Jinping II: Gripper-TBM für Wasserkraftwerk
In der Provinz Sichuan, Zentral-China, entsteht das Wasserkraftwerk Jinping II, das bei Fertigstellung bis zu 4800 MW Leistung bereitstellen soll. 4 Druckwasserstollen führen durch Gestein hoher Festigkeiten bei hohen Überdeckungen. Der Tunnelvortrieb erfolgt sowohl maschinell als auch konventionell per „Drill and Blast“.
In der chinesischen Provinz Sichuan werden derzeit an einem der Hauptzuflüsse des Oberlaufs des Jangtse, dem Yalong-Fluss, die beiden Kraftwerksstufen Jinping I und Jinping II gebaut. Auftraggeber des Bauvorhabens ist die Ertan Hydropower Development Co. (EHDC). Das Kraftwerk Jinping II am Unterlauf des Flusses verfügt über eine geplante Kapazität von insgesamt 4800 MW und damit über die höchste Kapazität der insgesamt 5 Wasserkraftwerke am Yalong.
Jinping II ist Teil des Plans, die Kapazitäten zur Energieerzeugung in West- und Zentral-China zu nutzen, um den in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Bedarf im wirtschaftlich starken Osten des Landes zu decken. Das Kraftwerk wird außerdem dazu beitragen, die Energieversorgung in den Provinzen Sichuan und Chongqing sicherzustellen.
Die Trasse der 4 Freispiegel-stollen mit einem Ausbruchdurchmesser von 12,4 m wurde so geplant, dass sie eine 150 km lange Schlaufe im Yalong-Fluss kurzschließen werden und der Höhenunterschied zwischen den Armen der Flussschlaufe zur Stromproduktion genutzt werden kann. Die Fallhöhe des Kraftwerks beträgt 318 m.
Bei 2 der Druckstollen kommt maschinelle Tunnelvortriebstechnik zum Einsatz und 2 Tunnel werden per „Drill and Blast“ erstellt. Der Druckstollen Nr. 1 wird aktuell mit einer von Robbins gelieferten Main Beam TBM gebohrt. Für den Druckstollen Nr. 3 für das Projekt Jinping II kommt eine Gripper-TBM von Herrenknecht zum Einsatz. Beide TBM haben einen Bohrdurchmesser von 12,4 m.
Die Gripper-TBM S-405 von Herrenknecht mit Nachläufer für den Druckstollen Nr. 3 wurde von der Ertan Hydropower Development Co Ltd. (EHDC) beauftragt und wird von einem Joint Venture der China Railway 13th Bureau Group Co., Ltd. und der Beijing Vibroflotation Engineering Co., Ltd. eingesetzt. Diese Gripper-Maschine für den Druckstollen Nr. 3 steht im Fokus der folgenden Beschreibung (Bild 1).
Im Gebiet sind bereits ein „Straßenzugangstunnel“ und ein 5 km langer Sondierstollen erstellt worden. Die geologisch-geotechnischen Informationen im Projektgebiet basieren vorwiegend auf Oberflächenkartierungen sowie den Erfahrungen bei den Sprengvortriebsarbeiten der bestehenden Tunnel.
Geologische Situation
Die Trasse im Projektgebiet des Wasserkraftwerks Jinping II verläuft auf einer Höhe von 1600 m üNN und ihre Länge beträgt 16 km bei Überdeckungen zwischen 1270 m und 2525 m. Die Geologie entlang des zu bohrenden Tunnels durch die Jinping-Gebirgskette – mit Höhen von bis zu 4300 m – besteht vorwiegend aus mittel- bis dickbankigem Kalkmarmor sowie dünn- bis mittelbankigem Marmor mit Druckfestigkeiten von bis zu 150 MPa. In massigem Marmor wurde in Referenzprojekten ab einer Felsüberdeckung von ca. 1700 m Bergschlag beobachtet. Beim TBM-Vortrieb ist mit diesen Phänomenen bereits bei geringeren Überlagerungen in den massigen, grobgebankten Kalken zu rechnen, dazu mit massiven Wasserzutritten. Im Verlauf des bisherigen Gripper-Vortriebs in Jinping kam es nur vor dem Bohrkopf zu Gebirgsentspannungen. Zu Bergschlag und hohen Wasserzutritten kam es bisher nicht.
Aufgrund der hohen Gebirgsüberlagerung muss über einen sehr großen Anteil des Tunnels mit einer instabilen Ortsbrust infolge von Spannungsumlagerungen, d.h. einem Ausknicken von mächtigen Schichtpaketen, gerechnet werden. Dies wird durch die steil stehende Bankung des Marmors gefördert. Darüber hinaus muss aufgrund des vorwiegend anstehenden kalkhaltigen Gesteins mit Verkarstungen mit hohen Wasserzutritten gerechnet werden. Der Karst scheint dabei meist an Risskarst-Systeme gebunden zu sein.
Die geologisch-geotechnisch prognostizierten Baugrundverhältnisse für den maschinellen Tunnelvortrieb im Projekt Jinping sind als sehr komplex zu beschreiben. Die ingenieurwissenschaftlichen Herausforde-rungen sind der hohe in-situ Gebirgsdruck, Bergschlag, Karstvorkommen, hohe Wasserzutritte, hohe Temperaturen sowie gefährliche, weil giftige Gase (Schwefelwasserstoff H2S). Diese Bedingungen waren Grundlage für die Auslegung und das Design der im Einsatz befindlichen Hartgestein-TBM. Dabei bestimmten im Wesentlichen das Risiko von Bergschlägen sowie hohe erwartete Wasserzutritte das Design des Bohrkopfes.
Eingesetzte Maschinentechnik
Die für den 16 km langen Beileitstollen eingesetzte TBM entspricht dem neuesten Stand der maschinellen Tunnelvortriebstechnik im Hartgestein und wurde gezielt auf die Anforderungen des Projektes Jinping abgestimmt (Bild 2). Der Hartgesteinsbohrkopf der S-405 hat einen Durchmesser von 12,44 m und ist mit 19-Zoll-Schneidrollen bestückt (73 Einringschneidrollen und 4 Zweiringschneidrollen). Der Bohrkopf hat 12 Materialeinlassöffnungen im Außenbereich und 4 im Zentrumbereich.
Das Schneidrad mit Drehzahlen von bis zu 5 Umdrehungen pro Minute ist mit einer Antriebsleistung von 4900 kW ausgerüstet. Das Drehmoment beträgt 19.750 kNm und die Vortriebskraft liegt bei 39.584 kN. Das Schneidrad besteht aus einem Zentrum und 4 Außensegmenten. Um auf mögliche Konvergenzen reagieren zu können, ist ein Überschnitt am Schneidrad durch „shiften“ (verschieben) der Schneidrollen möglich.
Spannungsumlagerungen im Gestein können zu einer instabilen Ortsbrust führen. Hierbei ist mit einem systematischen Vorbrechen der Tunnelbrust zu rechnen. Diese Erfahrungen wurden bei den Projekten Lötschberg- sowie Gotthard-Basistunnel (Lose Amsteg und Bodio) in der Schweiz gemacht. Das Schneidraddesign im Pro-jekt Jinping ist auf derartige Verhältnisse angepasst. Sehr große und massive Gesteins-blöcke können durch den Bohrkopf, d.h. durch Schneidrollen, Abweiskeile, Räumer und deren Stege in den Öffnungen, gebrochen werden. Im Vergleich zu den genannten Schweizer Projekten ist das im Projekt Jinping anstehende Gestein jedoch weniger hart und abrasiv.
Für den Fall, dass von der Ortsbrust große Mengen Was-ser zutreten, müssen die Räu-merkanäle des Bohrkopfes so ausgelegt sein, dass das Wasser möglichst kontrolliert abgeschieden werden kann, d. h. vom abgebauten Gestein getrennt werden kann. Lochbleche in den Räumerkanälen erfüllen diese Funktion. An der Bohr-kopfrückseite befinden sich zudem Öffnungen zum Wasser-auslass. Beide Konstruktionen sollen das wassergesättigte Abbaumaterial dränieren, bevor es auf den Muckring fällt. Das Wasser wird im Sohlbereich des Bohrkopfes und anschließend entlang der Sohlsegmente im Bereich der TBM abgeleitet. Der Nachläufer wurde so konstruiert, dass seine Unterkante einen Abstand von 1,68 m über der Tunnelsohle hat. Die Hart-gesteinsmaschine ist mit 3 gro-ßen Entwässerungspumpen mit Kapazitäten von je 300 m3/h ausgestattet, die die Schienen-installation trocken halten sollen.
Je 2 Bohrgeräte für Anker- und Schirmbohrungen sind im L1- und L2-Bereich der Maschi-ne angeordnet. 2 Doppelbohr-kopfgeräte sind im L2-Bereich der TBM über und unter dem Maschinenrahmen installiert. Mit ihnen ist es möglich, Probebohrungen durchzuführen. Der Spritzbeton für die letzte Tunnelsicherung wird mithilfe eines automatischen Spritzbetonroboters auf der Brückenkonstruktion des Nach-läufers und dem 5. Nachläufer aufgebracht.
Das an der Ortsbrust abgebaute Material wird kontinuierlich über ein Maschinenband mit anschließendem Tunnelband bis zum Tunnelportal transportiert. Die Förderbandkapazität ist der maximalen Vortriebsgeschwin-digkeit angepasst. Ein Steuer-leitsystem der VMT GmbH ist auf der TBM installiert.
Die Gripper-TBM von Her-renknecht mit einem Durchmes-ser von 12,4 m für den ca. 16 km langen Beileitstollen des Wasser-kraftwerks Jinping II ist seit Mit-te November 2008 im Betrieb (Bild 3). Die regulären Arbeits-zeiten betragen 7 Tage pro Wo-che bei einem Arbeitstag von 11 Stunden. Bis Anfang Septem-ber 2009 hat die Vortriebsanlage 1724 m gebohrt und gesichert. Die bisher beste Tagesleistung wurde am 20. Juli 2009 mit 30 m Vortrieb erreicht.
Ausblick
Mit einem Durchmesser von 12,40 m ist die S-405 für das Projekt Jinping II die größte Gripper-TBM, die Herrenknecht je geliefert hat. Sie ist ausgelegt, die besonderen Heraus-forderungen des Projekts bestmöglich zu beherrschen: Spannungsumlagerungen im Gestein, hohe Gebirgsüberlagerung sowie das Risiko sehr hoher Was-serzutritte. Mit der Fertigstel-lung der Großprojektes Jinping II und der Inbetriebnahme des Kraftwerks wird die Möglichkeit bestehen, einen Teil des chinesischen Wirtschaftswachstums mit umweltfreundlicher Was-serkraft zu versorgen.