China

Förderbandanlagen für Wasserkraftwerk Jinping II in China

In China soll in der Provinz Sichuan mithilfe von 21 Wasserkraftwerken Strom erzeugt werden. Zu dieser Gesamtbaumaßnahme gehören auch die beiden Kraftwerksstufen Jinping I und II. Dabei entsteht ein kompliziertes System verschiedener Stollen und Tunnel, deren Abraum über eine durchdachte Förderbandanlage verbracht wird.

Im Südwesten der Provinz Sichuan befindet sich einer der Hauptzuflüsse zum Jangtse, der Yalong-Fluss. Er fließt, oftmals tief eingeschnitten, durch das gebirgige Gebiet zwischen dem Hochplateau von Tibet und dem Tiefland von Sichuan. Im Endausbau soll die Energie von 1571 Flusskilometern mit ei-nem Gefälle von über 2800  m durch 21 Kraftwerke zur Stromerzeugung genutzt werden.
Mit dem Bau der Kraftwerkskette ist die Ertan Hydropower Development Company Ltd. (EHDC) beauftragt. Nach der Fertigstellung des Ertan-Dammes mit dem zugehörigen Kraftwerk sind aktuell die beiden Kraftwerksstufen Jinping I und II am Mittellauf des Yalong im Bau.
Das Wasserkraftwerk Jinping II wird die Fallhöhe einer 120  km langen Flussschleife nutzen. Die Ausbauleistung beträgt 4800  MW. Die Anlage ist komplett unterirdisch als Kavernenkraftwerk vorgesehen. Die Triebwasserleitungen bestehen aus 4 parallel verlaufenden Druckstollen von ca. 17  km Länge und einem Ausbruchdurchmesser von 12,4  m. Parallel zu diesen Stollen verläuft ein Entwässerungsstollen mit einem Ausbruchdurchmesser von 6,0  m. Dieser wird als Bauhilfsmaßnahme genutzt, um das karstige Gebirge nötigenfalls dränieren zu können und die Sicherheit beim Vortrieb der Hauptstollen zu erhöhen. Die Ausbruchmenge für die Druckstollen und den Entwäs-serungsstollen beträgt etwa 20 Mio. t. Die 4 Vortriebe auf der Ostseite der Flussschleife für die Druckstollen und den Entwässerungsstollen werden über einen gemeinsamen Zugangsstollen erschlossen. Durch diesen Zugangsstollen muss ein großer Teil des Ausbruchmaterials der 5 Vortriebe – 2 Sprengvortriebe und 3 TBM-Vortriebe – heraus- und sämtliches zur Sicherung und Verkleidung notwendige Material hineintransportiert werden. Aus logistischer Sicht stellt dieser Zugangsstollen somit ein anspruchsvolles Glied in der gesamten Baustellenkette dar.
Da China einen immensen Bedarf an Energie hat, ist das Zeitprogramm äußerst ambitioniert: So begannen die ersten Sprengvortriebe für die Druckstollen bereits 2007 und die beiden TBM-Vortriebe starteten im Winter 2008. Die Fertigstellung des Kraftwerks ist für 2014 geplant. Anspruchsvolle Vortriebsleistungen sind notwendig, um dieses Bauprogramm einhalten zu können. Es ist vorgesehen, dass die TBM-Vortriebe eine durchschnittliche Monatsleistung von 600  m bewältigen werden. Um die hohen Vortriebsleistungen zu ermöglichen, müssen pro Stunde bis zu 5600  t Ausbruchmaterial durch den Zugangsstollen und über 6  km Strecke in die Enddeponie transportiert werden. Dort soll das Ausbruchmaterial zum Teil aufbereitet und als Betonzuschlagstoff wiederverwendet werden. Mit dem restlichen Material, über 11 Mio. t Ausbruch, wird ein Seitental des Yalong-Flusses auf fast 300  m Höhe mit einer Länge von über 1 km aufgefüllt.
Die Marti Technik AG wurde 2006 durch die EHDC eingeladen, ein Konzept zur Bewirt-schaftung dieser Ausbruchmaterialien zu entwickeln. Diese Studie zeigte auf, dass die vorgesehenen Transportmengen sowohl im Zugangsstollen als auch auf der Strecke zur Enddeponie nur mit sehr leistungsfähigen Förderbandanlagen zu bewältigen sind. Weder der Transport per Schiene noch der mit Dumpern kann die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen. Die Studie bildete für die EHDC die Basis für eine Serie von Ausschreibungen. Darunter befanden sich auch die für die Installationen der TBM-Vortriebe – Tunnelbohrmaschine, Nachläufer, Lüftungsan-lage und Tunnelbandanlage – sowie auch die Ausschreibung der gesamten Außenbandanlage zwischen den Druckstollenvortrieben bis in die Enddeponie. Während die Vortriebsinstallationen international ausgeschrieben wurden, beschränkte sich die Ausschreibung der Außenbandanlage auf China.
Für beide Ausschreibungs-pakete hat Marti Technik, teilweise zusammen mit chinesischen Partnern, Angebote ausgearbeitet. Daraus entstanden schließlich 2 Aufträge: Ein erster zur Lieferung der Tunnel-bandanlage und ein zweiter zur Lieferung und Installation der gesamten Außenbandanlage.

Tunnelbandanlage
Die Tunnelbandanlage des mit einer Tunnelbohrmaschine aufgefahrenen Druckstollens Nr. 3 mit einem Ausbruch-durchmesser von 12,4  m wurde durch Marti geliefert. Die Tunnelbandanlage weist eine Förderleistung von 1800  t/h auf. Die Gurtbreite beträgt 1,2  m. Die Förderbandlänge bei Vortriebsende wird voraussichtlich 14 700  m betragen. Die Tunnelbandanlage besteht aus einer Einbaustation für die Tragstruktur auf dem TBM-Nachläufer, der eigentlichen Tunnelbandanlage und einem Bandspeicher mit Antriebsstation. Um die Förderung über die gesamte Vortriebslänge ohne exzessive Gurtzugkräfte zu gewährleisten, muss nach 7,7 Vortriebskilometern eine Zwischenantriebsstation (Booster) eingebaut werden. Die gesamte installierte Leistung für diese Anlage wird im Endausbau 2800  kW betragen. Es handelt sich damit um eine der leistungsfähigsten je realisierten Tunnelbandanlagen. Durch die Kombination des Bandspeichers mit der eigens entwickelten Einbaustation für die Tragstruktur auf dem TBM-Nachläufer ist es möglich, das Förderband weitgehend unabhängig vom Vortrieb der TBM zu verlängern. Lediglich alle 250  m Vortrieb, dies entspricht – mit der vorgesehenen Durch-schnittsleistung der TBM von 600  m pro Monat – einer Zeit-spanne von 12 Tagen, muss der Vortrieb unterbrochen werden, um den Bandspeicher wieder aufzufüllen.
Der Lieferumfang umfasst das Engineering, die Lieferung aller mechanischen und elekt-rischen Komponenten, die Steuerung der Anlage sowie die Supervision der Montage. Die Montage selbst und der Betrieb der Anlage werden durch die Vortriebsmannschaften vorgenommen. Im Gegensatz zu dem in Europa üblichen Modell hat hier die Bauherrschaft sämtliche Vortriebsinstallationen für die mechanisierten Vortriebe selbst erworben und stellt diese den Tunnelbauunternehmun-gen zur Verfügung.

Außenbandanlage
Während die Tunnelband-anlage trotz der großen Länge und der hohen installierten Leistung weitgehend ein Stan-dardprodukt darstellt, handelt es sich bei der Außenbandanlage um eine maßgeschneiderte Lösung, die einige Sonderbauwerke einschließt.
Die EHDC hat diese Anlage nicht in einem internationalen Verfahren ausgeschrieben, sondern die Ausschreibung auf China beschränkt. Gleichzeitig wurden durch die EHDC ambitionierte Vorgaben gestellt – sowohl bezüglich der Termine als auch der technischen Anforderungen. So durften die Förderbänder des Außenban-des auf den 6  km zwischen dem Zugangsstollen und der Enddeponie keine Übergaben aufweisen, die Förderleistung muss 5600  t/h betragen. Im Weiteren muss der Rücktransport von 600  t/h zu Betonzuschlagstoffen aufbereitetem Ausbruchmaterial möglich sein.
Während der sehr kurzen Angebotsphase erarbeitete Marti Technik eine technische Lösung. Die gesamte Anlage ab den Übergabestellen für das Ausbruchmaterial im Zugangs-stollen bis in die Deponie ist konsequent mit 2 Straßen geplant. Dies ermöglicht zum einen, das für die Wiederaufbereitung geeignete Ausbruchmaterial getrennt vom ungeeigneten Material zu transportieren, zum anderen ist auch bei Bandrevisionen oder Bandunterhalt der Vortrieb – allerdings nur eingeschränkt – möglich. Folgende Vorgaben waren zu erfüllen:
– Übernahme des Ausbruchmaterials ab den Tunnelförderbändern. An dieser Stelle wird über Funktion oder Qualität des Materials entschieden, also ob dieses zur Aufbereitung zu Zuschlagstoffen geeignet ist. Über ein reversibles Plattenband kann das Ausbruchmaterial auf eine der Bandstraßen aufgegeben werden.
– Parallele Förderbänder mit jeweils 2800  t/h Kapazität und einer Länge von 1,2 km im Zugangsstollen. Diese Förderbänder haben die Aufgabe, das von den Vortrieben stammende Material zu übernehmen und aus dem Untertagebereich zu fördern. Die Gurtbreite beträgt 1,2  m, beide Förderbänder liegen auf einer Brückenkonstruktion auf. Diese Brückenkonstruktion ist im Zugangsstollen unterhalb der Kalotte aufgehängt. Dabei handelt es sich um eine Auflage der EHDC, dass im gesamten Zugangsstollen keine Stützen verwendet werden dürfen, um die Bodenfläche des Stollens komplett für den Verkehr per Schiene und mittels Pneufahr-zeugen freizuhalten.
– Parallele Außenbänder über eine Distanz von 6,2  km. Diese Bänder mit einer Kapazität von je 2800  t/h fördern das Ausbruchmaterial ab der Übergabestelle vor dem Portal des Zugangsstollens bis an den Fuß der Enddeponie. Die hohe Förderleistung und die damit verbundene Wahl von breiten Fördergurten schränkte die Parameter zur Trassierung beträchtlich ein. So mussten der minimale horizontale Kurvenradius auf 1200  m und die maximale Steigung der Trasse auf 14° (25  %) begrenzt werden. Auf dem Untergurt des einen Förderbandes werden pro Stunde 600  t Betonzuschlagstoffe aus dem Kieswerk bei der Enddeponie zum Portal des Zugangsstollens zurückgefördert. Die gesamte Anlage ist aufgeständert, da es nur so möglich war, im äußerst steilen Gelände eine bandverträgliche Linienführung zu finden. Trotzdem mussten 4 Brücken mit Spannweiten zwischen 62 und 200  m erstellt werden. Zwei dieser Brücken wurden als Hängebrücken, die beiden übrigen als mehrfeldrige Durchlaufträger ausgelegt.
– Eine Bandanlage zur Bewirtschaftung der Enddeponie. Mit 2 parallelen Bandstraßen von je 1  km Länge wird das Material auf dem Deponiekörper grob verteilt. Die Bänder werden mit der Erstellung der Deponie laufend verlängert. Dies erforderte Sonderlösungen wie abgespannte Abwurfstationen.
– Eine weitere Förderbandanlage mit einer Länge von 430  m, welche die Betonzuschlagstoffe von der Hauptanlage in das Zwischenlager 60 m höher fördert.
Der Auftrag beinhaltete nicht nur Konzeption und Erstellung der anspruchsvollen Förderbandanlagen, sondern auch Planung und Ausführung aller notwendigen Tiefbauarbeiten. Dazu gehörten sämtliche Fundamente sowie auch der Bau eines 2  km langen Förderbandtunnels.
Die Herausforderungen bei diesem Projekt waren vielfältig. Nicht nur die Ansprüche an die Technik sind hoch, auch das Projektumfeld weist einige Besonderheiten auf: Die Platzverhältnisse auf der abgelege-nen Baustelle sind sehr eng. Praktisch für alle Montagen der Förderanlagen muss die baustelleninterne Straße gesperrt werden. Die zu produzierende Stahlmenge machte es erforderlich, eine Feldfabrik zu errichten. Die damit verbundenen logistischen und qualitativen Herausforderungen führen immer wieder zu langen und schwierigen Diskussionen mit den chinesischen Partnern. Auch der Import der teilweise speziellen Förderbandbestand-teile stellte selbst erfahrene Verzollungsagenten immer wieder vor neue Fragen.

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