Swiss Tunnel Congress 2016
Vom 15. bis zum 17. Juni 2016 veranstaltete die Swiss Tunnelling Society – Fachgruppe Untertagbau (FGU) des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) – den 15. Swiss Tunnel Congress im Kultur- und Kongresszentrum Luzern.
Rund 800 Besucher nahmen am Vortragsprogramm teil. Das Swiss Tunnel Colloquium für Studierende, junge Ingenieure und Praktiker erreichte am ersten Tag eine Teilnehmerzahl von 400, womit der 15. Swiss Tunnel Congress (STC) der bislang am besten besuchte ist. Erneut bot der STC parallel zum Vortragsprogramm eine Fachausstellung, und er wurde beendet mit Exkursionen zu aktuellen Schweizer Tunnelbauprojekten.
Gotthard-Basistunnel
Anlässlich der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels (GBT) am
1. Juni gab es auch im Rahmen des STC Grund zum Feiern. „Die Anerkennung, die Europa unserem Jahrhundertwerk, dem Gotthard-Basistunnel zollt, ist überwältigend“, erklärte Luzi Gruber, der die Präsidentschaft der FGU zum Ende des Kongresses an seinen Nachfolger Stefan Maurhofer übergab. „Wenn man die politische Würdigung bei der Eröffnung persönlich aus der Nähe miterleben darf, dann geht das unter die Haut. Mit seltener Einigkeit haben wir dieses Werk gefeiert: Hoher Standard, höchste Qualität und vor allem: in der Zeit und im Budget.“
Moritz Leuenberger, Schweizer Bundesrat von 1995 bis 2010, hielt das Eröffnungsreferat zur Bedeutung des GBT für die Schweiz und Europa. Während seiner Amtszeit waren die Volksabstimmungen über die NEAT, ihre Finanzierungen und das bilaterale Verkehrsabkommen mit der EU erfolgt. „In diesem Jahr feiern wir den längsten Eisenbahntunnel der Welt, und wir tun es mit großer Freude“, sagte Leuenberger. „Dabei drehte es sich nicht um einen Weltrekord; es ging um inhaltliche Ziele, nämlich um eine Verbesserung des nationalen Zusammenhaltes. Es ging darum, die italienische Schweiz mit der deutschsprachigen Schweiz besser zu verbinden. Es ging um eine nachhaltige Verkehrspolitik. Und es ging auch darum, einen Beitrag zur Verkehrspolitik in Europa zu leisten.“
Der Tunnel, so Leuenberger, sei nicht nur ein Meisterwerk der Ingenieure, Mineure und Planer, sondern auch ein Werk der direkten Demokratie: „Wer durch sein eigenes politisches Bekenntnis an der Urne mitgestaltet, der betrachtet eine solche Infrastruktur als seine eigene. Sie wurde uns nicht vor die Nase gesetzt, sondern wir selber wollten sie und haben sie deswegen auch gerne.“
Dr. Renzo Simoni, seit 2007 Vorsitzender der Geschäftsleitung der AlpTransit Gotthard AG, gab dem Fachpublikum darüber hinaus einen detaillierten Einblick, was noch zu tun ist bis zur Inbetriebsetzung. Denn bevor die Züge ab Ende 2016 fahrplanmäßig durch den GBT fahren, müssen alle Anlagen eingehend geprüft, Testfahrten absolviert und das Personal geschult sein. Erst wenn diese Inbetriebsetzung erfolgreich abgeschlossen ist, erteilt der Bund die Betriebsbewilligungen.
Tunnelbauprojekte in der Schweiz und internationaler Tunnelbau
In 12 weiteren Fachvorträgen befasste sich der Kongress mit der Präsentation und Analyse nationaler und internationaler Untertagbauprojekten sowie aktuellen technischen Entwicklungen. Aus der Schweiz berichtete unter anderem Christian Zimmermann von der Ulrich Imboden AG über die Vortriebe der Südumfahrung Visp im Kanton Wallis – ein komplexes Verkehrsinfrastrukturprojekt, das aufgrund schwieriger felsmechanischer Prognosen besondere Vorkehrungen für den Sprengvortrieb erfordert.
Aus Schweden stellte Bo Larsson für die Swedish Transport Administration das „West Link“-Projekt vor – ein Eisenbahntunnel unter dem Zentrum von Göteborg, der ab 2026 mit drei neuen Bahnhöfen die Nahverkehrskapazität verbessern soll. Die Trasse durchquert dabei Bereiche, die geotechnische, hydrogeologische und technische Herausforderungen hinsichtlich des Schutzes von Umwelt und Gebäudebestand bereit hält.
In weiteren Referaten wurde vom Bau des Eurasia-Tunnels in Istanbul berichtet (Gewinner des ITA-Awards 2015 in der Kategorie Großprojekte), vom französischen Großprojekt Grand Paris Express mit 200 km nahezu vollständig unterirdischer Strecke für eine automatische U-Bahn, oder auch vom deutschen Tunnel Rastatt auf der Ausbaustrecke Karlsruhe–Basel, der nicht nur ein Schlüsselprojekt des europäischen Güterverkehrskorridors A ist, sondern zudem ein offizielles Building-Information-Modeling-Pilotprojekt des deutschen Verkehrsministeriums. Der Vortrieb des Tunnels wurde im Mai 2016 aufgenommen und sieht im Bauverlauf den dreimaligen Einsatz von Gefrierkörpern als Bauhilfsmaßnahmen vor.
Colloquium
Das Colloquium widmete sich dem umfangreichen Thema „Brand und Sicherheit in Bahn- und Straßentunneln“. Zur Eröffnung stellte Christoph Schneider vom Schweizer Bundesamt für Verkehr die Sicherheitsaspekte aus Sicht der Bewilligungsbehörde dar. Dabei warf er auch einen Blick auf Zielkonflikte, die sich zwischen den Zielsetzungen der Ereignislüftung einerseits und der Personenrettung andererseits ergeben.
Als Schlüsselkomponente in der Sicherheitskette wurde die Ereignislüftung in zwei getrennten Referaten für Straßentunnel (Dr. Marco Bettelini, Samuel Rigert; Amberg Engineering) und unterirdische Bahnanlagen (Dr. Severin Wälchli und Jens Badde; Pöyry Schweiz) ausgiebig erläutert.
Auch das Thema der Fluchtwege stand im Mittelpunkt der Vorträge. Neben der optischen Führungsbeleuchtung an den Banketten von Straßentunneln befasste sich etwa Yves Rödiger von der Gifas-Electric GmbH mit Beleuchtungssystemen für Sicherheits-Handläufe zur Mindestausleuchtung von Fluchtwegen in Bahntunneln. Urs Kummer von der International Fire Academy referierte über die Schaffung von optimalen Voraussetzungen für Rettungskräfte im Fall eines Tunnelbrandes, die nur von allen an Konzeption, Bau und Betrieb von Tunneln Beteiligten gemeinsam geschaffen werden können.
Tagungsband
Ein vollständiger Einblick in das breite Themenspektrum des STC 2016 lässt sich dem Tagungsband entnehmen, in dem alle Referate vollständig enthalten sind:
Swiss Tunnel Congress 2016,
Fachtagung für Untertagbau, Band 15,
240 Seiten, mit zahlreichen Bildern und Quellen,
deutsch/englisch/franz./ital.;
ISBN 978-3-033-05486-8, gebunden, zum Preis von 120 CHF (Memory Stick: 50 CHF), zu beziehen beim Sekretariat der Fachgruppe Untertagbau/Swiss Tunnelling Society oder im Onlineshop auf www.swisstunnel.ch
Der nächste Swiss Tunnel Congress 2017 wird vom 30. Mai bis zum 1. Juni 2017 in Luzern stattfinden.
Marvin Klostermeier