Zollern-Antriebstechnik

Planetengetriebe für den Schwerlastbetrieb

Im Tunnelbau herrschen schwere Arbeitsbedingungen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die technische Ausstattung, wie beispielsweise an Getriebe, die in unterschiedlichen Maschinen zuverlässig für Bewegung sorgen müssen. In Tunnelbohrmaschinen halten Planetengetriebe starken Vibrationen, Stößen, hohen Temperaturen und einem starken Außendruck stand (Bild 1). Auch in Baukränen, Bohrgeräten, Fräsen, Baggern, Pumpen oder Kettenfahrzeugen werden die leistungsstarken Getriebe eingesetzt.

7 Innenansicht eines Planetengetriebes

Credit/Quelle: Zollern

7 Innenansicht eines Planetengetriebes
Credit/Quelle: Zollern

Planetengetriebe sind kompakt, haben eine hohe Leistungsdichte und einen hohen Wirkungsgrad bei geringem Bauraum. Meist werden sie für den Schwerlastbetrieb eingesetzt. Planetengetriebe eignen sich für den Dauerbetrieb, wie auch für den Aussetz- und Wechselbetrieb, sowie den Links- und Rechtslauf.

Die Aufgabe eines Getriebes besteht darin, ein Drehmoment und eine Drehzahl an bestimmte Anforderungen anzupassen. Beim Hauptantrieb einer Tunnelbohrmaschine (TBM) wird so beispielsweise neben der Drehzahl auch das Abtriebsmoment geändert. Ein Getriebe besitzt im Wesentlichen einen Antrieb, was ein Elektromotor sein kann, sowie ein Abtriebsbauteil, welches in der Regel das letzte Glied des Antriebsstranges bildet und die geforderte Kraft und Drehbewegung überträgt. Planetengetriebe bestehen aus ein- bis fünfstufigen Planetenradsätzen. Sie können zusätzlich mit einer Stirn-oder Kegelradradeingangsstufe ausgerüstet werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antrieben mit Stirnradgetrieben ist damit eine gleichzeitige Lastaufteilung auf mehrere Zahnräder möglich. Durch die kleineren Wälzkreisgeschwindigkeiten ergeben sich hohe Wirkungsgrade. Geschliffene Zahnflanken sorgen für eine geringe Geräuschemission. Die Planetengetriebe sind langlebig und leistungsfähig, auch bei widrigen Verhältnissen von -20 °C bis +70 °C. Der Antrieb erfolgt wahlweise über schnell  oder langsam laufende Hydraulikmotoren, beziehungs­weise über Elektromotoren.

Planetengetriebe in Tunnelbohrmaschinen

Das Herzstück einer Tunnelbohrmaschine ist der Schneidradantrieb beziehungsweise der Bohrkopfantrieb. Die Kugeldrehverbindung, ein ringförmiges Großlager mit Innenverzahnung, ist am Umfang mit mehreren Ritzeln bestückt, welche über die Hauptgetriebe (Bild 2) hydraulisch oder elektrisch angetrieben werden. Die daraus resultierende Drehbewegung – und analog dazu der Vorschub der Hydraulikzylinder – versetzt das Schneidrad in Bewegung. Der Geschäftsbereich Antriebstechnik deutschen Unternehmens Zollern konzipiert Planetengetriebe für kleinere Schilddurchmesser mit einem Abtriebsmoment über 3 000 000 Nm. Der Zentralantrieb ist wassergekühlt und überträgt die Kraft zentral direkt auf den Bohrkopf. Damit der Maschinenführer Flüssigkeiten zur Kühlung und Bentonit als Schmiermittel oder Stützflüssigkeit zuführen kann, wird eine Durchführung mittig durch die Verzahnungsteile des Getriebes bis zum Schneidrad vorgesehen. Das Bohren erfolgt in mehreren Schritten. Während des Bohrens wird das abgetragene Material, je nach Typ der Tunnelbohrmaschine, entweder abgepumpt oder über einen Schneckenantrieb (Bild 3) beziehungsweise ein Förderband abtransportiert. Im Zuge des Vortriebs erfolgt parallel der Ringausbau. Dabei greift der Maschinenführer per Fernbedienung den Tübbing mit einem Sauggreifer, positioniert ihn an der richtigen Stelle und verschraubt ihn. Die Drehbewegung für die Positionierung der Tübbinge erfolgt dabei mit hoher Genauigkeit über einen hydraulisch angetriebenen Erektorantrieb (Bild 4).

Weltweite Tunnelbauprojekte

Die Hauptantriebe, Zentralantriebe, Schneckenantriebe und Erektorantriebe, die auf Basis der Planetengetriebe speziell für den Einsatz in Tunnelbohrmaschinen ausgelegt sind (Bild 5), liefert Zollern für unterschiedliche Tunnelbauprojekte. So bohrten Tunnelbohrmaschinen mit einem Durchmesser von 4,4 m, ausgestattet mit Zollern-Getrieben, den SNCF-Eisenbahntunnel in Meudon City, im Westen von Paris. In der Fabrik von CREG (China Railway Engineering Group) in Guangzhou in China, entstanden zwei TBM mit einem Durchmesser von 11 m für ein Regenwasserprojekt in Dubai. Auch der Bau des Koralmtunnels in Österreich und der Bau der Roten Linie in Israel wurde durch die Getriebetechnik von Zollern unterstützt. Gleiches gilt für sechs TBM, die für den Bau eines modernen Nahverkehrssystems in Tel Aviv zum Einsatz kamen. Neben CREG zählen die CRCHI China Railway Construction Heavy Industry, CCCCTH Tianhe Mechanical Equipment Manufacturing sowie auch europäische Hersteller, beispielsweise CSM Bessac in Frankreich, zu den Kunden von Zollern. Das Unternehmen operiert weltweit und verfügt speziell in China über ein engmaschiges Servicenetz. Dazu gehört auch ein eigenes Werk in China, in dem Getriebe und Winden gefertigt werden. Am deutschen Stammsitz Herbertingen (Bild 6) hat Zollern außerdem in ein neues internationales Servicezentrum investiert. Von hier aus werden Kunden mit Ersatzteilen sowie Wartungs- und Reparaturarbeiten versorgt, und die Servicetechniker starten zu ihren weltweiten Einsätzen. Die notwendigen Ersatzteile sind schnell verfügbar, da nach dem Baukastenprinzip gefertigt wird. Das bedeutet, dass Antriebe aus bau- und systemgleichen Getriebeteilen bestehen, damit die Teilevielfalt reduziert und die Teileversorgung optimiert wird

Einsatzgebiete im gesamten Tunnelbau

Planetengetriebe ermöglichen die Übertragung hoher Drehmomente. Sie sind im Betrieb sehr geräuscharm und bieten die Möglichkeit, hydraulische und elektrische Motoren zu adaptieren. Auch die integrierte Wasserkühlung bietet Vorteile bei Anwendungen im gesamten Tunnelbau. Zollern setzt Planetengetriebe zum Beispiel auch in Spezialportalkranen für die Montage der Tunnelbohrmaschinen auf der Baustelle ein. Weitere Einsatzgebiete der Planetengetriebe sind Bohrgeräte im Spezialtiefbau für die Stabilisierung des Erdreichs, Seilbagger für dynamische Bodenverdichtung und Kaltfräsen für den Abtrag von Asphalt, Beton und Schotterschichten sowie Fräsgetriebe für rechteckige Tunnelbohrmaschinen. Außerdem werden die Planetengetriebe in mobilen Betonpumpen für das Handling von Baustoff eingesetzt, in Mobilkranen für die Positionierung von Bauelementen und Maschinen sowie in Fahrantrieben für Kettenfahrzeuge.

Entwicklungsprojekt Schaltgetriebe

Zollern betreibt Entwicklungsprojekte für die permanente Weiterentwicklung des gesamten Antriebstranges, auch in Zusammenarbeit mit den Kunden. Ein Beispiel ist die Anforderung, Tunnelvortriebsmaschinen ohne besonderen Aufwand an geologische Gegebenheiten anzupassen. Entwickelt wurde hierfür ein universell einsetzbares Schaltgetriebe mit hydraulisch angesteuerter Schalteinheit, welche ferngesteuert aus dem Maschinenführerhaus bedient werden kann. Entsprechend der Kundenspezifikation werden die Übersetzungsverhältnisse für Hartgestein und weiche, unstabile geologische Bedingungen gewählt. In Kombination mit einem frequenzgesteuerten Motor oder einem Hydraulikmotor wird das Drehzahl-Drehmoment-Kennfeld bei gleicher Arbeitsleistung verdoppelt.

Um einen simultanen Schaltvorgang aller um die Kugeldrehverbindung angeordneten Getriebe zu erreichen, sichert eine Sensorik die korrekte Schaltstellung jedes einzelnen Getriebes ab. Der Schaltmechanismus ist stufenlos und entspricht dem Prinzip eines Kraftfahrzeug-Automatikgetriebes. Eine Fehlstellung der einzelnen Zahnräder während des Schaltvorgangs ist ausgeschlossen, da die Übertragung über eine kraft- bzw. reibschlüssige Verbindung erfolgt. Voreingestellte Temperatursensoren überwachen die Öltemperatur und verhindern ein Überhitzen der Getriebe. Die Wärmeabführung erfolgt über einen integrierten Kühlwasserkreislauf. Wenn Wartungsarbeiten am Schneidrad/Bohrkopf anstehen, kann die integrierte Haltebremsfunktion des Getriebes genutzt werden, um das Schneidrad gegen ein Verdrehen zu sichern.

Im Verhältnis zum Standardgetriebe ohne Schaltung, ist das Schaltgetriebe trotz zusätzlicher Schalteinheit nicht größer und bietet somit einen wesentlichen Mehrwert bei gleichbleibenden Platzverhältnissen.

Zollern betreibt Forschungsarbeit, unter anderem in Zusammenarbeit mit Universitäten, und lässt diese in produktspezifische Projekte einfließen. Durch Mitarbeit in Arbeitskreisen, beispielsweise der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA), werden zukünftige Trends des Marktes frühzeitig erkannt und berücksichtigt.

Zollern-Antriebstechnik

Zollern-Antriebstechnik ist ein Geschäftsfeld des Traditionsunternehmens Zollern, das sich aus den fünf Bereichen Antriebstechnik, Gleitlagertechnik, Gießerei- und Schmiede, Stahlprofile und Maschinenbauelemente zusammensetzt. Zollern beschäftigt insgesamt rund 3000 Mitarbeiter und ist mit 14 Werken und sieben Tochtergesellschaften in allen Industrieregionen der Welt vertreten. Mit seiner 300-jährigen Firmengeschichte zählt Zollern zu den Pionieren der Metallbranche. Die Baumaschinenindustrie ist eine der Kernbranchen des Unternehmens.

Zollern-Antriebstechnik, mit Hauptsitz in Herbertingen, fertigt mit rund 600 Mitarbeitern Getriebe, Winden und Direkt­antriebe für die Baumaschinenindustrie, den Untertagebau, die Windkraft sowie für Schiff- und Hafenanwendungen. Der Antriebstechnik-Spezialist bietet darüber hinaus After Sales Service, wie Installationssupport, Inbetriebnahme-Service, Ersatzteilservice, Retrofitting, Wartung und Zustandsüberwachung der in Betrieb befindlichen Getriebe und Winden.

bauma 2019, April 8–14, 2019, Munich/München

 

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