversen internationalen Projekten bewährt hat. Die entscheidenden Vorteile dieser Methode liegen in der Verbindung der Rohrsegmente mit einem Verschraubgetriebe und der Steuerung sämtlicher Funktionen vom Ladekorb aus. Auf dem Korb befinden sich beidseitig Aufnahmegabel für das Zuführen der Bohrrohre. Die Übergabe auf die Lafette erfolgt mittels Einlaufarm in ein Prisma, welches auch zur Zentrierung der Rohre dient. Durch eine Verschraubeinheit, welche über dem Einsteckende des Bohrhammers sitzt, kann das Außenrohr sowie mit dem Hammer das Innenrohr der Reihe nach verschraubt werden. Zum Versetzen der Rohrschirme muss die Frontzentrierung durch eine größere Führung ersetzt werden. Die Bohrsteuerung kann während dem Rohrschirmbohren vom Ladekorb aus per Funksender bedient werden. Besonders unter Sicherheitsgesichtspunkten bietet diese von Avesco entwickelte Lösung mit Funksteuerung und automatisierter Verschraubung klare Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren.

Unterbinden der Wasserläufigkeit

Um langfristig die Sicherheit des Tunnelbauwerks zu gewährleisten und ein Aufquellen des anhydrithaltigen Gesteins insbesondere rund um die Tunnelröhren zu verhindern, wurde im Verlauf des Bauprojekts entschieden, die Wasserläufigkeit des Gebirges im Bereich der Röhren zu unterbinden. Auch dafür sind umfangreiche Bohrarbeiten notwendig, die wiederum in Trockenbohrweise ausgeführt werden. Erstellt wird eine Vielzahl an bis zu 10.3 m tiefen Löchern in den Tunnelwänden. Diese werden mit Acrylatgelen oder Polyurethanharzen verpresst. In diesen verpressten Gesteinsbereichen soll die Wasserdurchlässigkeit zu den umgebenden Anhydritbereichen unterbunden sein.

 

Softwareunterstützung für Bohrarbeiten

Tunnelbohrarbeiten sind heute ohne leistungsstarke Softwareunterstützung kaum mehr denkbar. Der Tunnel Stuttgart-Feuerbach ist keine Ausnahme. Dort kommt in den Bohrwagen die von Sandvik entwickelte Prozesskontroll- und -planungssoftware iSURE zum Einsatz. Mit ihr lassen sich Bohrpläne mit Position, Winkel und Bohrlochtiefe für jedes einzelne Loch erstellen. Der Plan wird auf den Rechner des Bohrwagens aufgespielt. Der Wagen wird anschließend einnavigiert und ist einsatzbereit. Jeder vorgegebene Bohrpunkt wird automatisch angefahren und die Bohrlafette wird, ebenfalls automatisch, in die korrekte Stellung gebracht. iSURE erfasst während des Bohrens laufend zahlreiche Daten und bietet Analysefunktionen für deren Auswertung. Dadurch lässt sich sehr einfach eine Bohrdokumentation für die weitere Verwendung auf der Baustelle erstellen. In Stuttgart-Feuerbach war die Bereitstellung dieser Dokumentation eine zwingend zu erfüllende Anforderung der ARGE.

Tunnel Feuerbach, Stuttgart

Client/Bauherr: DB Netz AG, Frankfurt

Contractor/Bauausführung:

ARGE Tunnel Feuerbach

Partners/Partner:

Baresel GmbH, Alfred Kunz,
Bertschinger Bau GmbH

Start of construction/

Baubeginn: 2014

Tunnel length/Tunnellänge:

Cut-and-cover/offene Bauweise: 451 m; Conventional excavation/Bergmännischer Vortrieb:  two bores of 2449 and 2426 m/ zwei Röhren mit 2449 und 2426 m

Maximum overburden/
Maximale Überdeckung: 150 m

Minimum overburden/
Minimale Überdeckung: 10 m

Geology/Geologie:

Anhydrite-bearing, leached and unleached gypsum keuper/

Anhydritführender, ausgelaugter und unausgelaugter Gipskeuper

Tunnel excavation/
Tunnelvortrieb:
Blasting and excavators/

Spreng- und Baggervortrieb

Drill holes/Bohrungen:

Injection drilling down to 10.30 m deep as well as blast hole drilling, in each case executed by five jumbos, models Sandvik DT820-SC, DT821-SC and DT922i, modified for dry drilling (conversion by Avesco AG)/

Injektionsbohrungen bis 10.30 m Tiefe sowie Sprenglochbohrungen, jeweils ausgeführt mit fünf für die Trockenbohrung umgerüsteten Bohrwagen der Modelle Sandvik DT820-SC, DT821-SC und DT922i (Umrüstung durch Avesco AG)

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