Gotthard-Straßentunnel: „Ja“ zur zweiten Röhre
In der Schweiz hat am 28. Februar 2016 eine Volksabstimmung ein knappes Votum zugunsten des Baus einer zweiten Röhre für den Gotthard-Straßentunnel ergeben, der Göschenen im Kanton Uri mit Ariolo im Tessin verbindet. Die umstrittene neue Röhre soll zweispurig den Verkehr übernehmen, während die notwendigen Sanierungs und Modernisierungsarbeiten am 17 km langen Bestandstunnel aus dem Jahre 1980 erledigt werden. Danach will man in beiden Tunnelröhren den Richtungsverkehr einführen – jedoch nur einspurig, wie gesetzlich festgelegt. Dieses Nutzungsverfahren würde für den Gotthard-Straßentunnel eine erhöhte Betriebssicherheit bedeuten aber keine Kapazitätserweiterung – womit man eine Zunahme des Verkehrs zu verhindern hofft.
Sicherer Richtungsverkehr in zwei Röhren
Durch den einspurigen Richtungsverkehr je Tunnelröhre lässt sich die Sicherheit im Gotthard-Straßentunnel wesentlich erhöhen, denn ohne Gegenverkehr sinkt die Unfallgefahr gewaltig. Unfälle wie zum Beispiel im Jahr 2001, bei dem nach einem Frontalzusammenstoß zweier Lastwagen elf Menschen in einem Flammeninferno starben, werden dann so nicht mehr vorkommen können.
Ein Teil der Bevölkerung befürchtet allerdings, dass es nach dem Bau einer zweiten Tunnelröhre früher oder später doch zur gleichzeitigen Nutzung aller verfügbaren Fahrspuren kommt und so eine wesentliche Verkehrszunahme mit immer mehr Lastwagen zwischen Ariola und Göschenen verursacht wird
Unter diesen Voraussetzungen kam es am 28. Februar 2016 zur Volksabstimmung. Dabei haben landesweit 57 % der Stimmenden eine Vorlage bewilligt, die am Gotthard den Bau einer zweiten Tunnelröhre gestattet, um die Sanierung des bestehenden Tunnels abzufedern. Die größte Ja-Mehrheit mit 68,2 % gab es im Kanton Schwyz, während in den beiden betroffenen Kantonen Uri und Tessin 53 % und 57,8 % ihre Zustimmung zum Bau gaben
Sanierung und Optimierung der Bestandsröhre
Im Gegenverkehr haben im Schnitt 6 Millionen Fahrzeuge jährlich (5 Millionen Personenkraftwagen und 1 Million Lastwagen) dem Tunnel schwer zugesetzt. Zur Erhaltung der baulichen Substanz und Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit sowie Erhöhung der Sicherheit soll in der Bestandsröhre die Zwischendecke (ggf. in Textilbeton) und der Fahrbahnbelag erneuert werden. Dabei soll der verkehrstechnische Nutzraum ein von 4,50 m auf 5,20 m erhöhtes Lichtraumprofil erhalten, das Lüftungssystem unter anderem mit neuen Strahlventilatoren ausgestattet sowie der Sicherheitsstollen neben der Bestandsröhre zur Aufnahme weiterer Leitungen vergrößert werden. Eingehenden Untersuchungen hatten zum Ergebnis, dass sich diese Vorhaben nur bei einer länger dauernden Sperrung des Gotthard-Straßentunnels mit entsprechenden Auswirkungen für den Straßenverkehr ausführen lassen, wie Umleitungen und Ausweichen auf die Eisenbahn über Verladeterminals.
Neue, zweite Tunnelröhre
Deshalb sind der Bundesrat und das Parlament für den Bau einer zweiten Tunnelröhre auf der anderen Seite des Sicherheitsstollens der Bestandsröhre – vor der Sanierung und Verbesserung der bestehenden Tunnelröhre, Sie soll mit je einer Tunnelvortriebsmaschine ab Ariola und ab Göschenen mit entsprechenden Erkundungsstollen vorgetrieben werden.
Zeitplan und Kosten
Der Zeitbedarf für den Bau der zweiten Tunnelröhre beträgt etwa sieben Jahre. Danach soll die neue Röhre den Verkehr aufnehmen, während die Bestandsröhre innerhalb von etwa drei Jahren saniert und optimiert wird.
Der Zeitbedarf für die Planung und Projektierung einer zweiten Tunnelröhre ist wegen der Einsprache- und Beschwerdemöglichkeiten schwierig abzuschätzen. Geplant ist, die neue Tunnelröhre ab etwa 2020 zu bauen; ab etwa 2030 sollen dann beide Röhren einspurig betrieben werden, während die jeweiligen zweiten Spuren als Pannenstreifen dienen.
Das vom Bundesrat und der Parlamentsmehrheit vorgeschlagene Projekt wird insgesamt etwa 2,8 Milliarden Schweizer Franken kosten: 2 Milliarden Franken für die zweite Röhre und 800 Millionen Franken für die Sanierung und Verbesserung der Bestandsröhre. Die Betriebs- und Unterhaltungskoste sollen sich in der ersten Zeit nach Inbetriebnahme auf jährlich etwa 10 Millionen Schweizer Franken belaufen. Der Bau der zweiten Tunnelröhre am Gotthard gilt als Ausbau des Nationalstraßennetzes und wird aus der Spezialfinanzierung Straßenverkehr (SFSV) bezahlt.
Ohne der Bau der zweiten Röhre müsste der Gotthard-Straßentunnel wiederholt sanierungsbedingt vollständig gesperrt werden. Dies wiederum würde den kostspieligen Bahnverlad für Autos und Lastwagen notwendig machen. Nach Angabe des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation würden die Gesamtkosten von Sanierungsarbeiten und Verkehrsmanagement, je nach Ausgestaltung, mit 1,2 bis 2 Milliarden Franken zu Buche schlagen.
G. B.
Literatur/References
[1] Gotthard-Straßentunnel; Sanierung früher notwendig. Tunnel 7/2008, S. 4
[2] Die Sanierung des Gotthard-Straßentunnels steht an. Tunnel 3/2010, S. 6
[3] Mayer, C.M.: Sanierungsvarianten für den GotthardStraßentunnel. Tunnel 2/2011, S. 53–55
[4] Zweite Röhre für den Gotthard Straßentunnel. Tunnel 8/2012, S. 11
[5] Gyr, St.: Tunnelsanierung: Die Zahlenschlacht am Gotthard. Baublatt 6/2016 (12.2.), S. 4–6
[6] Alich, H.: Schweizer Tunnelblicke. Handelsblatt 15/2016 (19./21.2.), S. 68–69