Gotthard 2016: Alle Signale auf grün?

Die Bauarbeiten für die NEAT Achse Gotthard sind auf Kurs. Beim Gotthard-Basistunnel konnte am 23. März 2011 der zweite Hauptdurchschlag und somit das Ende des Vortriebs gefeiert werden. Im Abschnitt Bodio-West hat der Einbau der bahntechnischen Installationen begonnen. Der Inbetriebsetzung des Gotthard-Basistunnels wird auf Ende 2016 angestrebt.

1 Einleitung
2010 war mit dem Hauptdurchschlag am Gotthard-Basistunnel ein herausragendes Projektjahr für die AlpTransit Gotthard AG als Bauherr der NEAT Achse Gotthard. Auch für die Bauingenieur- und Untertagebaubranche kann von einem einmaligen Jahr gesprochen werden, das über die Zunft, aber auch über die Landesgrenzen hinausstrahlte. Die Beteiligten können sich jedoch nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern haben sich neuen Herausforderungen zu stellen. Eine davon ist die Terminoptimierung, die aufgrund der erfreulichen Projektentwicklung des Gotthard-Basistunnels zur Diskussion steht. Dieses Thema wird in Kapitel 3 nach der Übersicht über den Stand der Arbeiten am Gotthard-Basistunnel erläutert.

2 Stand der Arbeiten Gotthard-Basistunnel
Das Bauprojekt Gotthard-Basistunnel befindet sich in einer besonderen Übergangsphase. Nach dem ersten Hauptdurchschlag in der Oströhre zwischen Faido und Sedrun am 15. Oktober 2010 und dem zweiten Hauptdurchschlag in der Weströhre vom 23. März 2011 sind die Vortriebsarbeiten abgeschlossen. Mehr als 28 Mio. Tonnen Gestein wurden aus dem Fels gebrochen. Vom rd. 152 km langen Tunnelsystem Gotthard-Basistunnel, inklusive aller Stollen und Schächte, wurden rd. 56 % mit Tunnelbohrmaschinen und 44 % im Sprengvortrieb durchörtert (Bild 1).

Zunehmend werden sich die Schwerpunkte der Bauarbeiten künftig auf die Tunnelauskleidung, die Rohbau-Ausrüstung und die bahntechnischen Installationen verlagern. Diese Arbeiten haben parallel zu den letzten Vortriebs- und Rohbauetappen in den vorgängig fertig gestellten Tunnelabschnitten bereits begonnen. Im Sommer 2010 hat der Einbau der Bahntechnik vom Südportal des Gotthard-Basistunnels her gestartet. Einmalig liefen im letzten Halbjahr die Arbeiten von Rohbau, Rohbau-Ausrüstung und Bahntechnik parallel. Ende Mai 2016 wird die AlpTransit Gotthard AG den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) den betriebsbereiten Tunnel übergeben.

2.1 Offene Strecke Altdorf-Rynächt

Entlang der offenen Zufahrtsstrecke zum Gotthard-Basistunnel entstehen verschiedene Kunstbauten wie Unterführungen, Brücken, Durchlässe oder Stützmauern. Diese Arbeiten werden prognosegemäß ausgeführt.

Im Juli 2011 werden auch am Nordportal des Gotthard-Basistunnels die Einbauarbeiten für die Bahntechnik beginnen. Dazu sind umfangreiche Vorbereitungsarbeiten zu treffen. Entlang der offenen Strecke entsteht der Bahntechnikinstallationsplatz Rynächt. Analog zum Bahntechnikinstallationsplatz Süd in Biasca wird hier die operative Basis für den Bahntechnik-Einbau von Norden her errichtet: Auf dem ca. 70.000 m2 großen Areal werden bis Herbst 2011 Werkstätten und -hallen, Bürogebäude, Leitstelle, Kantine und Besucherräume realisiert. Bereits im Herbst 2010 wurden die Gleise vom Installationsplatz an das bestehende SBB-Netz in Richtung Altdorf angeschlossen, was den Transport von Maschinen und Material ermöglicht.

In der Nähe des Nordportals wurde das Bahntechnikgebäude Erstfeld gebaut, das sich bereits im Innenausbau befindet. Im späteren Betrieb wird es für die Unterbringung verschiedener Bahntechnikinstallationen genutzt (Bild 2).


2.2 Teilabschnitt Erstfeld

Am Tagbautunnel Erstfeld kommen die Arbeiten planmäßig voran. Der östliche Tagbautunnel konnte bis Ende 2010 vollständig ans bergmännische Portal angeschlossen werden. Beim Tagbautunnel West fehlen noch knapp 100 m. Parallel wurden die Innenausbauarbeiten im Teilabschnitt Erstfeld vorangetrieben und konnten nun abgeschlossen werden.

2.3 Teilabschnitt Amsteg

Der Abschnitt ist im Rohbau in beiden Röhren fertig gestellt und bereit für den Einbau der Bahntechnik. Ab Mitte 2010 begann der Generalunternehmer Bahntechnik im Rahmen erster Vorbereitungsarbeiten für die Installationsphase, Funk und Festnetz einzubauen. Im Speisepunkt Amsteg entsteht ein Bahntechnik-Gebäude. Anfang April 2011 waren die Bodenplatten erstellt und die erste Etappe der Wände und Decke betoniert (Bild 3).

2.4 Teilabschnitt Sedrun

Die Sprengvortriebe Richtung Süden bewegten sich im vergangenen Jahr in der geologisch günstigen Formation der Streifengneise sowie in der Piz-Fuorcla-Zone, die durch wechselhafte geologische Verhältnisse gekennzeichnet ist. Teilweise waren zusätzliche Sicherungsmittel wie Stahlbögen, Zusatzanker und Spieße notwendig. Mit fortschreitendem Vortrieb erhöhte sich die Gebirgsüberdeckung von 2.300 auf 2.500 m.

Am 15. Oktober 2010 erfolgte um 14.17 Uhr der Hauptdurchschlag in der Oströhre. Von Faido her kommend brach die Tunnelbohrmaschine in den Abschnitt Sedrun durch. Mit einer Abweichung von 8 cm quer und 1 cm in der Höhe war der Durchschlagsfehler sehr gering. In der Folge wurde die Tunnelbohrmaschine in der eigens dafür errichteten Kaverne demontiert und in Einzelteilen aus dem Tunnel befördert (Bild 4).

In der parallel verlaufenden Weströhre erreichten die Sprengvortriebe Richtung Süden bis Mitte November 2010 den Durchschlagspunkt. Am 23. März 2011 kurz nach Mittag erfolgte auch hier der Hauptdurchschlag der Tunnelbohrmaschine von Süden her. Die TBM West hatte bis dahin ab der Multifunktionsstelle Faido 11.088 m, ab dem Südportal Bodio 29.220 m Fels ausgebrochen. Noch Ende März 2011 begannen die Demontagearbeiten der TBM, die voraussichtlich bis August 2011 andauern werden.

2.5 Teilabschnitt Faido

Nach Abschluss der TBM-Vortriebe konzentrieren sich die Arbeiten im Bauabschnitt vor allem auf den Innenausbau von Querschlägen, das Betonieren der Innenschale sowie Abdichtungsarbeiten im Bereich der Tunnelverzweigungen. Auch der Innenausbau der Multifunktionsstelle wird weitergeführt.

2.6 Teilabschnitt Bodio

Die Weströhre des Teilabschnitts wird seit Mai 2010 als erste im Gotthard-Basistunnel komplett mit den bahntechnischen Installationen ausgerüstet. Zuerst brachte der Generalunternehmer Bahntechnik temporäre Installationen wie Baustrom, Baukommunikation und Beleuchtung in den Tunnel ein. Danach folgten Lichtwellenleiterkabel und Mittelspannungskabel sowie der Einbau der Festen Fahrbahn, der Ende März 2011 abgeschlossen werden konnte.

In der Oströhre des Teilabschnitts sind die Arbeiten bis 2012 unterbrochen, da die Röhre vom Rohbau-Konsortium als Transportweg für die Ver- und Entsorgung im Teilabschnitt Faido benutzt wird.

2.7 Teilabschnitt Gotthard-Süd/Biasca

Im Mai 2011 begannen an der offenen Strecke Süd zwischen Biasca und Osogna die ersten Ausführungsarbeiten für den Anschluss der AlpTransit-Linie an die SBB-Stammlinie. Für diesen Anschluss „Nodo alla Giustizia“ werden wichtige Bauwerke erstellt, so eine Brücke über den Kanal der Froda, der Tagbautunnel Giustizia und ein Rückhaltebecken für den Bach Stabiello. Zudem wird die Kantonsstraße über den neuen Tagbautunnel geführt.


3 Angestrebte Inbetriebnahme GBT 2016

Das Meilensteincontrolling ist Teil der Projektüberwachung der NEAT auf Behördenebene. Die AlpTransit Gotthard AG rapportiert darin halbjährlich unter vielen anderen Kennzahlen jeweils auch über den mutmaßlichen Zeitpunkt der Inbetriebnahme der beiden Basistunnel am Gotthard und am Ceneri. Unter Meilenstein „8“ wird am Gotthard-Basistunnel jeweils der „Beginn kommerzieller fahrplanmäßiger Betrieb“ prognostiziert. In der Phase des Vorprojektes war eine Inbetriebnahme 2007 vorgesehen. Über die Jahre hinweg hat sich dieser Meilenstein in der Tendenz stetig zeitlich nach hinten verschoben. In der Planungsphase waren es vor allem Verfahren, die länger als geplant gedauert haben. Dazu gehörten auch Einigungsverhandlungen mit den Standortkantonen und –gemeinden sowie den direkt Betroffenen (Bild 5).

Im zweiten Halbjahr 2001, als die Arbeiten an den Hauptlosen begannen, wurden die Soll-Termine auf eine neue Basis gestellt. Die kommerzielle Inbetriebsetzung war damals per 2014 vorgesehen. Seither gab es vor allem Verschiebungen aufgrund der bautechnischen Realitäten, die teilweise stark von der Prognose abwichen. Die letzte Anpassung erfolgte in der Berichterstattung von Mitte 2006 bis Mitte 2007. Damals wurde die kommerzielle Inbetriebsetzung in 2 Schritten von Ende 2016 auf Ende 2017 verschoben. Die Hauptgründe dafür können wie folgt zusammengefasst werden:

Bautechnische Schwierigkeiten im südlichen Bereich, insbesondere bei der Multifunktionsstelle Faido
Blockierte Arbeitsaufnahme im Los Erstfeld wegen wiederholter Rekurse
Blockierte Werkvertragsunterzeichnung beim Generalunternehmer-Los Bahntechnik infolge Rekurs.
Seitdem blieb die Prognose stabil, obwohl die Fortschritte sowohl beim Bau als auch bei den Verfahren mehrheitlich optimistisch stimmen ließen. Dies hat sich in diversen Etappenerfolgen niedergeschlagen:

Der Durchschlag Amsteg-Sedrun erfolgte im Herbst 2007 rd. 9 bzw. 6 Monate früher als bisher veranschlagt.
Beim Los Erstfeld wurde im Frühling 2007 die Deblockierung des Vergabeverfahrens erzielt. Im Anschluss konnten dank einer hervorragenden Performance des Ausbruchs die Durchschläge Richtung Amsteg rd. 6 Monate früher erfolgen als gemäß Werkvertrag geregelt.
Im Juni 2007 hat ein Rekurs die Vergabe der Bahntechnikarbeiten blockiert. Nach dessen Rückzug Ende 2007 konnte der Generalunternehmer-Werkvertrag Ende April 2008 unterzeichnet werden. Seit diesem Zeitpunkt laufen die Arbeiten in diesem Bereich nach Plan.
Aufgrund der Vortriebsleistungen hat die ATG die Losgrenze zwischen Sedrun und Faido Richtung Süden verschoben. Dadurch konnten die beiden Hauptdurchschläge im Hinblick auf das Gesamtterminprogramm optimiert werden.
Die Pioramulde konnte mit Tagesleistungen von rd. 10 m problemlos durchfahren werden. Die anschließenden guten Vortriebsleistungen Richtung Norden entsprachen den Prognosen.
Das Bauprogramm von Faido sah den Ausbau der Einspurröhren nach Abschluss der Vortriebe vor. Wegen der zeitraubenden vorgängigen Verzögerungen aufgrund bautechnischer Schwierigkeiten in der Multifunktionsstelle Faido drohte der Ausbau, sich zeitverzögernd auf die Inbetriebnahme auszuwirken. Als Gegenmaßnahme wurde mit dem Konsortium vereinbart, den Ausbau der Multifunktionsstelle parallel zum Ausbau der Einspurröhren durchzuführen und durch geeignete Maßnahmen auch den Einspurausbau zu beschleunigen.

Aufgrund der Entwicklungen dieser verschiedenen Faktoren, die den Inbetriebsetzungstermin beeinflussen, erhöhte sich die Prognosesicherheit stetig. Als größter Unsicherheitsfaktor verblieb der noch zu leistende Ausbruch zwischen Sedrun und Faido mit dem Ziel des Hauptdurchschlags. Ende 2008 betrugen die Reststrecken noch rd. 8700 m in der Oströhre und 9500 m in der Weströhre.
Damit war der Zeitpunkt gekommen, die Detailfragen bei den Nahtstellen zwischen den beteiligten Unternehmungen des Rohbaus, der Rohbau–Ausrüstung und der Bahntechnik zu klären. Fragen, die vorher unter hoher Ungewissheit bezüglich der Durchschlagsdaten nicht zu beantworten gewesen waren. Die diesbezüglich größten Herausforderungen stellten sich hierbei im Bereich der Multifunktionsstellen. Die sehr komplexe Konfiguration von Haupt- und Fluchtröhren, Zu- und Abluftstollen, Schächten und Kavernen lässt erahnen, wie detailliert der Rückzug der Bauunternehmer bzw. die Übernahme durch den Generalunternehmer Bahntechnik geplant werden muss.
Anfang 2009 setzte die AlpTransit Gotthard AG eine Arbeitsgruppe ein, die einerseits die Aufgabe hatte, die Details rund um die erwähnten Nahtstellen mit dem Ziel der Bestellungsbereinigung zu definieren und andererseits das Gesamtterminprogramm zu optimieren. Im Laufe dieser Abklärungen kristallisierte sich unter Einbezug des oben ausgeführten sehr guten Projektfortschritts immer mehr die Möglichkeit heraus, den Beginn des kommerziellen Betriebs bereits 2016 anzupeilen. Dies natürlich unter dem Vorbehalt, dass die geplanten Hauptdurchschläge im Herbst 2010 bzw. im Frühling 2011 erfolgen konnten. Aufgrund dieser Erkenntnisse entschied die Geschäftsleitung der AlpTransit Gotthard AG im Herbst 2009, die Nahtstellenbereinigung mit den Hauptunternehmern und dem Generalunternehmer Bahntechnik mit der Zielsetzung Inbetriebnahme 2016 durchzuführen.
Nach dem Grundsatzentscheid der Geschäftsleitung wurden Anfang 2010 die Vertragspartner systematisch in den weiteren Verlauf der Abklärungen miteingebunden. Parallel dazu wurden die Aufsichtsbehörden und Aufsichtsinstitutionen sowie die SBB über die sich abzeichnende Möglichkeit der Nahtstellenbereinigung inklusive der kommerziellen Betriebsaufnahme Ende 2016 informiert. Die folgenden Monate waren geprägt von intensiven Kontakten zwischen ATG und den Vertragspartnern zum Thema Nahtstellenbereinigung. Die daraus resultierenden Bestellungspräzisierungen konnten im Herbst 2010 schlussbereinigt und nach dem entsprechenden Einverständnis des Verwaltungsrats der AlpTransit Gotthard AG unterschrieben werden. Dies rund einen Monat nach dem ersten Hauptdurchschlag und unter dem Vorbehalt des rechtzeitig erfolgenden, dazumal noch ausstehenden zweiten Hauptdurchschlags.

In der Folge konnte die ATG dem Bund erstmals per Ende 2010 einen im Vergleich zur Vorperiode früher prognostizierten Meilenstein für die kommerzielle Inbetriebnahme rapportieren. Die Gesamtterminplanung des Gotthard-Basistunnels sieht in der Endphase nun wie folgt aus:

Anfang Oktober 2015: Beginn der Inbetriebsetzung Phase A unter Federführung der AlpTransit Gotthard AG. Die AlpTransit Gotthard AG weist die Funktionalität und Sicherheitsanforderungen des Basistunnels nach. Im Testbetrieb wird mit Zugfahrten über Monate das Zusammenspiel aller Tunnelkomponenten ausgiebig getestet.

Ende Mai 2016: Ende Inbetriebsetzungsphase A (Testbetrieb)/Beginn Inbetriebsetzungsphase B (Probebetrieb), Übergabe der Federführung von der AlpTransit Gotthard AG an die SBB. Dieser Probebetrieb steht unter der Haupterantwortung der SBB, der künftigen Betreiberin der Basistunnel. Erst wenn nachgewiesen ist, dass der Betrieb mit Personen- und Güterzügen, der Personaleinsatz und die Ereignisbewältigung reibungslos funktionieren, wird vom zuständigen Bundesamt für Verkehr die Betriebsbewilligung für den kommerziellen, fahrplanmäßigen Betrieb erteilt.

Dezember 2016: Frühestmögliche volle kommerzielle Inbetriebnahme durch die SBB (Integration in den Fahrplan).

Für die ATG ist die Anpassung der Terminprognose jedoch weit mehr als lediglich die Vorverlegung eines Meilensteins. Zum Schluss der Arbeiten und Abklärungen konnte ein in sich stimmiges, über die Bereiche Rohbau, Rohbau-Ausrüstung und Bahntechnik erstmals im Detail kohärentes Terminprogramm definiert werden. Dank der damit verknüpften vertraglichen Vereinbarungen konnte so die zurzeit bestmögliche Planungssicherheit geschaffen werden. Die neue Grundlage ist eine ambitiöse Herausforderung für alle Beteiligten, die jedoch allseits mit Zuversicht und Motivation angepackt wird.

4 Alle Signale stehen auf grün

In gut 5 Jahren wird es somit soweit sein: der erste Zug mit Ehrengästen wird durch den längsten Eisenbahntunnel der Welt fahren. In Anlehnung respektive Abwandlung eines bekannten amerikanischen Wahlslogans könnte man deshalb unsere damit verbundene Mission mit „Yes we do“ umschreiben. Und dies durchaus auch im Sinne einer freundnachbarlichen Ermunterung ins nördliche und südliche Ausland.

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