Sanierungsvarianten für den Gotthard-
Straßentunnel
Der knapp 17 km lange Gotthard-Straßentunnel des Schweizer Autobahnnetzes, der seit 1980 in Betrieb steht und bisher von mehr als 160 Mio. Fahrzeugen befahren worden ist, muss gesamthaft erneuert werden.
Es ist dafür ein Zeithorizont von 2020 bis 2025 vorgesehen und umfasst einerseits die Sanierung zur baulichen Erneuerung und anderseits Maßnahmen zur Gewährleistung der Normen- und Richtlinienkonformität für eine bessere Sicherheit.
Zentrales Element der Sanierung des Gotthard-Straßentunnels (GST) ist eine neue Zwischendecke. Aber auch die Tunnellüftung und die Entwässerungseinrichtungen sind zu erneuern sowie der Belag zu ersetzen. Zudem müssen der verkehrstechnische Nutzraum erweitert, der Abstand zwischen den Ausstellbuchten verkleinert und die Bankette verbreitert, ebenso der Querschnitt des Sicherheitsstollens vergrößert werden.
Verkehrsmanagement während Erneuerung
Angesichts der nationalen und internationalen Bedeutung des GST ist das Betriebsmanagement während der Sanierung zentral. Für den Personen- und den Güterverkehr sollen Ausweichlösungen zur Verfügung gestellt werden. Gemäß Amtsvorschlag des Bundesamts für Strassen (Astra) steht nach heutiger Planung für den Personenwagenverkehr die Einrichtung eines Autoverlads durch den Gotthard-Scheiteltunnel (Göschenen - Airolo) im Vordergrund. Für den Güterverkehr ist die Einrichtung einer „Rollenden Landstraße“ (ROLA) durch den Gotthard-Basistunnel (Erstfeld - Bodio) denkbar, heißt es dazu vom Astra.
Sanierung ohne zweite Tunnelröhre möglich
Auch mit diesen Alternativen sowie weiteren flankierenden Maßnahmen lässt sich nicht vermeiden, dass eine länger dauernde Sperrung des GST Auswirkungen hat. Wie der Schweizerische Bundesrat in seinem Bericht „Globales Erhaltungskonzept Gotthard“ dazu weiter feststellt, ist die Sanierung des bestehenden Tunnels möglich, ohne dass dafür eine zweite Röhre am Gotthard gebaut werden müsste. Eine zweite Tunnelröhre, deren Kosten auf über 2 Mrd. CHF geschätzt werden, würde zu einer gleichzeitigen Kapazitätserweiterung auf der Gotthardachse führen, hätte verfassungsrechtliche Konsequenzen und könnte bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten kaum fertig gestellt werden, heißt es weiter vom Astra.
Da bei dieser Lösung insbesondere die Anrainerkantone Tessin und Uri negative Auswirkungen zu gewärtigen haben werden, wurde auch nach Alternativszenarien gesucht. Während einerseits insbesondere die Verkehrsverbände den Bau einer zweiten Tunnelröhre fordern, schlägt der Kanton Uri den Bau einer Ersatzröhre genannten Variante vor. Da für diesen Bergkanton die Sperrung der Gotthard-Achse während eines Zeitraums - je nach Sanierungsvariante - von zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren (mit Unterbrüchen) wirtschaftlich nicht tragbar ist, empfiehlt er als Teil des Erhaltungskonzepts die Erstellung einer neuen Tunnelröhre ohne Sanierung der heute bestehenden Röhre vor. Mit dieser Ersatzröhre wäre eine spätere Neubeurteilung ohne Druck auf den politischen Entscheidungsprozess möglich.
Kriterien der baulichen Erneuerung
Die für den GST notwendigen Sanierungsarbeiten basieren auf dem tatsächlichen Bauwerkzustand und dem voraussichtlichen Verhalten der baulichen Substanz. Im Projektbericht „Globales Erhaltungskonzept Gotthard“ des Astra werden einerseits die Gebrauchstauglichkeit analysiert, die Normenkonformität geprüft und die vorzukehrenden Baumaßnahmen erläutert:
• Bei der Zwischendecke ist der Bauwerkszustand bereits heute teilweise schadhaft und insbesondere in den beiden Portalbereichen schlechter als in den übrigen Abschnitten. In diesen Bereichen wurde eine fortgeschrittene Korrosion der unteren Bewehrung festgestellt und die Tragsicherheit weist in diesen Bereichen keine Reserven mehr auf. Das macht den Abbruch und Neubau der Zwischendecke einschließlich des Innengewölbes notwendig.
• Der Fahrbahnbelag im GST wurde seit der Inbetriebnahme 1980 nicht ersetzt. Dessen Nutzungsdauer wurde ursprünglich auf 20 Jahre veranschlagt, wäre also in 2000 erreicht worden. Dennoch ist die Deckschicht heute grundsätzlich in einem guten Zustand, doch muss sie im Rahmen der Sanierung ersetzt werden.
• In dem parallel zur Hauptröhre verlaufenden Sicherheitsstollen wird sich der Zustand der Felsverkleidung in den nächsten Jahren verschlechtern. Die Standsicherheit ist aber nicht gefährdet und größere Sicherungsmaßnahmen werden gemäß Astra-Bericht in den nächsten 20 Jahren nicht notwendig. Die technischen Installationen im SISTO sind in einem guten Zustand, jedoch sollen die Platzverhältnisse für die Führung von Erschließungsleitungen vergrößert werden.
• Damit der GST wieder den Normen und Richtlinien entspricht, sind besondere Maßnahmen erforderlich: Die Höhe des verkehrstechnischen Nutzraums erfüllt mit den vorhandenen 4,50 m nicht mehr die Normanforderungen. Die gemäß gültiger Norm erforderliche Gesamthöhe des Lichtraumprofils von 5,20 m lässt sich im GST nur durch gleichzeitiges Anheben der Zwischendecke und Absenken der Fahrbahn realisieren.
• Abschnittsweiser Umbau des Lüftungssystems: Der GST ist aufgrund seiner Länge in 5 Lüftungsabschnitte eingeteilt, welche durch die 4 bestehenden unterirdischen Lüftungszentralen mit den zugehörigen, bis zur Geländeoberfläche reichenden Lüftungsschächten definiert sind. Die Sicherstellung einer jederzeit hohen Verfügbarkeit der Abluftventilationssysteme bedingt erhebliche Eingriffe in die Tragstruktur des Tunnelgewölbes. Einerseits müssen in den Lüftungszentralen zusätzliche Kavernen erstellt und andererseits der Fahrraum an 12 Stellen überfirstet werden (Ausbruch am First zur Vergrößerung der Bauhöhe).
Zweite Gotthard-Röhre als politischer Entscheid
Der Bau einer zweiten Tunnelröhre vor der Sanierung des bestehenden GST, was eine grundlegend verbesserte Situation für den Verkehr bringen würde, wird von politischen Gremien intensiv diskutiert. Der Zeitbedarf für die eigentliche Realisierung der zweiten Tunnelröhre ab deren Vergabe wird im Astra-Bericht mit rd. 7 Jahren veranschlagt. Dies unter der Annahme, dass der Vortrieb zeitgleich mit je einer Tunnelbohrmaschine ab Göschenen und ab Airolo erfolgt. Damit die bekannten geologisch problematischen Zonen möglichst ohne Zeitverlust durchschritten werden können, müssen sie vorbereitet werden. Dies bedingt zusätzliche Pilotstollen, von denen aus das Tunnelprofil in den kritischen Zonen vorgängig konventionell ausgebrochen wird.