Wehrhahn-Linie Düsseldorf: Einweihung des innerstädtischen Tunnelbau-Projekts
Am 20. Februar 2016 wurde die Wehrhahn-Linie in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf feierlich eingeweiht. Umgeben von Geschäften und Einkaufsstraßen entstand von 2007 bis 2015 im Herzen der Stadt das Tunnel-Projekt zur Erweiterung der Düsseldorfer Stadtbahn. Gerade im innerstädtischen Bereich hatten die beteiligten Ingenieure einige Herausforderungen zu bewältigen: Beispielhaft stehen hierfür die begrenzten Platzverhältnisse, die Anforderung, die Einkaufsmeile möglichst wenig zu belasten und die Unterfahrung eines über 100-jährigen Kaufhaus-Gebäudes. Verantwortlich für die komplette Bauoberleitung und Bauüberwachung bei Rohbau und Ausbau des achtjährigen Projekts war das Unternehmen Zetcon Ingenieure im Rahmen der Ingenieurgemeinschaften „ARGE BÜ/OÜ Wehrhahn-Linie“. Vorausgegangen war ein europaweites Ausschreibungsverfahren. Das gesamte Investitionsvolumen des Tunnelbau-Projekts beläuft sich auf rund 843 Millionen Euro.
Baubeginn 2007
Überfüllte Straßen in der Düsseldorfer Innenstadt und damit ein gehemmter Verkehrsfluss: Mit der neuen U-Bahn-Linie soll der Verkehr in Düsseldorf deutlich entzerrt werden. Durch die Entstehung der Trasse verkürzen sich zudem die Fahrtzeiten, und die östlichen und westlichen Stadtgebiete werden besser mit der Innenstadt verbunden. Mit sechs unterirdischen und zwei oberirdischen Haltestellen verbindet die Wehrhahn-Linie auf einer Gesamtstrecke von 3,4 km zwei wichtige S-Bahnhöfe, die Einkaufsstraßen „Am Wehrhahn“ und Schadowstraße, den Königsallee-Boulevard und das Kaufhaus „Kaufhof an der Kö“. Unmittelbar unterhalb der Gründung des Kaufhauses befindet sich der überwiegende Teil des neuen U-Bahnhofs Heinrich-Heine-Allee. Die Heinrich-Heine-Allee in der Altstadt ist auch der Knotenpunkt, über den alle bestehenden U-Bahnstrecken miteinander verknüpft werden.
Bereits 1983 war das erste Teilstück der Wehrhahn-Linie im Rohbau errichtet worden, schon damals unter der Prämisse, die Linie eines Tages fortzuführen. Ende 2007 wurde dieser Ausbau mit dem Beginn der weiteren Rohbauarbeiten in die Tat umgesetzt. Dabei wurde die Wehrhahn-Linie in zwei Baulose aufgeteilt: Los 1 mit fünf U-Bahnhöfen in Deckelbauweise sowie zwei Rampenbauwerken in offener Bauweise und Los 2 mit der Unterfahrung des historischen Kaufhof-Gebäudes und der Verknüpfung mit dem Bestandsbauwerk der Haltestelle Heinrich-Heine-Allee.
Deckelbauweise
Oberstes Ziel des gesamten Bauprojekts war es, die innerstädtischen Anlieger und Geschäfte so wenig wie möglich zu belasten und die Eingriffe an der Oberfläche auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Alle U-Bahnhöfe wurden deshalb in Deckelbauweise errichtet, womit der Verkehr fast ungehindert weiter fließen konnte. Die Baugruben wurden dabei gemäß den Vorgaben des anspruchsvollen Sicherungskonzepts mit wasserdichten Schlitzwänden umschlossen. Dazu wurden zu Beginn auf einer Straßenseite bis zu 42 m tiefe Schlitzwände und Stützen hergestellt und anschließend mit einem Betondeckel versehen. Dieser bildet die Decke der neuen U-Bahnhöfe. In einer weiteren Bauphase wurde dann auf der anderen Straßenseite in gleicher Weise verfahren. Der Vorzug dieser Bauweise: der Verkehr konnte auf einer Straßenhälfte weiterfließen und das innerstädtische Leben wurde nur bedingt beeinträchtigt. Erst nach der Fertigstellung der Deckel begannen die unterirdischen Aushub- und Rohbauarbeiten.
Schildmaschine mit einem Durchmesser von 9,50 m
Der Aushub für den Tunnel erfolgte komplett unterirdisch. Dabei teilte sich der Schildvortrieb in zwei Einzelvortriebe Süd und Ost, jeweils mit einer gesamten Länge von 2,3 km. Da der Streckenvortrieb im Grundwasser erfolgte, kam entsprechend ein Schildvortrieb mit flüssigkeitsgestützter Ortsbrust und einschaligem, achtteiligen Tübbingausbau mit einer Dicke von 45 cm zum Einsatz. Innerhalb von jeweils acht Monaten hob die Herrenknecht-Tunnelbohrmaschine (TBM) mit einem Durchmesser von 9,50 m rund 450 000 m3 Sand- und Kies-Gemisch aus. So entstanden zwei Tunnelröhren mit einem Innendurchmesser von je 8,40 m. Pro Tag legte die TBM dabei eine Strecke von etwa 10–15 m zurück. Um die vorhandene Bebauung zu sichern und Setzungen zu verringern, wurden in Teilbereichen Abschirmwände entlang ganzer Gebäude errichtet. Darüber hinaus wurden zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung der Gebäude ausgeführt, wie zum Beispiel Kompensationsinjektionen.
Spezielle Vereisungstechnik unter dem Kaufhof an der Kö
Eine besondere Herausforderung des gesamten Projekts war die Vereisung des Bodens unter dem 100 Jahre alten Kaufhaus an der beliebten Einkaufsmeile Kö. Aufgrund der denkmalgeschützten Jugendstilfassade kam ein Schildvortrieb unter dem Kaufhaus nicht in Frage, denn Erschütterungen im Erdreich hätten möglicherweise die Statik des Gebäudes beeinträchtigt. Die Arbeiten unter dem Einkaufswahrzeichen Düsseldorfs erfolgten darum in bergmännischer Bauweise mit Hilfe einer Vereisungstechnik – ein Verfahren, das bisher nur bei wenigen Tunnelbauten zum Einsatz kam, um statische Schäden an einem darüberliegenden Gebäude zu verhindern, und besondere Fachkenntnisse und Erfahrung erforderte. Dazu wurde ein Frostkörper gebildet, der das Gebäude gegen Grundwasser abdichten und gleichzeitig den Boden stabilisieren sollte, um das Warenhaus vor möglichen Erschütterungen zu sichern. Zwischen den Schlitzwandgruben am Start- und Zielschacht wurden deshalb Gefrierbohrungen durchgeführt, bei denen in insgesamt 120 Gefrierrohren mit einer Länge von jeweils 75 m eine 30-prozentige Calciumchloridlösung (Sole) gepumpt wurde, die man mit einer Gefrieraggregatleistung von 1200 kW auf -35 °C herunterkühlte. So entstand ein umhüllender Frostkörper mit einer Dicke von ca. 2,50 m. Aufgrund dieser Dicke und einer Vorhaltedauer des Eispanzers von rund zwei Jahren kam nur eine Sole-Vereisung in Frage.
Sensoren zur Messung der Frostkörper-Dichtheit
Etwa 500 Temperaturfühler kontrollierten die Eisschicht. Alle fünf Minuten gaben die Sensoren Messungen zur Dichtheit und Ausdehnung des Frostkörpers. Weitere 105 Messpunkte waren an der Fassade des Kaufhaus-Gebäudes angebracht. So hatte die Bauüberwachung alles im Blick und konnte die Messergebnisse rund um die Uhr kontrollieren. Rund 60 Tage dauerte es, bis der gesamte Boden vereist war. Erst nach kompletter Aufeisung des anstehenden Bodens erfolgte der Aushub vom Startschacht aus in bergmännischer Bauweise. Dabei wurden ein Mittelschacht und zwei Seitenstollen nacheinander aufgefahren und in mehreren Phasen in Spritzbetonbauweise gesichert. Um Setzungen durch die Baumaßnahmen möglichst gering zu halten, führten die beteiligten Unternehmen 72 m lange, gesteuerte horizontale Bohrungen für Kompensationsinjektionen unter dem Fundament des Kaufhauses durch, mit denen gezielt mögliche Bewegungen des Gebäudes ausgeglichen werden konnten.
Feierliche Eröffnung der neuen Trasse
Nach Abschluss der Tunnelarbeiten nahm auch die Gestaltung der U-Bahnhöfe Formen an. Bereits seit April 2015 hat die Rheinbahn, der Betreiber des öffentlichen Personennahverkehrs in Düsseldorf, die neue Wehrhahn-Linie getestet. Die feierliche Eröffnung war am 20. Februar 2016. Im neue U-Bahn-Abschnitt sollen nun täglich mehr als 50 000 Fahrgäste befördert werden.
Bautafel Projekt Wehrhahn-Linie
Auftraggeber Landeshauptstadt Düsseldorf,
Amt für Verkehrsmanagement.
Projektlaufzeit 2007–2015
Baukosten ca. 843 Millionen Euro
Baumaßnahmen
Tunnel in offener und geschlossener Bauweise (TBM, Haltestellen in Deckelbauweise), Spezialtiefbauverfahren (Bohrpfähle, Schlitzwände, Spundwände Düsenstrahlverfahren, Unterwasserbetonsohle, Kompensationsinjektionen), Unterfangungen (konventionell und DSV), Leitungstiefbau, Rohrvortrieb, Gefrierbohrungen, Frostkörper
Trassenlänge 3,4 km
Bauüberwachung
Zetcon Ingenieure, Schüßler-Plan, Spiekermann Consulting Engineers, Ingenieurbüro Grassl, PSP Consulting Engineers
Bauausführung Los 1
Bilfinger Berger Ingenieurbau (jetzt Implenia Spezialtiefbau GmbH)
Bauausführung Los 2
Wayss & Freytag Ingenieurbau, Max Bögl Bauunternehmung