Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) ist das Herzstück der Schweizer Verkehrspolitik. Mit drei Basistunneln und weiteren Ausbauten hat die Schweiz damit eine leistungsfähige Bahninfrastruktur durch die Alpen erstellt. Dank der NEAT können mehr Züge durch die Alpen fahren. Sie ermöglicht kürzere Fahrzeiten sowie höhere Qualität im Personen- und Güterverkehr.
Der Lötschberg-Basistunnel ist seit 2007 in Betrieb, der Gotthard-Basistunnel seit 2016. Mit 15,4 km Länge ist der Ceneri-Basistunnel das dritte große Bauwerk der NEAT. Wie der Gotthard-Basistunnel besteht der Ceneri-Basistunnel aus zwei Einspurröhren mit einem regulären Achsabstand von rund 40 m, die alle 325 m durch Querschläge miteinander verbunden sind.
Mehrfach gesichertes Stromversorgungssystem
Die Sicherheitsinfrastruktur im Tunnel umfasst unter anderem Beleuchtung, Lüftung und Fluchtwege. Gespeist werden diese Nutzungen durch ein mehrfach gesichertes Stromversorgungssystem, das in erfolgreicher Zusammenarbeit von Avesco mit dem niederländischen Partner HITEC Power Protection realisiert wurde. HITEC ist Hersteller der hier eingesetzten dynamischen rotationsgestützten USV-Anlagen (USV = unterbrechungsfreie Stromversorgung).
Die Tunnelröhren sind dabei in zwei voneinander getrennte Systeme unterteilt: ein West- und ein Ostsystem. In jedem System werden die Nutzungen im Normalfall über das öffentliche Normalnetz mit Strom versorgt. Als Absicherung bei Ausfall der regulären Stromversorgung gibt es im Westteil ebenso wie im Ostteil jeweils ein Ersatznetz auf der Nord- und auf der Südseite der Tunnelröhren. Jedes Ersatznetz wird von einer dynamischen USV Anlage à 1750 kVA gespeist. Insgesamt stehen damit vier Anlagen als Absicherung zur Verfügung. Zum Vergleich: Im 57 km langen Gotthard-Basistunnel sind zehn USV-Anlagen installiert.
Selbst der Ausfall einer dieser Anlagen ist abgesichert: Über eine sogenannte „Master-Slave-Schaltung“ sind die Ersatznetze der West- und Ostseite gekoppelt. Dadurch kann bei Ausfall einer USV-Anlage die verbleibende Anlage beide Ersatznetze unterbrechungsfrei mit Notstrom versorgen. Die Ersatznetze sind unbelastet. Das heißt: Das Stromnetz läuft leer und kann im Bedarfsfall sofort mit voller Leistung genutzt werden.
Die „Mean time between failure“ (MTBF) als Maß für das Sicherheitsniveau, also die Anzahl der Betriebsstunden während der statistisch ein einziger Totalausfall passieren darf, beträgt bei der Stromversorgung des Ceneri-Basistunnels extrem hohe 4 Millionen. Betriebsstunden.
Dieses Sicherungssystem, insbesondere die Master-Slave-Schaltung, wurde für den Bau des Gotthard-Basistunnels entwickelt. Für den Ceneri-Tunnel konnten die Anlagenbauer auf diese Erfahrungen zurückgreifen und das System mit kleinen Anpassungen erneut anwenden.
Herausforderungen
Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt waren die außergewöhnlich langen Stromleitungen; vereinzelt wurden bis zu rund 6 km lange Leitungen verwendet. Durch die extrem langen und unbelasteten Leitungen gibt es einen sehr hohen kapazitiven Blindleistungsanteil, der für die Generatoren eine zusätzliche Leistung ergibt. Ebenfalls aufgrund der Leitungslänge muss die Kurzschlussleistung der USV-Anlagen sehr hoch sein, sie liegt bei der 17-fachen Nennleistung. Zum Vergleich: Klassische Notstromanlagen wie sie normalerweise verbaut werden, haben einen dreifachen Kurzschlussstrom.
Ebenfalls anspruchsvoll waren die äußerst umfangreichen Dokumentationspflichten im Rahmen der Ausführungsarbeiten. Allein für jede dynamische USV-Anlage mussten rund 800 Seiten Elektroschema erstellt werden. Einem Bauwerk dieser Größenordnung und Bedeutung entsprechend, gingen der Auftragsvergabe sehr umfassende Vertragsverhandlungen voraus, wobei das erfolgreiche Projekt beim Bau des Gotthard-Basistunnels ein wesentlicher Grund für die Zuteilung auch beim Ceneri-Tunnel war.
Teil des Projekts war auch die Schulung des Personals der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) in deutscher und italienischer Sprache im Rahmen mehrerer Workshops mit Praxis- und Theorieteilen. Rund 30 Personen durchliefen dieses „Operator Training“.
Support und Wartung der Anlagen
Auch nach der offiziellen Eröffnung des Ceneri-Basistunnels im September 2020 und der Inbetriebnahme im darauffolgenden Dezember ist die Arbeit an der Notstromversorgung nicht abgeschlossen. Für den Support und die Wartung wurde mit der Eigentümerin SBB ein Rahmenvertrag abgeschlossen, in welchem die von Avesco zu erbringenden Dienstleistungen an allen dynamischen USV-Anlagen im Gotthard- und Ceneri-Basistunnel geregelt sind. Damit wird eine maximale Systemzuverlässigkeit zur kontinuierlichen und ununterbrochenen Stromversorgung sichergestellt.
GIAN FRANCO BROGGI, Head of Sales/Leiter Verkauf;
CHRISTIAN KÖHLI, Project Manager/Projektleiter; Avesco AG, Langenthal, Switzerland/Schweiz
Ceneri-Basistunnel Notstromversorgung
Bauherr
ARGE CPC im Auftrag der AlpTransit Gotthard AG (ATG, Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB))
Engineering und Installation
Avesco AG, Langenthal, Schweiz
Bauzeit
2018–2019
Testphase Avesco AG
05/2019–08/2019
Testphase Bundesamt für Verkehr und AlpTransit Gotthard AG
08/2019 –08/2020
Angewendetes System und Aggregate
4 x No-Break Anlagen à 1750 kVA von HITEC Power Protection