Wirtschaftlichkeit von Brandbekämpfungsanlagen für Straßentunnel

Brände in Tunneln haben in der Vergangenheit oftmals zu großen Bauwerksschäden geführt, zu deren Beseitigung der jeweilige Tunnel lange gesperrt werden musste. Nicht nur die Reparaturkosten, sondern auch die Nichtverfügbarkeit führten für die Betreiber und die Volkswirtschaft zu hohen finanziellen Belastungen. Geeignete Brandschutzmaßnahmen, die einerseits die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer erhöhen, können andererseits aber auch die Verfügbarkeit der Infrastruktur verbessern. Insbesondere Brandschutzplatten und Brandbekämpfungsanlagen, die nach deutschen Regelwerken nicht gefordert sind, führen diesbezüglich immer wieder zu Diskussionen über deren Wirtschaftlichkeit. Deshalb wird im vorliegenden Bericht die Wirtschaftlichkeit verschiedener Brandschutzmaßnahmen auf Basis ihrer Lebenszykluskosten miteinander verglichen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Wassernebel-Brandbekämpfungsanlagen.

Ausgangssituation

Nach den geltenden deutschen Regelwerken [1] soll der bauliche Brandschutz in Straßentunneln im Wesentlichen durch die Zugabe von Polypropylenfasern zum Konstruktionsbeton (PP-Faserbeton) der Tunnelinnenschale realisiert werden. Nur für Tunnel, bei denen ein Brand schwerwiegende Auswirkungen auf die Standsicherheit haben könnte, sind gesonderte Maßnahmen festzulegen. In solchen Fällen wurden in der Vergangenheit die Oberflächen der Innenschale dann meist mit Brandschutzplatten bekleidet.
Die Verbesserung des Brandschutzes durch anlagentechnische Maßnahmen wird zwar im Ausland immer häufiger durchgeführt, in Deutschland herrschen jedoch nach wie vor Bedenken gegen die Wirtschaftlichkeit einer dafür konzipierten Brandbekämpfungsanlage. Deshalb werden in diesem Beitrag die Lebenszykluskosten von drei Varianten miteinander verglichen: ein Tunnel ohne zusätzlichen Brandschutz, einer mit passivem Brandschutz (Brandschutzplatten) und einer mit aktivem Brandschutz (Wassernebel-Brandbekämpfungsanlage/WN-BBA).
Zum Einsatz von Brandschutzplatten bei Tunnelbauwerken wurde bereits eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt und veröffentlicht [2, 3]. Dabei wurden sowohl die Initial- als auch die Folgekosten für einen Modelltunnel ermittelt und für ein Brandereignis mit einem ungeschützten Tunnel verglichen. Diese Berechnungen sollen hier nun um die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung einer WN-BBA ergänzt werden. Die Ergebnisse basieren dabei auf den gleichen Annahmen wie die in der zitierten Berechnung (Gegenverkehrstunnel, Länge 1000 m, Kreisquerschnitt RQ 10,5 T).

Wirkprinzip von Brandschutzplatten

Brandschutzplatten werden auf der Innenseite der Tunnel­innenschale angebracht. Sie schützen so den Beton im Brandfall vor einer schnellen Temperaturerhöhung sowie insbesondere vor den daraus resultierenden Abplatzungen des Betons. Bedingt durch diese „Wärmedämmung“ wird die beim Brand freigesetzte Wärme nicht in Wände und Decke abgeleitet, sodass die Temperaturen im Brandfall im Tunnel höher sind als ohne Brandschutzplatten [4]. Durch einen Brand beschädigte Platten müssen ausgetauscht werden.
Brandschutzplatten schützen zwar effizient den Beton und die tragende Tunnelstruktur, sie dienen jedoch nicht der eigentlichen Brandbekämpfung und unterstützen demnach im Ereignisfall nicht die Arbeit der Einsatzkräfte. Allerdings bieten sie einen guten Schutz vor herunterfallenden Abplatzungen des Betons. Wegen der hohen Wärmeentwicklung im Tunnelfahrraum bei einem Brand ist davon auszugehen, dass im Brandbereich Schäden an der Betriebstechnik auftreten, die daher in der Regel zumindest in diesem Bereich repariert oder ausgetauscht werden muss.

Wirkprinzip von Brandbekämpfungsanlagen

Im Gegensatz zu Brandschutzplatten bekämpfen WN-BBA primär den Brand und verhindern bzw. reduzieren seine Ausbreitung. Daneben verringern sie aber auch die Umgebungstemperaturen im Tunnel und die Rauchgasmenge erheblich. Daraus resultieren eine Unterstützung der Einsatzkräfte bei der Brandbekämpfung, der Schutz des Tunnelbauwerkes samt Betriebstechnik sowie oftmals auch verbesserte Fluchtmöglichkeiten [5].
Eine WN-BBA besteht im Wesentlichen aus einem über die Länge des Tunnels verteilten Rohrleitungsnetz mit Düsen, welches von einer Pumpenstation mit Wasser versorgt wird. Im Brandfall werden in der Regel drei aneinandergrenzende Sektionen aktiviert, um den Brand mit Wassernebel zu bekämpfen und einen Brandüberschlag auf weitere Fahrzeuge zu verhindern [6]. Die Wirksamkeit von WN-BBA wurde bereits in zahlreichen Realbrandversuchen nachgewiesen, die im Rahmen von Forschungsprojekten (z. B. SOLIT1 [7], SOLIT2 [6], UPTUN [8]) und in projektspezifischen Untersuchungen (z. B. Dartford-Tunnel [9]) durchgeführt wurden.
Bei Bränden in Tunneln hat sich gezeigt, dass bei Einsatz von WN-BBA im Brandfall die Schäden am Bauwerk minimal waren und der Tunnel meist innerhalb kurzer Zeit wieder für den Verkehr freigegeben werden konnte.

Brandereignisse in Tunneln mit Brandschutzplatten
Tunnel Rannersdorf (Österreich)

Im Jahr 2018 wurden die Tunnel Vösendorf und Rannersdorf (partiell) mit Brandschutzplatten ausgestattet [10]. Am 29. April 2019 brannte ein Lkw (Zugmaschine samt Auflieger) im Tunnel Rannersdorf komplett aus. Ursache war vermutlich ein technischer Defekt am Fahrzeug [11]. Der Tunnel wurde auf einer Länge von ca. 600 m geschädigt und musste etwa einen Monat lang für die wichtigsten Reparaturen gesperrt werden. Über eine Länge von 15 m musste die Tunneldecke auf einer Fläche von 300 m² komplett entfernt und erneuert werden [12]; sie war in diesem Bereich offensichtlich nicht durch Brandschutzplatten geschützt. Die vollständige Wiederherstellung des Tunnels konnte erst ca. 5 Monate nach dem Brandereignis abgeschlossen werden. Beim Brand waren auch die Sicherheitsausstattungen und die Elektroinstallationen beschädigt worden und mussten erneuert werden. Der Betreiber ASFINAG beziffert allein den Sanierungsaufwand auf knapp 3 Millionen Euro [12]. Die Verluste durch Mautausfall und volkswirtschaftliche Kosten sind hierin nicht enthalten.

Elbtunnel Hamburg

Am 31. März 2011 kam es zu einem Lkw-Brand in einer Röhre des Elbtunnels in Hamburg. Die Zugmaschine eines Gespanns, das mit 28 Tonnen Weizen beladen war, geriet in der Mitte des Tunnels in Brand [13]. Der mit Brandschutzplatten ausgekleidete Tunnel wurde auf einer Länge von 50 m beschädigt, allerdings hatte das Feuer keine statisch relevanten Schäden an der Tunnelkonstruktion verursacht. Der Asphalt in der Röhre musste erneuert werden. Die Wände wurden saniert und die Brandschutzplatten an der Decke ersetzt. Die gesamte Elektroinstallation musste auf einer Länge von 50 m repariert werden. Nach ungefähr zehn Tagen konnte die Röhre wieder geöffnet werden [14, 15].

Brandereignisse in Tunneln mit Brandbekämpfungsanlagen
Burnley-Tunnel (Australien)

Am 23. März 2007 führte ein Auffahrunfall mit drei Lkw und vier Pkw zu einer Explosion und einem Brand im 3,4 km langen Burnley-Tunnel [16]. Durch die sofortige Aktivierung der Brandbekämpfungsanlage (BBA) konnten die Brände eingedämmt werden und ein Brandüberschlag auf andere Fahrzeuge sowie eine signifikante Brandausbreitung verhindert werden [17]. Eine Stunde nachdem der Brand ausbrach, wurde er gelöscht; vier Tage später wurde die betroffene Röhre wieder für den Verkehr geöffnet. Es gab einige geringfügige Schäden, die relativ leicht repariert werden konnten [18].
Am 22. Oktober 2018 sowie am 11. Juni 2019 gerieten erneut Fahrzeuge im selben Tunnel in Brand. In beiden Fällen konnte die Feuerwehr mit Unterstützung der sofort aktivierten BBA den Brand löschen und den Tunnel zeitnah wieder für den Verkehr freigeben [19, 20].

Arlbergtunnel (Österreich)

Am 29. Januar 2019 geriet ein Pkw auf einem mit mehreren Pkw beladenen Autotransporter in Brand. Das Feuer breitete sich rasch aus und griff auch auf den Lkw über [21, 22]. Die Autobahnpolizei vermutet, dass ein „technisches Gebrechen“ [23] der Grund für den Brand gewesen ist. Durch die automatische Aktivierung der im Tunnel installierten WN-BBA konnte der Brand eingedämmt und etwa 30 Minuten nach Entstehung durch die Feuerwehr endgültig gelöscht werden. Nach ca. 2 Stunden wurde der Tunnel wieder komplett geöffnet. Es waren keine Schäden am Bauwerk und an den Sicherheitseinrichtungen festgestellt worden.

Dartford Crossing (England)

Am 2. Juli 2016 geriet ein Pkw im aus Gusseisen-Tübbingen bestehenden und unter der Themse durchführenden Dartford-Tunnel in Brand. Die unmittelbar aktivierte WN-BBA konnte einen Brandüberschlag auf andere Fahrzeuge verhindern und den Brand eindämmen. Der Brand konnte anschließend durch die Feuerwehr gelöscht werden. Der Tunnel konnte bereits nach ca. 90 Minuten für den Verkehr freigegeben werden. Es entstand keinerlei Schaden am Tunnel oder den Sicherheitseinrichtungen.
Wenige Monate später geriet erneut ein Pkw in Brand. Die WN-BBA wurde automatisch ohne Verzögerung aktiviert und konnte erneut einen Brandüberschlag verhindern. Die Wiedereröffnung des Tunnels erfolgte 83 Minuten nach Detektion des Brandes, Schäden am Bauwerk wurden nicht festgestellt [24].
Im Rahmen der Erstellung dieses Berichtes konnten keine Brandvorfälle in Tunneln mit BBA recherchiert werden, in denen es durch bzw. nach einem Brand zu größeren Schäden bzw. längeren Schließungszeiten gekommen ist.

Vergleich der Lebenszykluskosten

Entscheidungen für mögliche Varianten bei Bauvorhaben sollten grundsätzlich nicht nur auf Basis der Baukosten gefällt werden, sondern auch die Kosten berücksichtigen, die während der – bei Tunneln normalerweise sehr langen – Nutzungsphase entstehen. Gemäß einer Empfehlung des DAUB (Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen) soll eine Investitionsentscheidung deshalb auf Basis einer Lebenszykluskostenanalyse erfolgen [30]. Eine solche Analyse berücksichtigt neben den Initialkosten (Herstellung), auch die Folgekosten (Betrieb, Instandhaltung und Instandsetzung). In der Berechnung werden sowohl die Nutzungsdauer einzelner Komponenten und deren Austausch berücksichtigt als auch der Kalkulationszinssatz, mit dem die Beträge auf- oder abgezinst werden.
Auch wenn der aktuelle Leitzins (Mitte 2021) von der Europäischen Zentralbank schon seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 % gehalten wird, ist für die durchgeführten Berechnungen ein Realzinssatz von 1,7 % p. a. verwendet worden, so wie es im Bundesverkehrswegeplan 2030 [31] für Berechnungen von Lebenszykluskosten vorgesehen ist. In langen Betrachtungszeiträumen, wie vorliegend von 100 Jahren, hat auch die Inflationsrate einen Einfluss auf die preisliche Entwicklung. Bei einer gleichmäßigen Änderung aller betrachteten Preise muss sie jedoch nicht berücksichtigt werden, da sich eine einheitliche Preisniveauänderung für alle Zahlungsgrößen einstellt. Hinzu kommt, dass die Unsicherheiten durch eine Abschätzung der Inflationsrate größer sind als der zu erwartende Genauigkeitsgewinn [32]. Daher wird in der vorliegenden Untersuchung der „Ist-Wert-Ansatz“ verwendet und auf eine Berücksichtigung der Inflation verzichtet.
Für die Berechnung der Initial- und Folgekosten wird der gleiche Modelltunnel wie in der oben bereits erwähnten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für Brandschutzplatten [2, 3] verwendet (Gegenverkehrstunnel, Länge 1000 m, Kreisquerschnitt RQ 10,5 T). Ferner wird gleichermaßen angenommen, dass ein Brandereignis zu Beginn der Nutzungsphase auftritt und daraus Kosten für die Reparatur resultieren sowie ein Mautausfall und volkswirtschaftliche Kosten durch umleitungsbedingte Fahrstrecken- und Fahrzeitenverlängerungen aufgrund der zeitweisen Nichtverfügbarkeit entstehen. Die Ergebnisse können somit unmittelbar verglichen werden.

Initial- und Folgekosten einer WN-BBA

Die WN-BBA für den Modelltunnel besteht im Wesentlichen aus einer Pumpenstation, einer Hauptleitung sowie einem Rohrleitungsnetz mit 40 Wassernebel-Sektionen à 25 m. Ferner wird ein separates Betriebsgebäude berücksichtigt, auch wenn dieses in vielen Fällen Teil der sonstigen Baukörper sein kann. Die Initialkosten (Herstellkosten inkl. Installation) einer WN-BBA einschließlich der kalkulierten Nutzungsdauer sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Tabelle 1: Initialkosten einer Wassernebel-Brandbekämpfungsanlage
Tabelle 1: Initialkosten einer Wassernebel-Brandbekämpfungsanlage
Nicht berücksichtigt in der Gesamtkostenbetrachtung eines Tunnels mit WN-BBA sind Möglichkeiten von Kosteneinsparungen durch kompensatorische Maßnahmen wie z. B. der Reduktion der Bemessungsbrandgröße. Solche Einsparungen konnten in zahlreichen internationalen Tunnelbauprojekten realisiert werden. Dabei hat die Reduktion der Bemessungsbrandgröße beispielsweise positive Auswirkungen auf die Lüftung, den baulichen Brandschutz, die zulässige Zeit zum Anrücken der Feuerwehr, die Einsparung von Versicherungskosten usw. Weitergehende Hinweise sind z. B. in den Ergebnissen des SOLIT2-Projektes [6] oder der letzten Fassungen der Richtlinien NFPA 502 [25], RVS 09.02.51 [26] und den Veröffentlichungen der PIARC [5] zu finden.
Die Wartungsarbeiten für WN-BBA wurden anhand der Vorgaben des SOLIT-Leitfadens [6] und auf Basis von Herstellerangaben ermittelt. Durch technische Optimierung von Systemkomponenten lassen sich wesentliche Wartungsarbeiten ohne zusätzliche Tunnelsperrungen ausführen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über Wartungsaufwendungen für moderne WN-BBA.
Tabelle 2: Wartungskosten einer WN-BBA [27]
Tabelle 2: Wartungskosten einer WN-BBA [27]
Die Berechnung der Lebenszykluskosten für eine angenommene Nutzungsdauer des Tunnels von 100 Jahren führt unter Berücksichtigung der oben angeführten Initial- und Wartungskosten sowie des Kalkulationszinssatzes von 1,7 % p. a. zu Gesamtkosten in Höhe von 4 591 900 Euro.

Initial- und Folgekosten von Brandschutzplatten

Die Initialkosten für die Installation von Brandschutzplatten für den Modelltunnel setzen sich zusammen aus den Material- und Installationskosten (ca. 16 500 m² à 72 und 70 €/m²) und betragen insgesamt 2,34 Millionen Euro (Nutzungsdauer 30 Jahre) [2]. Da für die gemäß DIN 1076 alle sechs Jahre durchzuführende Inspektion des Tunnelbauwerks (stichprobenartig) ein Teil der Brandschutzplatten entfernt und wieder montiert werden muss, werden für die daraus resultierenden Folgekosten pauschal 1,50 €/m² für die Gesamtfläche angesetzt. Dafür fallen somit alle sechs Jahre Gesamtkosten von ca. 24 740 Euro an. Da die Tunnelwartung in jedem Falle durchgeführt werden muss, wurden zusätzliche Kosten für die Nichtverfügbarkeit des Tunnels (Mautausfall) und volkswirtschaftliche Kosten nicht berücksichtigt. Die gesamten Lebenszykluskosten betragen 5 016 600 Euro [2].

Schadensszenario Lkw-Brand im Tunnel mit WN-BBA

Das Schadenszenario „Lkw-Brand“ wird mit den kostenbestimmenden Parametern genauso gewählt, wie in der Wirtschaftlichkeitsstudie für Brandschutzplatten [2, 3]. Neben den Reparaturkosten werden auch direkte Auswirkungen der Tunnelschließung (Mautausfall) sowie volkswirtschaftliche Sekundäreffekte durch die Nichtverfügbarkeit des Tunnels berücksichtigt. Einige wesentliche Annahmen sind:
Durchschnittlicher Verkehr von 24 900 Fahrzeugen/Tag
Tägliche durchschnittliche Mauteinnahmen von 4,50 €/Fahrzeug
Kosten für umleitungsbedingte Fahrstrecken- und Fahrzeitenverlängerungen von ca. 417 800 €/Tag [2, 3] aufgrund der Nichtverfügbarkeit des Tunnels
Kommt es in einem Tunnel, in dem eine WN-BBA installiert ist, zu einem Brand, so wird die WN-BBA normalerweise unmittelbar nach Detektion des Brandes aktiviert. Innerhalb von 60 Sekunden nach Aktivierung verteilt sich der Wassernebel in den drei aktivierten Sektionen im Tunnelquerschnitt, also über eine Länge von rund 75 m. Dadurch wird der Brand kontrolliert, und die Temperaturen sowie die Rauchgasfreisetzung werden deutlich reduziert. Wie die Ergebnisse aus zahlreichen Realbrandversuchen zeigen, wird infolgedessen auch ein Brandüberschlag auf benachbarte Fahrzeuge verhindert [6]. Darüber hinaus werden durch die aktive Brandbekämpfung im Tunnel größere Schäden an der baulichen Konstruktion und der Betriebstechnik verhindert. Außerdem kann die Feuerwehr den Brandherd (schneller) erreichen, um den Brand final zu löschen.
In den meisten Fällen konnten bei Einsatz von WN-BBA längerfristige Tunnelsperrungen vermieden und der Tunnel innerhalb weniger Stunden wieder für den Verkehr freigegeben werden. Trotzdem wird hier eine 24-stündige Sperrung nach dem Brandereignis für durchzuführende Untersuchungen angenommen. Auch wenn in den meisten Fällen durch eine aktive Brandbekämpfung Schäden am Tunnelbauwerk verhindert werden, wurden für die Instandsetzung dennoch 80 000 Euro eingerechnet. Ebenso sind Kosten für die Inspektion der Anlage nach Aktivierung (Serviceeinsatz) in die Berechnung eingeflossen. Bedingt durch die zeitnahe Wiedereröffnung des Tunnels fallen insbesondere die entgangene Maut sowie die Umleitungskosten vergleichsweise gering aus. Die Gesamtkosten sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Tabelle 3: Kosten infolge eines Brandes in einem Tunnel mit WN-BBA
Tabelle 3: Kosten infolge eines Brandes in einem Tunnel mit WN-BBA

Schadensszenario Lkw-Brand im Tunnel mit Brandschutzplatten

In der Wirtschaftlichkeitsstudie für Brandschutzplatten [2, 3] wurden die Kosten für einen Lkw-Brand in einem Tunnel mit und für einen ohne Brandschutzplatten bereits detailliert erläutert. Dabei wurde davon ausgegangen, dass Schäden nur auf einer Länge von 80 m aufgetreten sind. Für die Reparatur, während der der Tunnel gesperrt ist, wurden 1,5 (mit Brandschutzplatten) bzw. 7,3 Monate (ohne Brandschutzplatten) angesetzt. Kosten für zerstörte und instand zu setzende Betriebstechnik wurden nicht berücksichtigt.

Vergleich der Kosten für das Schadensszenario Lkw-Brand

Mit den hier durchgeführten Berechnungen und der bereits vorliegenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für Brandschutzplatten liegen nun Lebenszykluskosten und Gesamtkosten infolge eines Lkw-Brands für drei unterschiedlich ausgestatte Tunnel vor (Tabelle 4).
Tabelle 4: Vergleich der Kosten infolge eines Lkw-Brands in Tunneln mit unterschiedlicher Ausstattung (die Spalten 2 und 3 sind [2, 3] entnommen)
Tabelle 4: Vergleich der Kosten infolge eines Lkw-Brands in Tunneln mit unterschiedlicher Ausstattung (die Spalten 2 und 3 sind [2, 3] entnommen)
Die Initialkosten für die Tunnel mit Brandschutzsystem liegen in einer ähnlichen Größenordnung. Sie betragen für den Tunnel mit Brandschutzplatten etwa 2,34 Millionen Euro und für den mit WN-BBA rund 2,25 Millionen Euro. Bei der Tunnelvariante ohne zusätzliche Brandschutzsysteme fallen keine Initialkosten an. Aufgrund der angenommenen Nutzungsdauer des Tunnels von 100 Jahren berechnen sich die Lebenszyklus­kosten für die beiden Brandschutzvarianten (unter Berücksichtigung des Kalkulationszinssatzes von 1,7 % p. a.) zu 5,0 Millionen Euro (Brandschutzplatten) bzw. 4,6 Millionen Euro (WN-BBA). Die Instandsetzungskosten (einschließlich Kosten für den Serviceeinsatz) sind bei der WN-BBA am niedrigsten. Aufgrund der nur kurzen Sperrdauer des Tunnels bei der WN-BBA-Variante fallen Verkehrssicherungskosten nicht an. Ebenfalls wegen der kurzen Sperrdauer bei der WN-BBA–Variante (1 Tag) sind auch die Umleitungskosten und die entgangene Maut deutlich niedriger als bei den Varianten ohne Brandschutzplatten (7,3 Monate) und mit Brandschutzplatten (1,5 Monate).
Die Gesamtkosten (Lebenszykluskosten und Kosten bei nur einem Lkw-Brand auf 100 Jahre) betragen bei der Variante ohne Brandschutzplatten 117 Millionen Euro, bei der mit Brandschutzplatten 29 Millionen Euro und bei der Variante mit WN-BBA nur 5,2 Millionen Euro.

Diskussion der Ergebnisse und Fazit

Der in Tabelle 4 gezeigte Vergleich der drei Varianten zeigt deutlich, dass insbesondere die Nichtverfügbarkeit eines Tunnels zu erheblichen Kosten für Betreiber und Nutzer führt. Die Kosten für den Mautausfall sind bei langen Sperrungen sehr hoch, und die volkswirtschaftlichen Folgekosten (Umleitungskosten), die aus der Sperrung resultieren, sind außerordentlich groß. Somit ist es von höchster Bedeutung, die Sperrzeiten des Tunnels nach einem Brandfall so gering wie möglich zu halten. Hier spielt die Wassernebel-Brandbekämpfungsanlage klar ihre Vorteile aus: Durch die aktive Brandbekämpfung wird die Brandausbreitung minimiert, und damit werden die Schäden im Tunnel – insbesondere auch an der Betriebstechnik – entsprechend gering gehalten. Dadurch ist eine zeitnahe Wiederinbetriebnahme des Tunnels möglich, und die Gesamtkosten bleiben gering. Dies gilt umso mehr, je stärker ein Tunnel frequentiert ist und je wichtiger dieser für die allgemeine Infrastruktur ist. Diesbezüglich war für den untersuchten Modelltunnel mit nur 24 900 Fahrzeugen pro Tag ein relativ gering belasteter Tunnel betrachtet worden.
Ein prinzipieller Unterschied der betrachteten Brandschutzmaßnahmen zeigt sich in der Schutzwirkung: Während bei Brandschutzplatten ein Abfluss der Wärme durch die Dämmwirkung der Platten verhindert wird, um die Bauwerkskonstruktion (Beton) zu schützen, sorgt eine WN-BBA für eine Kühlung der Brandgase, was sich positiv auf die gesamte Tunnelröhre auswirkt. Dies begünstigt auch die Brandbekämpfung durch die Einsatzkräfte, weil sie dadurch den Brandort oft überhaupt erst erreichen können. Großbrände in Tunneln ohne WN-BBA haben nämlich gezeigt, dass Einsatzkräfte aufgrund der hohen Temperaturen, der starken Wärmestrahlung und der auftretenden Rauchgase oftmals nicht in der Lage gewesen sind, zum Brandherd vorzudringen, um diesen schnell unter Kontrolle zu bringen.
Die oben aufgeführte Kostenbetrachtung hat – ähnlich wie auch die Wirtschaftlichkeitsstudie für Brandschutzplatten – weitere Kostenvorteile beim Einsatz von WN-BBA nicht mit einbezogen. So beläuft sich beispielsweise der Bau einer neuen Feuerwache am Nordportal des Elbtunnels auf ca. 9 Millionen Euro. Dazu kommen jährliche Personalkosten von etwa 6 Millionen Euro [28, 29]. Bei der Installation einer WN-BBA könnten möglicherweise wesentliche Kosten hierfür eingespart werden, weil durch die automatische Aktivierung der Anlage auch längere Anrückzeiten der Einsatzkräfte tolerierbar wären. Nicht betrachtet wurde zudem, dass WN-BBA im Rahmen von Nachrüstungen in der Regel ohne Schließungen des Tunnels tagsüber auskommen. So können schon in der Bauphase volkswirtschaftliche Kosten deutlich reduziert werden.
Die Berechnungen zeigen, dass im Allgemeinen die Kosten für die Installation einer WN-BBA im Laufe der Nutzungsdauer wieder eingespart werden, wenn es zu (mindestens) einem größeren Brand während dieser Zeit kommt. Ob es tatsächlich dazu kommt, lässt sich nicht vorhersagen. Die Tunnelbrandstatistik der ASFINAG [33] lässt dies jedoch als sehr wahrscheinlich erscheinen. Letztendlich muss für jeden Tunnel individuell überprüft werden, ob aufgrund einer erhöhten Brandwahrscheinlichkeit im Tunnel (z. B. Lage und Länge des Tunnels, Anteil des Schwerlastverkehrs sowie Gefälle vor und im Tunnel) oder einer besonders starken Frequentierung und Bedeutung im Verkehrsnetz eine WN-BBA oder Brandschutzplatten aus wirtschaftlicher Sicht empfehlenswert sind.

Water Mist Systems for Tunnels - Full Scale Fire Tests

Literatur/References
 
[1] ZTV-ING – Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für In­genieurbauten (ZTV-ING), Teil 5 Tunnelbau, Bundesanstalt für Straßenwesen, Fassungen vom Dezember 2007 (Abschnitt 4) und Januar 2018
[2] Leucker, R.; Stieglitz, C. von; Gielnik, B.: Ergebnisse einer Wirtschaftlichkeits- und Folgekostenuntersuchung zum Einsatz von Brandschutzplatten bei Tunnelbauwerken, In: Forschung+Praxis 53, Langfassungen der Vorträge zur STUVA-Tagung 2019, S. 404–409, Ernst & Sohn.
[3] Stieglitz, C. von: Folgekosten und Wirtschaftlichkeit von Brandschutzplatten beim Einsatz in Tunneln; Tunnel 02/2020, S. 36–43.
[4] Tomar, Mukesh; Khurana, Shashank. (2019): Impact of passive fire protection on heat release rates in road tunnel fire: A Review. Tunnelling and Underground Space Technology. 85. 149-159. 10.1016/j.tust.2018.12.018.
[5] PIARC World Road Association: Fixed fire fighting systems in road tunnels: Current practices and recommendations, Edition 2016
[6] SOLIT2: Leitfaden zur ganzheitlichen Bewertung von Tunneln mit Brandbekämpfungsanlagen sowie deren Planung am Beispiel von wasserbasierten Brandbekämpfungsanlagen. Wissenschaftlicher Abschlussbericht zum SOLIT² Forschungsvorhaben, erstellt durch das SOLIT² Forschungskonsortium, Anhang 3: Planungsleitfaden für Brandbekämpfungsanlagen in Tunneln, SOLIT2 Konsortium, 2012
[7] SOLIT1: Safety of Life in Tunnels, 2006
[8] UPTUN Research Consortium WP2 „Guideline for Water Based Fire Fighting Systems for the Protection of Tunnels and Sub Surface Facilities“ WP251, Edition 2007
[9] Dartford Crossing: Hochdruck-Wassernebeltechnik setzt neue Maßstäbe in der Tunnelsicherheit, Feltmann und Laibach, Tunnel Magazin 07/2013
[10] Projektübersicht Tunnel Vösendorf + Tunnel Rannersdorf (A), Chembau GmbH, http://www.chembau.at/portfolio-items/baulicher-brandschutz-s1-tunnel-voesendorf-tunnel-rannersdorf/, abgerufen am 20.04.2020
[11] Brand in S1-Tunnel, Allein 180.000 Euro Schaden an Lkw und Ladung, Kleine Zeitung: https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5620319/Brand-in-S1Tunnel_Allein-180000-Euro-Schaden-an-Lkw-und-Ladung, abgerufen am 20.04.2020
[12] S1-Tunnel Rannersdorf Anfang Juni wieder befahrbar?, https://www.noen.at/schwechat/nach-lkw-brand-s1-tunnel-rannersdorf-
anfang-juni-wieder-befahrbar-schwechat-braende-niederoesterreich-verkehrsinfo-wien-147370401, abgerufen am 20.04.2020
[14] 4. Elbtunnelröhre nach Brandsanierung wieder frei; Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, https://www.hamburg.de/bsu/2854238/2011-04-11-bsu-elbtunnel/, abgerufen am 12.06.2021
[15] Sanierung des Elbtunnels nach Brandunfall; Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, https://www.hamburg.de/
pressearchiv-fhh/2845632/2011-04-05-bsu-elbtunnel/, abgerufen am 12.06.2021
[17] Arnold Dix: The Impact of Fixed Fire Fighting Systems on Tunnel Safety – The Burnley Incident in a Current Theoretical Perspective, 2010
[18] Arup: Burnley Tunnel Fire – The Arup View, 2007
[21] Peter Sturm, Fire on a Semi-trailer carrying vehicles, Arlberg tunnel, 2019, (unveröffentlichtes Dokument) “Arlberg Brand.pdf”
[22] Vorarlberg: https://vorarlberg.orf.at/v2/news/stories/2961499/, abgerufen am 20.04.2020
[24] Pearce, Graham und Cook, David: Dartford Tunnel Car Fire (Gatwick: UK Tunnel Operators Forum), 2016
[26] Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr, „RVS 09.02.51 Ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen“, 01.07.2014
[27] Wartung und Instandhaltung von Wassernebel-Brandbekämpfungsanlagen im Straßentunnel, Peters, Babett und Rothe, Rajko, Tunnel Magazin 04/19
[29] Niendorfer Wochenblatt: https://www.niendorfer-wochenblatt.de/2015/10/07/schnell-am-deckel/, abgerufen am 20.04.2020
[30] DAUB (2018): Empfehlungen für die Ermittlung von Lebenszykluskosten für Straßentunnel; Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (DAUB). Köln, November 2018.
[31] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2016): Bundesverkehrswegeplan 2030. Berlin, 2016.
[32] PTV, TCI, Röhling (2016): Methodenhandbuch zum Verkehrswegeplan 2030; Studie im Auftrag des BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur). Karlsruhe, Berlin, Waldkirch, München, 2016.
[33] ILF (2013): Auswertung der ASFINAG-Tunnelbrandstatistik 2006–2012. Studie im Auftrag des BMVIT (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) und der ASFINAG. Linz, 2013.
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