Zugangsstollen I für Kraftwerke Linth-Limmern

Das Projekt Linthal 2015 der Kraftwerke Linth Limmern AG (KLL) in der Schweiz beinhaltet den umfassenden Ausbau der Anlagen der KLL. Hierzu gehören u. a. Druckstollen, Maschinen- und Trafokavernen. Die Arbeiten am Zugangs­stollen I für den Zugang zur Maschinenkaverne in der Ausrüstungs- und Betriebsphase sind Thema des folgenden Beitrags.

Das Los A1 ist Teil des Projektes Linthal 2015 der Kraftwerke Linth-Limmern AG (KLL). Dieses Projekt sieht einen umfassenden Ausbau der Anlagen der KLL vor. Im Gebiet Tierfehd wird ein zusätzliches Ausgleichsbecken und zwischen den hochgelegenen Wasser­reservoiren des Mutt- und Limmernsees das neue Pump­speicherwerk Limmern realisiert. Diese beiden Seen werden durch zwei zusätzliche Druck­stollen verbunden, die beim Limmernsee in eine Maschinen­kaverne münden. Dort werden vier einstufige Pumpturbinen à 250 MW stehen, die die Was­serkraft in elektrische Energie umwandeln werden.

Zusätzlich zur Errichtung des Druckstollens und der Maschinen- sowie der Trafo­kaverne wird am Muttsee eine neue Staumauer gebaut, um die Speicherkapazität des Sees zu erhöhen. Diese Arbeiten sind im Baulos A2 enthalten. Andere Arbeiten, die für die Umsetzung des Projektes Linthal 2015 Pumpspeicher­kraftwerk Limmern notwendig sind, werden in weiteren Losen durchgeführt. Der Zugangs­stollen I für den Zugang zur Maschinenkaverne in der Aus­rüstungs- und Betriebsphase ist eines dieser Lose (Bild 1).

1 Zugangsstollen I im Los A1

Damit während der späteren Nutzungsphase die Maschinen- und Trafokaverne einen witterungsunabhängigen Zugang haben, wird von Tierfehd aus der Zugangs­stollen I erstellt. Dieser wird im Endzustand für die Beförde­rung von Personen und den Transport schwerer Maschi­­nen­teile mit einer Standseil­bahn ausgerüstet. Im Weiteren werden die Energieableitungs­kabel in den Banketten des Zu­gangs­stollens geführt.

Der Zugangsstollen besteht aus mehreren Bauteilen:

■ dem Tagbautunnel mit Por­talbauwerk

■ dem Zugang zur Talstation

■ der Kaverne Talstation

■ dem Schrägstollen mit der auf halber Strecke angeordneten Ausweichstelle

■ Muffennischen entlang des Schrägstollens in regelmäßigen Abständen.

Der 18 m lange Tagbau­tunnel mit dem Portal wird im Voreinschnitt in offener Bau­weise erstellt. Daran schließt sich der bergmännische Vortrieb des Zugangs zur Talstation an. Er hat eine Länge von ca. 219 m und gemäss Projektentwurf einen Ausbruchquerschnitt von ca. 50  m2. Der Vortrieb geschieht mittels Sprengvor­trieb. Danach folgt die Kaver­ne der Talstation, die eine Länge von 35 m hat. Die Ausbruch­quer­schnitte liegen bei ca. 260  m2 (Normalprofil), bzw. 360  m2 im Bereich der Ausweitung.

Ausgehend von der Kaverne wird der 3764 m lange Schräg­stollen mit einer TBM aufgefahren; er endet in der Ma­schinenkaverne. Um den Hö­hen­unterschied von ca. 900 m zwischen Talstation und Ma­-schi­nenhaus zu überbrücken hat der Stollen eine Steigung von 24 %. Ein Schrägschacht dieser Länge, mit Steigung 24 % und Ausbruchdurchmes­ser 8,03 m, wird gemäß Wis­sens­­stand der Projekt­verfasser weltweit zum ersten Mal aufgefahren. Diese Verhält­nisse bringen außerordentliche Anforde­rungen an Vortriebsinstallation und Vor­triebs­mannschaft mit sich. Die 17 Muffennischen entlang des Schrägstollens, beidseitig im Abstand von 550 m gelegen, werden parallel zum TBM-Vortrieb mit hergestellt. Die Herstellung der Ausweich­stelle in Stollenmitte ist nach Abschluss der Bohrarbeiten geplant.

2 Geologie

Der Zugangsstollen I liegt vollständig in der Formation des Quintnerkalk. In der Regel ist er aus tunnelbautechnischer Sicht als günstig anzusehen. Es gibt jedoch Passagen mit ungünstigen Verschneidungen von Trennflächen (mehrere Trenn­flächen, geringer Trennflächen­abstand), die dazu führen, dass sich Bruchkörper am Ausbruch­rand aus dem Verband lösen und in den Querschnitt fallen.

Karsterscheinungen sind im Quintnerkalk möglich; es wird aber davon ausgegangen, dass aufgrund des tiefliegenden Bergwasserspiegels keine Was­sereinbrüche auftreten, die den Vortrieb wesentlich behindern. Karste sind zum Teil mit Sedimenten gefüllt. Um diesbezügliche Besonderheiten möglichst frühzeitig zu erkennen werden umfangreiche Voraus­erkundungen vorgesehen. Seis­mik kombiniert mit Voraus­bohrungen durch den Bohrkopf werden zur Anwendung kommen (Bild 2).

3 Sprengvortrieb für Zugangsstollen und Kaverne

Nach Erstellung des Vor­einschnittes im Sprengverfah­ren und dessen Sicherung mit Felsnägeln, Bewehrungsnetzen und Spritzbeton konnte im Januar 2010 der Zugangsstol­len angeschlagen werden. Die erste Sprengung erfolgte am 19. Januar 2010.

Auf den ersten Stollenme­tern erfolgte der Vortrieb in Teil­ausbrüchen aufgrund der geringen Überdeckung im Hang­bereich. Danach konnte im Vollquerschnitt gesprengt werden. Die Sicherung des Querschnitts im Stollen besteht aus Spritzbeton, Bewehrungs­netzen und Mörtelankern mit 3 bis 4 m Länge.

Zu erwähnen ist noch, dass der ursprünglich geplante Quer­schnitt des Stollens aus baubetrieblichen Gründen von 50 auf ca. 70 m2 vergrößert wurde, Hintergrund hierfür ist der Entscheid der Unternehmung, die TBM vor dem Portal zu montieren und gesamthaft mit Nachlaufkonstruktion in die Startröhre zu ziehen.

Nach Abschluss der Vor­triebsarbeiten für den Stollen wurde der Ausbruch der Kaverne Talstation in Angriff genommen. Auch hier wurde bei der Erstellung mit dem Verfahren von Teilausbrüchen gearbeitet. Im Zuge der Siche­rungsarbeiten der Kalotte und Strosse wurde in einem nachfolgenden Arbeitsschritt sofort die Verkleidung aus Spritzbeton und Bewehrungs­netzen mit auf­gebracht.

Aus der Kaverne heraus wur­de danach der Startstollen für die TBM aufgesprengt und gesichert. Seine Länge in der Schrä­gen beträgt ca. 100 m (Bild 3)

4 TBM-Vortrieb für Schrägstollen

4.1 TBM und Nachlauf­konstruktion

Für das Auffahren des Schrägstollens wird eine TBM mit passender Nachlaufkons­truktion zum Einsatz kommen (Bild 4). Besondere Anforde­rungen an die Installation ergeben sich aus der Steigung und den Restrisiken Karst. Hohl­räume müssen überwindbar sein, das Durchstanzen von am Parament verdeckten Karsten muss beherrscht werden können und die Arbeitsplätze haben sehr hohen Sicherheitsanfor­derungen zu genügen. Diese Vorgaben werden am zweckmäßigsten mit einem großen Mechanisierungsgrad an den Arbeitsplätzen erfüllt.

Bestimmend für die Vor­triebsleistung ist hier in Ab­weichung zu konventionellen Vortrieben nicht die eigentliche TBM-Leistung sondern die Leis­tung an den Arbeitsstel­len Vor­auserkundung, Gebirgssiche­rung, Spritzbetonverkleidung, die gleichzeitig mit dem Vortrieb im NL erstellt wird, und die Versorgungsleistung.

Die Ausschreibung verlangte nach einer TBM mit Doppel­verspannung. Das Angebot der Unternehmung erfüllte diese Anforderung mit einer Einfach­grippermaschine, die zusätzlich über eine Kopfverspann­mög­lichkeit verfügte. Optional wurde eine Maschine mit Doppel­gripper angeboten. Der Auf­trag­geber hat auf die Beauf­­tragung dieser Option ver­­zich­­tet. In der Evaluations­phase hat sich die Unternehmung unter Bewertung aller technischen und wirtschaftlichen Belange für eine TBM, die als offene Hartgesteinsmaschine mit ei­nem Doppelgripper konzipiert ist, entschieden. Sie hat einen Bohrdurchmesser von 8,03 m. Gesamthaft ist auf der TBM eine Leistung von ca. 3500 kW installiert.

Auf dem Bohrkopf sind 62 Schneidrollen mit 17 Zoll Durchmesser installiert, davon zwei als Kaliberrollen. Das Bohrgut wird von den Rück­räumern über die Bohrarme zum Bohrguttrichter transportiert. Dieser übergibt an das Maschinenband, das danach das Band im Nachläufer beschickt.

Sicherungsarbeiten, wie Spritzbeton aufbringen, Aus­baubogen versetzen und Anker bohren können bei Bedarf im L1, also kurz hinter dem Bohrkopf durchgeführt werden. Weiterhin ist die TBM mit Installationen zur Vorauser­kundung ausgestattet, die es ermöglichen Bohrungen bis 100 m Länge und 100 mm Durchmesser durchzuführen.

Die Nachlaufkonstruktion besteht aus 8 Nachlaufwagen, die über Nachschleppstangen an die TBM angehängt sind. Zwischen Nachläufer und TBM ist eine Rückfallsicherung integriert, die bei Ausfall der Abstützvorrichtung und beim Umsetzen der TBM verhindern soll, dass die Vortriebsanlage (TBM und Nachläufer) im Schrägstollen nach unten rutscht. Sie verspannt sich mechanisch über Hebelwirkung am Ausbruchrand, sobald Druckkräfte der TBM bzw. Zugkräfte vom Nachläufer auf sie wirken (Bild 5).

Die vorderen Nachläufer tragen Aggregate zur Versorgung der TBM und den Steuerstand. Im Nachläufer 3 sind die Instal­lationen für die Aufbringung der Innenverkleidung zu finden. Auf den folgenden Nach­läufern befinden sich Einrich­tungen wie Fluchtcontainer, Werkstatt, Transformatoren, Ven­tilation, Spritzbetonpum­pen, Kühlaggregat TBM. Insge­samt misst die Vortriebsanlage – TBM bis Ende Nachlauf – ca. 165 m.

Besonderes Augenmerk wurde beim Konzept des Nachläufers darauf gerichtet, dass der Transport der Bau­materialien vom Entladen ab dem Versorgungszug bis zur Einbaustelle möglichst mechanisiert durchgeführt werden kann. Ein weiterer wichtiger Aspekt war es, aufgrund der besonderen Randbedingungen bei der Transporttechnik, genügend Lagerplatz für Baumate­rialien zu haben, um Ver­zögerungen beim Antransport überbrücken zu können.

4.2 Logistik für Vortriebs­arbeiten

Da eine Versorgung des Vor­triebs mittels Pneubetrieb aus Sicherheitsaspekten vom Bau­herrn ausgeschlossen wurde, hat sich die Unternehmung entschieden eine Windenbahn einzusetzen. Die Leistungsanforde­rung ergibt sich aus dem erforderlichen Material für den Vortrieb, dem Bedarf an Ver­kleidungsspritzbeton und den beabsichtigten Vortriebsleistun­gen. Die Zyklusdauer eines Zug­spiels ist abhängig von Fahr­strecke, Fahrgeschwindigkeit, Beladen und Entladen des Zuges. Diese Parameter führten zu einer erforderlichen Nutzlast von ca. 50 t.

Die im Nachläufer zum Transport eingebaute Winde stellt durch ihre Dimension – 2000 kW Antriebsleistung, 110 t Gesamtgewicht (inkl. 3900 m Seil mit 43 mm Durch­messer) zusätzliche besondere Anforderungen an den Nach­läufer, dessen Lichtraumprofile und die Geh- und Fluchtwege.

Die Windenbahn besteht aus einer Zugeinheit mit mehreren Wagen, die von ihrer Art her verschiedenen Zwecken dienen kann, sprich Aufsatzvorrichtun­gen hat. Eine Zugeinheit besteht aus drei Modulen mit je etwa 10 m Länge. Auf dem ersten Modul befindet sich der Steuerstand und verschiedene Aggregate, die zum Be-/Ent­laden der Module 2 und 3 benötigt werden. Die Module 2 und 3 sind flexibel auszurüsten, je nachdem, was transportiert oder gearbeitet werden soll.

Bewegt werden diese Zug­einheiten mittels der zuvor erwähnten Seilwinde. Die Wagen der Zugeinheit sind gleisgeführt und bewegen sich auf den während des Vortriebs unter dem Nachläufer eingebauten Sohl­tübbingen.

Die Windenbahn ist mit ein Kernstück der Vortriebseinrich­tung und ein Schlüsselgerät. Sie wird zum Ende der Vortriebs­arbeiten auch für den Rück­transport der Nachläuferteile benutzt werden.

Der Abtransport des Aus­bruch­materials ab Ende Nach­läufer erfolgt durch Kaskaden­förderbänder. Das sind einzelne Förderbänder mit einer Länge von je 275 m, die aneinandergereiht im Schrägstollen sukzessive zum Fortgang des Vortriebs aufgebaut werden. Damit beim Vortrieb die entstehende Lücke zwischen Ende Nachläufer und Ende des zuletzt eingebauten Förderbandes überbrückt werden kann ist im Nachläuferbereich ein Schlepp­band entsprechender Länge vorgesehen. Dieses wirft das durch das Nachläuferband antransportierte Material auf das letzte Kaskadenband ab. Diese Lösung bietet nach Meinung der Unternehmung eine größere Sicherheit bei einem Bandriss als die Variante mit einem durchgängigen Bandgurt. Zu­dem hat sie den Vorteil, dass damit konventionelle Standard­konstruktionen möglich wur­den.

5 Stand der Arbeiten und terminlicher Ausblick

Der Stand der Arbeiten per Mitte Oktober sah den Start­stollen und die Kaverne vorbereitet für das Einschreiten der TBM mit Nachläufer in die Startröhre vor. Die TBM mit Nachläufer waren vollständig aufgebaut vom Portal bereits bis in den Startstollen eingeschoben.

Der Vortriebsstart ist in Woche 42 erfolgt, zunächst mit provisorischem Versorgungs­system. Der gesamte Vortrieb des Schrägstollens und die Demontage der Tunnelvor­triebsanlage sollen bis Ende 2011 dauern.

Manfred Börker, Wayss & Freytag Ingenieurbau AG

Christian Ammon,
Rothpletz, Lienhard + Cie AG

Daniel Frey,
Rothpletz, Lienhard + Cie AG

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