4D/5D-BIM: Projektcontrolling für Ausbruch und Sicherung am Tunnel Bertoldshofen

Bei der Ausführung des etwa 600 m langen Straßentunnels Bertoldshofen im Allgäu wurde mit der Building-Information-Modeling-Methode (BIM) der bergmännische Vortrieb einschließlich des Ausbruchs und der Sicherungsmittel abgebildet. Der Schwerpunkt lag in der Erarbeitung und Verknüpfung einer durchgängigen Datenbankstruktur in einer definierten BIM-Systemumgebung. Neben einem Soll-Modell gemäß der Ausschreibungsplanung entstand parallel zur Bauausführung ein Ist-Modell auf Grundlage der digitalen Vortriebsdokumentation. Die mengenbasierte Berechnung von Zeit (4D) und Kosten (5D) gemäß bauvertraglichen Richtlinien zu jedem Projektzeitpunkt bildete die Grundlagen für die monatliche Abrechnung, die Durchführung von präzisen Soll-Ist-Vergleichen und die transparente Darstellung von Prognosen.

1 Einleitung

Im konventionellen Tunnelbau bestimmt die Geologie maßgebend den Einsatz der Ausbruchsmethode und Sicherungsmittel im Vortrieb. Da zum Zeitpunkt der Planung die genaue Bodenschichtung und das geologische Verhalten nicht vollumfänglich bekannt sind, erfordert die Objektplanung und Projektabwicklung im Tunnelvortrieb flexible Strukturen und Werkzeuge.
Berücksichtigt eine Planung – und damit auch eine bauvertragliche Struktur – Anpassungen aufgrund veränderlicher Informationsgrundlagen, kann eine technisch und wirtschaftlich optimierte Projektausführung erfolgen und spätere Konflikte zwischen den Projektbeteiligten können vermieden werden. Konsistente Informationen und deren Kommunikation spielen hierbei eine wesentliche Rolle [1]. Dafür ist eine vollumfängliche, digitale Vernetzung von Personen und Vorgängen innerhalb eines Projekts notwendig.
Die BIM-Methode liefert eine Antwort auf diese komplexen Herausforderungen. In einer geometriegebundenen Datenbank können bauteilbezogene Informationen zentral bereitgestellt und von den Projektbeteiligten analysiert und in Folgeapplikationen weiterverwendet werden.
Ein BIM-Modell für die Vortriebsmittel kann über alle Leistungsphasen als digitale Informationsgrundlage, zentrales Kommunikationsmittel und zur Analyse von Veränderungen und deren bauvertraglichen Auswirkungen verwendet werden. Im Zuge eines Pilotprojekts wurde die BIM-Methode am Tunnel Bertoldshofen für den Bereich Ausbruch und Sicherung baubegleitend eingesetzt.

2 Projektbeschreibung

Mit fachlicher Unterstützung durch die Autobahndirektion Südbayern realisiert das Staatliche Bauamt Kempten im Allgäu den Neubau der Ortsumfahrungen Marktoberdorf und Bertoldshofen im Zuge der Bundesstraßen B 16 und B 472. Dabei wird der ca. 600 m lange Tunnel Bertoldshofen errichtet. Der geplante Regelquerschnitt entspricht dem Lichtraumprofil RQ 11T. Zum Bauumfang gehören zudem ein ca. 15 m langer Technikstollen, ein rund 155 m langer Rettungsstollen sowie ein Betriebsgebäude mit integriertem Löschwasserbecken und eine Bohrpfahlwand zur dauerhaften Hangsicherung im südlichen Voreinschnittsbereich. Am südlichen Ende des Haupttunnels befindet sich auf ca. 30 m Länge ein Tunnelabschnitt mit aufgeweitetem Querschnitt, um für den zukünftigen Verkehrsbetrieb die Haltesichtweite zu gewährleisten.
Der Tunnelvortrieb wurde konventionell in Spritzbetonbauweise durchgeführt. Die vorauseilende Sicherung erfolgte überwiegend mit Spießen und im südlichen Bereich aufgrund einer geringen Bodenüberdeckung und einer angrenzenden Bebauung mit Rohrschirm. Der Vortrieb erfolgte im Teilausbruch – zunächst die Kalotte und nachlaufend Strosse/Sohle – und konnte im März 2020 erfolgreich abgeschlossen werden. Nach Innenausbau und Einbau der betriebstechnischen Tunnelausstattung soll der Tunnel 2022 für den Verkehr freigegeben werden.

2.1 Grundlagen

Das BIM-Projekt wurde Anfang 2019, etwa zwei Monate vor Vortriebsbeginn, gestartet. Das Pilotprojekt wurde vom Bauherrn, der Autobahndirektion Südbayern, unabhängig zur eigentlichen Baumaßnahme beauftragt und sollte die bestehende Planung und Umsetzung weder beeinflussen noch grundsätzlich verändern.
Die Entwicklung des Projekts erfolgte nach den grundlegenden BIM-Anwendungsfällen der Bauausführung, die im Zuge der DAUB-Empfehlung zu BIM im Untertagebau [2] und dem Leitfaden BIM4Infra [3] definiert wurden. Die Anwendung von BIM für die Abrechnung von Bauleistungen, die Baufortschrittskontrolle und die Bauwerksdokumentation waren dabei wesentliche Projektziele. Weitere Anwendungsfälle ergaben sich im Verlauf der BIM-Entwicklung und sind in Kapitel 4.3 zusammengefasst.
Für die konkrete BIM-Implementierung im Tunnelvortrieb fehlen bisher noch standardisierte Vorschriften und Richtlinien. Die BIM-Umgebung wurde deshalb weitgehend auf intern entwickelten Strukturen aufgebaut. Das BIM-Projekt beschränkte sich auf das Teilmodell der Tunnelaußenschale inklusive des Ausbruchs und der Sicherungsmittel. Die Implementierung der BIM-Systemumgebung erfolgte auf Grundlage der bereits abgeschlossenen Ausführungsplanung für die Tunnelaußenschale. Die Schnittstelle zur Baustelle bildete die örtliche Bauüberwachung, die vom Ingenieurbüro Bernd Gebauer Ingenieur GmbH geleistet wurde. Da die Umsetzung der BIM-Methode eine durchgängige Weiterverarbeitung der Informationen aus dem Vortrieb erforderte, war es bei der Entwicklung notwendig, die Tunnelbaufirma mit einzubeziehen.

2.2 Konzeption: BIM-System statt BIM-Modell

Die Planung und Abrechnung der Vortriebsleistungen unterscheiden sich grundlegend von anderen Baumaßnahmen. Oftmals können erst während des laufenden Vortriebs die erforderlichen Ausbruchs- und Sicherungsmethoden auf Grundlage der geologischen Verhältnisse festgelegt werden. Dabei bedienen sich die Verantwortlichen in der Bauausführung vordefinierter Vortriebs­klassen aus der Planung. Die Verwendung der Vortriebs- und Sicherungsmittel im Projektverlauf funktioniert im Rahmen der geplanten Vortriebsklassen im Prinzip wie ein Baukastensystem.
Mit der Abhängigkeit der Vortriebsmaßnahmen von den ungewissen Baugrundverhältnissen fehlen oft präzise Daten für Planung und Ausführung [1]. Um das dynamische System der baupraktischen Umsetzung im Vortrieb greifen und im Verlauf des Bauprojekts ganzheitlich abbilden zu können, ist eine digitale Unterstützung, insbesondere durch die BIM-Methodik anzuwenden.
Das Hauptaugenmerk im Pilotprojekt galt der Entwicklung einer geometriegebundenen Datenbank für den bergmännischen Tunnelvortrieb. Letztendlich wurde im vorliegenden Projektfall kein fest definiertes BIM-Modell konzipiert, sondern eine modellübergreifende BIM-Systemstruktur geschaffen, in der alle möglichen Planungs-, Ausführungs- oder Prognosezustände des Tunnelvortriebs abgebildet werden konnten. Die vorgegebene digitale Datenstruktur ermöglichte die systematische Erfassung aller Zustände gemäß dem erforderlichen Baukastenprinzip im konventionellen Tunnelvortrieb.
In einem nächsten Schritt wurde das entwickelte BIM-System mit dem vertraglichen Leistungsverzeichnis verknüpft. Für jedes Bauteil konnte nach einheitlich formulierten Datenbankabfragen automatisiert die entsprechende Positionsmenge mit den resultierenden Ergebnisdaten Bauzeit (4D) und Kosten (5D) ermittelt werden.
Die Ergebnisdaten aus unterschiedlichen Informationsmodellen wurden analysiert und miteinander verglichen. Veränderungen und deren Ursachen konnten durchgängig bis auf den Informationsursprung im BIM-Modell oder im Dokumentationswesen der Baustelle nach­vollzogen werden. Das Konzept im BIM-Pilotprojekt ist in Bild 1 zusammengefasst.

3 BIM-Modellerstellung
3.1 Entwicklung der Systemumgebung

Das BIM-System gibt die Struktur der zu modellierenden Geometrien und Parameter­informationen eines Modellelements vor. Dieser Grundgedanke erforderte eine durchgängige Informationsstruktur in einer flexiblen und adaptiven BIM-Systemumgebung. Die richtige Formulierung der zulässigen Freiheitsgrade im System gewährleistete die exakte Abbildung von einzelnen BIM-Modellen im Verlauf des Projekts. Die Freiheitsgrade sind dabei streng nach den Regeln des Bauvertrags und der Planung zu definieren.
Die Implementierung erfolgte mit der Software Autodesk Revit in Kombination mit der visuellen Programmierschnittstelle Dynamo. Mit den Softwarelösungen können die geometrischen Formzustände eines jeden Elements durch die parametergesteuerte Formulierung von Abhängigkeiten flexibel abgebildet werden.
Die BIM-Umgebung wurde mit dem Ziel entwickelt, die resultierenden Mengen mit dem Bauvertrag zu kombinieren und umgehend Auswertungen über die Bauzeit (4D) und Kosten (5D) im Vortrieb durchführen zu können. Die 3D-Modellierung eines Bauteils war demnach nur dann notwendig, wenn die Mengenberechnung einer Leistungsposition auf geometrischen Kenngrößen basierte. Bei vielen Komponenten reichte eine alphanumerische Information des Bauteils im BIM-System für die Berechnung aus.
Bei einem höheren geometrischen Detailierungsgrad (Level of Geometry) wären einzelne Modelle in Folgeapplikationen unübersichtlich in der Handhabung gewesen. Im vorliegenden Fall war daher ein niedriger geometrischer Ausarbeitungsgrad kombiniert mit einer flexiblen parametergesteuerten Datenabbildung für die geforderten Anwendungsziele von Vorteil.

Geometrische Modellierung

Die Abschläge im konventionellen Tunnelvortrieb wurden in Kalotten- und Strossen-/Sohlquerschnitt unterteilt. Am Tunnel Bertoldshofen gab es die Besonderheit eines temporären Kalottensohlgewölbes und einer Kalottenfußverbreiterung zur Erhöhung des Ausbauwiderstandes. Für eine präzise Mengenermittlung mussten folgende Bauteilkomponenten im BIM-System für jedes Abschlagselement geometrisch abgebildet werden:
● Ausbruchsvolumen
● Abwicklung der Spritzbetonlaibung
● Fläche der Ortsbrust
● Fläche und Volumen des Kalottensohlgewölbes
● Volumen des Kalottenfußes
Aus den modellierten Geometrieinformationen ließen sich Mengen für andere Leistungs­positionen, wie beispielsweise die Bewehrung, ebenfalls ermitteln.
Eine wichtige Rolle bei der Definition der geometrischen Freiheitsgrade spielen neben den allgemein gültigen Abrechnungsvorschriften der VOB/C die Toleranzen und Überhöhungen nach DIN 18312 [4]. Aufgrund zu erwartender Gebirgsverformungen und bautechnischer Erfordernisse ist eine variable Aufweitung des Ausbruchsquerschnitts zu berücksichtigen, um die geforderte Soll-Geometrie gewährleisten zu können. Da aus den Toleranzen und Überhöhungen Geometrieveränderungen resultieren, die für die bauvertragliche Mengenberechnung relevant sind, müssen sie sehr präzise behandelt und in das System mit einbezogen werden. Jeder geometrische Freiheitsgrad kann im BIM-System durch eine numerische Parametereingabe modifiziert werden.

Parametertabelle

Für andere Bauteilkomponenten reichte es aus, die mengenrelevanten Informationen in Form von Attributen am Geometrieelement abzuspeichern. Für die Parameterstruktur der Vortriebsmittel innerhalb eines Abschlags wurden firmeninterne Standards am Projekt entwickelt.
Die Eintragung von Informationen in ein BIM-Modell erfolgte streng nach den Regeln des Systems gemäß Planung und Bauvertrag. Es konnten beispielsweise nur Einbauteile in die Systemumgebung hinzugefügt werden, für die im Leistungsverzeichnis auch eine entsprechende Vertragsposition existierte. Dieser Sachverhalt bewirkt eine enge Verknüpfung von Bauvertrag, Planung und Ausführung und sorgt für eine von allen Projektpartnern anzuerkennende Transparenz. Widersprüche lassen sich so schon frühzeitig erkennen.

3.2 BIM-Modelle

Die Erstellung eines BIM-Modells im Projekt bedeutet letztendlich das „Befüllen“ der BIM-Systemstruktur für den Vortrieb mit alphanumerischen Informationen. Über vordefinierte Eingabemasken werden Tunnelabschläge nach den Regeln der Planung automatisiert erzeugt und die eingetragenen Informationen den entsprechenden Bauteilen zugeordnet. Dabei sind wesentliche Inputdaten die geometrischen Eingangsgrößen für die Platzierung eines Abschlagselements sowie deren Informationen über verwendete Ausbruchs­methoden und Sicherungsmittel. Der wesentliche Unterschied im Erstellungsablauf der einzelnen BIM-Modelle ist der Ursprung der Informationen.

Soll-Modell

Das Soll-Modell bildet den Planungsstand zum Zeitpunkt der Ausschreibung ab. Die Mengen für Ausbruchs- und Sicherungsmittel im BIM-Modell entsprechen damit der vertraglichen Grundlage. Die Erstellung eines Soll-Modells setzt einen hohen Detailgrad der Ausschreibungs­planung voraus.
Für die Planung der Ausbauvarianten wird die Geologie entlang der Tunnelachse in Homogenbereiche unterteilt, die nach dem geotechnischen Baugrundverhalten charakterisiert sind. Innerhalb eines Homogenbereichs werden für die Zeit- und Kostenplanung die erforderlichen Vortriebsklassen in herkömmlicher Form prozentual abgeschätzt.
Eine prozentuale Modellierung der Abschläge ist mit der BIM-Methode grundsätzlich nicht möglich und würde auch über Umwege keinen realisierbaren Bauzustand abbilden.
Im Zuge des BIM-Pilotprojekts wurde aus diesem Grund eine stationsbezogene Vortriebsklassenverteilung erarbeitet, um dadurch eine definierte Umsetzung in einem Soll-Modell zu erzeugen. Die prozentual abgeschätzten Anteile wurden hierfür in Längenanteile umgesetzt (Bild 2).
Die Modellgenerierung erfolgt automatisiert auf Grundlage vordefinierter Eingabemasken. Das aus den Eingangswerten resultierende Soll-Modell ist in Bild 3 dargestellt. Jeder Abschlag beinhaltet neben grundlegenden Informationen die prognostizierten Vortriebsmethoden und Sicherungsmittel in systematischer Struktur gemäß dem Stand der Ausschreibungsplanung.

Ist-Modell

Das Ist-Modell bildet die Informationen über die tatsächlich verwendeten Bauverfahren und Einbauteile zum Zeitpunkt der Bauausführung ab. Die Mengen der Ausbruchs- und Sicherungsmittel im BIM-Modell stellen damit die Abrechnungsgrundlage dar.
Die Erfassung der Informationen im Vortrieb erfolgt über die Baustellen­dokumentation. Zu Beginn des BIM-Projekts wurde mit der Tunnelbaufirma ein digitales Abschlagsprotokoll zur systematischen Vortriebsdokumentation erarbeitet (Bild 4). Das Protokoll ist das Hauptformular im Vortrieb und liefert mit der Dokumentation aller verwendeten Bauteile und Vortriebsverfahren alle notwendigen Daten für die Ist-Modellgenerierung.
Das digitale Abschlagsprotokoll obliegt, wie auch die BIM-Systemstruktur, den Regeln der Planung und des Bauvertrags. Folglich können von der Baustelle nur vordefinierte Eintragungen im Protokoll getätigt werden. Sollten zusätzliche Bauteile im Vortrieb erforderlich werden, muss eine zentrale Kommunikation und Anpassung der Datenstruktur über die Administratoren des Projekts durchgeführt werden. Die Vorteile des Systems liegen außerdem bei den vorab klar definierten Randbedingungen: Die digitale Dokumentation vermeidet potentielle Eingabefehler. Die erzeugten Daten folgen einer strengen Namenskonvention. Die Ist-Modellgenerierung erfolgt automatisch auf Grundlage der digitalen Abschlags­protokolle.

Prognosemodell

Die Prognose von Zeit und Kosten während der Baumaßnahme spielt für die Projektsteuerung und das Controlling eine wichtige Rolle. Während des Tunnelvortriebs kann neben dem Ist-Modell auch ein Prognosemodell mitgeführt werden, das für den gesamten Tunnelvortrieb den wahrscheinlichsten Zustand für Ausbruchs- und Sicherungsmittel abbildet. Dieses BIM-Modell wird parallel zum aktuellen Baugeschehen sukzessiv fortgeschrieben. Das Prognosemodell bildet damit immer den wahrscheinlichsten Zustand über den Abschluss der betrachteten Bauphase ab. Mit der automatisierten Auswertung der Modelldatenbank können zu jedem Projektzeitpunkt Aussagen über die zu erwartende Bauzeit und die voraussichtlich entstehenden Baukosten getroffen werden.

4 Auswertung
4.1 Automatisierte Mengenermittlung

Die vordefinierte Datenbankstruktur wird mit den Positionen im Leistungsverzeichnis verknüpft und regelbasiert ausgewertet. Die Mengenberechnung erfolgt dabei nach den Vorschriften der VOB und den Regeln in Planung und Bauvertrag. Diese Notwendigkeit impliziert die enge Vernetzung der planerischen und bauvertraglichen Elemente in der BIM-Modellumgebung.
Im BIM-Pilotprojekt wurden die Berechnungsvorgänge der Leistungspositionen auf Grundlage der BIM-Systemstruktur fest vordefiniert. Damit wurde ein System geschaffen, das jedes BIM-Modell der Außenschale automatisch nach den Regeln des Leistungsverzeichnisses mengentechnisch auswertet.

4.2 Zu vergütende Bauzeit- (4D) und Kostenberechnung (5D)

Der Leistungsansatz der Baufirma weist den Leistungsstundenbedarf aus, welcher pro Einheitsmenge einer bauzeitrelevanten Zyklusposition kalkuliert wurde. Grundprinzip des flexiblen Bauzeitmodells ist die Gewährleistung, dass bei Mengenverschiebungen die Leistungsansätze erhalten bleiben [5].
Die Modellmenge in Kombination mit den Leistungsansätzen ergibt die zu vergütende Bauzeit (4D). Über die kalkulierten Einheitspreise lassen sich die bauzeitunabhängigen Projektkosten (5D) berechnen.
Für das aus Bild 4 resultierende Abschlagselement ist die gesamte Mengen-, Bauzeit- und Kostenberechnung in Bild 5 beispielhaft dargestellt. Die Zahlenwerte entsprechen im Prinzip der modellbasierten Abrechnung. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind die kalkulatorischen Ansätze nicht dem tatsächlichen Vertrag mit der Baufirma entnommen, sondern sind exemplarisch gewählt.

4.3 Analyse der Ergebnisdaten

Mit der 4D/5D-Berechnung jedes Bauteilelements eines BIM-Modells entsteht eine umfangreiche Informationsdatenbank. Die Ergebnisse aus der durchgängigen BIM-System­struktur können transparent bis zum Informationsursprung nachvollzogen werden.
Mit den Ergebnisdaten aus den unterschiedlichen BIM-Modellen ließen sich im Projekt Bertoldshofen während der Baumaßnahme wertvolle Informationen für das Projektcontrolling ableiten. Der Vergleich zweier BIM-Modelle lieferte transparent die Ursachen für die Veränderung von Bauzeit und Kosten (Soll-Ist-Vergleiche).
An folgenden Anwendungsfällen konnten Chancen und Möglichkeiten der entwickelten Methode für den Tunnelvortrieb erkannt und im Projekt Bertoldshofen genutzt werden:
● Regelbasierte Plausibilitätsprüfung der dokumentierten Vortriebsinformationen
● Automatisierte monatliche Abrechnung der Positionen für Ausbruch und Sicherung
● Erhöhte Kostensicherheit durch verbesserte Datentransparenz
● Terminliche Baufortschrittskontrolle
● Soll-Ist-Vergleich und Prognose der Mengen, Bauzeit und Kosten
● Systematische Datenaufbereitung zur Nachtragsprüfung
● Bestandsmodell für Innenausbau, Betrieb und Erhaltung

5 Erfahrungen im BIM-Projekt

Die Implementierung der BIM-Methode mit den richtigen Freiheitsgraden und Abhängigkeiten für den konventionellen Tunnelvortrieb setzt ein umfassendes Verständnis von software­technischen, planerischen und baupraktischen Inhalten und Abläufen voraus. Diese Aufgabe kann nur durch eine intensive Zusammenarbeit der verantwortlichen Projektingenieure und technischen Spezialisten gelöst werden.
Die Anwendung des durchgängigen BIM-Systems erfordert von den Projektbeteiligten ein grundlegendes Umdenken und eine neue Arbeitsweise. Im Pilotprojekt wurde besonders darauf Wert gelegt, dass die BIM-Methode keine bewährten Abläufe unterbricht oder ändert, sondern ein Werkzeug zur besseren Planung und Projektabwicklung darstellt. Die Grundlagen und Ergebnisdaten im BIM-Pilotprojekt waren gegenüber denen der herkömmlichen Methode inhaltlich unverändert, was die Mitarbeit und Nachvollziehbarkeit für Mitwirkende deutlich erleichterte. Die Motivation und Akzeptanz der Beteiligten waren für den Projekterfolg von großer Bedeutung. Sie sind stark abhängig von der Anwenderfreundlichkeit und Flexibilität der Systemoberflächen.
Von der ersten Monatsabrechnung bis zur Nachtragsprüfung wurden die BIM-Systeminformationen im Projekt verwendet, und der Mehrwert für das Projektcontrolling war vom ersten Zeitpunkt an spürbar. Mit dem positiven Fortschritt und den geschaffenen Möglichkeiten mit BIM stieg das Interesse der Projektbeteiligten stark an.
Vor diesem Hintergrund entschloss sich der Bauherr zu einem Nachfolgeprojekt mit einer modelltechnischen Begleitung des Innenausbaus. Hier erhofft sich die AG-Seite eine lückenlose Dokumentation zu Arbeitsfortschritt, Qualität und Mängelmanagement sowie ein nützliches Instrument für den zukünftigen Betreiber.

6 Fazit

Letztendlich können die Möglichkeiten des BIM-Systems nur voll genutzt werden, wenn es in den Leistungsumfang integriert wird und einen zentralen Stellenwert im Projekt über alle Leistungsphasen hinweg einnimmt. Nur die Mitarbeit aller Beteiligten an den Informationen im BIM-Modell garantiert die Verbindlichkeit, Richtigkeit und damit die Verwendbarkeit der Daten. Gemäß dem „Single Source of Truth“-Prinzip (SSoT) bildet der Datenbestand dann eine zentrale, aktuelle und verlässliche Informationsgrundlage.
In der Bauausführung dient ein zentrales BIM-Controlling-System zur Kommunikation zwischen Auftraggeber, Auftragnehmer und Bauüberwachung sowie zur Steuerung und Überwachung der Bauprozesse. Das flexible BIM-Anwendungssystem stellt präzise Daten bei veränderlichen Randbedingungen bereit und ermöglicht so eine dynamische Planung und optimierte Projektausführung.
Im Verlauf des BIM-Projekts wurde durch die flexible Auswertung und Weiter­verwendung der entstandenen Systemdaten ein zunehmendes Potential für weitere Anwendungsfälle festgestellt – insbesondere auch für die Tunnelbaufirma. Im baubegleitenden BIM-Projekt konnten die Möglichkeiten noch nicht voll ausgeschöpft werden. Die konsequente Nutzung der Methode von Auftraggeber-, wie auch von Auftragnehmerseite in Folgeprojekten würde daher voraussichtlich zu weiteren mehrwertbringenden Anwendungsfällen in der Projektsteuerung und der Baupraxis führen. Aufgrund der positiven Erfahrungen sollte die Methode bei zyklischen Tunnelvortrieben zukünftiger Bauprojekte vermehrt eingesetzt werden.
References/Literatur
[1] DAUB – German Tunnelling Committee (2016) Diskussionspapier zur Erarbeitung konfliktarmer Bauverträge im Tunnelbau: Einführung und Grundlegendes, Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e.V., DAUB–Arbeitskreis. http://www.daub-ita.de/fileadmin/documents/daub/gtcrec4/gtcrec24_DAUB_Diskussionspapier_Konfliktarmer_Vertrag.pdf, Zugriff 15.05.2020.
[2] DAUB-Empfehlung (2019) Digitales Planen, Bauen und Betreiben von Untertagebauten – BIM im Untertagebau. Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (Hrsg.), Mai 2019.
[3] Borrmann, A., Elixmann, R., Eschenbruch, K. (2019, Sep) BIM-Leitfäden, Muster und Handreichungen. Forschungsbericht, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. https://bim4infra.de/handreichungen/, Zugriff 25.05.2020.
[4] Poppinga, H., Holl, G. (2019) VOB im Bild – Tiefbau- und Erdarbeiten – Abrechnung nach der VOB 2019, 23. Auflage, Köln: Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, S. 109.
[5]  Friebel, W., Biber, U., Eickmeier, D., Franz, S. & Gramer, J. (2017) Leitfaden füdie Behandlung von zeitgebundenen Kosten (ZGK) im Tunnelbau, Bundesanstalt für Straßenwesen, S. 7f.
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