Risikomanagement im Tunnelbau
Um mit Risiken im Tunnelbau umgehen zu können, ist ein hohes Maß an Transparenz erforderlich. Ein geeignetes Mittel dazu ist das Prozessmanagement.
Der Tunnelbau, als ein sehr spezielles und anspruchsvolles Fachgebiet des Bauingenieurwesens, ist gekennzeichnet von hohen Risiken während der Projektabwicklung. Gerade der Tunnelbau in bewohnten Gebieten birgt besonders hohe Risiken – die Folgen von Unglücken haben dann drastische Auswirkungen auf die Bewohner und Bauwerke der betroffenen Gebiete.
Risikomanagementsystem und Internes Kontrollsystem
Während es bis 2008 „nur“ erforderlich war, ein angemessenes Risikomanagementsystem (RMS) bezüglich der „Bestandsgefährdenden Risiken“ im Bereich des Finanzwesens der Unternehmung zu etablieren, gilt seit 2009 die gesetzliche Maßgabe, darüber hinaus ein nachweislich funktionsfähiges
und wirksames RMS einzurichten, welches sich zusätzlich u. a. auch auf den Bereich der operativen
Projekt-Risiken der gesamten Leistungserstellung erstreckt. Ferner wird als integraler Bestandteil dieses RMS ein so genanntes Internes Kontrollsystem (IKS) gesetzlich eingeführt, welches die Aufgabe
hat, die Aktivitäten des RMS zu überwachen, zu kontrollieren und zu dokumentieren.
Auswirkungen des Prozessmanagements
Die geschilderten erheblich gestiegenen gesetzlichen Anforderungen führen zwangsläufig zu einer größeren Bedeutung eines projektphasenorientierten Prozessmanagements innerhalb der Angebots- und Ausführungsphase von Unternehmungen der Bauindustrie und des Tunnelbaus. Nur wenn mittels detaillierter Abläufe (Prozesse) festgelegt wird, was bei welchen eintretenden definierten Sachverhalten zu tun ist, kann auch retrograd per Kontrolle (IKS) geprüft werden, ob es entsprechend den Anforderungen der Soll-Vorgabe auch inhaltlich und zeitlich zur entsprechenden Umsetzung gekommen ist.
Ein Blick „über den Tellerrand“ zum Projektgeschäft der IT-Industrie oder zu klassischen Entwicklungsprojekten zeigt, dass mithilfe des Prozessmanagements die Transparenz und Qualität der Projektabwicklung erheblich gesteigert werden konnte und weiterhin erfolgreich gesteigert wird. Ziel ist es mittels defi nierten Abläufen, Standards und Tools den Projekterfolg möglichst wenig vom individuellen, persönlichen Handeln auf der Baustelle abhängig zu gestalten.
Folgen für den Tunnelbau
Kommt es beispielsweise innerhalb der Projekt-Ausführungsphase infolge projektbegleitender Pflichtverletzungen oder Anordnungen des Auftraggebers zu Störungen und/oder Änderungen des geplanten Bauablaufs oder der Bauumstände im Tunnelbau, so sehen sich die ausführenden Unternehmen einer Vielzahl zeitlicher und monetärer Risiken ausgesetzt. Diese gilt es anhand der zuvor genannten gesetzlichen Anforderungen wirksam und nachweislich zu managen. Aus interner
Sicht liegen diese Risiken bei einem eventuellen Anspruchsverlust für eigene Mehrleistungen infolge Behinderungen und Bauzeitverlängerungen. Aus externer Sicht liegen diese Risiken in der Möglichkeit des Auftraggebers (AG), bei falschem Auftragnehmerverhalten und -management infolge
seiner Pfl ichtverletzungen Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Diese Ansprüche des Auftraggebers können oftmals erheblich höher sein. In der Regel werden beide Sachverhalte, intern wie extern, durch ein Ereignis hervorgerufen.
Dieser Sachverhalt aus der Projekt-Ausführungsphase ist besonders infolge der neuen gesetzlichen Klassifi zierung von Nebenpfl ichten zu betrachten. Während es früher eine Differenzierung von Nebenpfl ichten und Hauptpfl ichten gab, sind mittlerweile die Nebenpfl ichten den Hauptpfl ichten gleich gestellt, d. h. aufgewertet worden. Voraussetzung dafür ist, dass sie der Leistungserstellung
des AN dienen. Man spricht von „Leistungsbezogenen Nebenpflichten“. Der AN hat alles zu tun, um den Projekterfolg vorzubereiten, herbeizuführen und zu sichern. Hierzu gehören u.a. Prüf-, Hinweis-, Informationsund Warnpflichten. Selbstverständlich gelten diese Bestimmungen bezüglich des Verhaltens auch für Ereignisse und Sachverhalte innerhalb der Projekt-Angebotsphase des AN.
Konsequenz für das Management
Bezüglich der neuen Anforderungen an ein nachweislich funktionierendes und wirksames Internes Kontrollsystem kommt einem konzeptionellen, prozessorientierten Baumanagement und dem prozessorientierten Arbeiten über alle Projektphasen hinweg eine ganz neue Dimension und Bedeutung zu. Dies bezieht sich in besonderem Maße auf ein projektbegleitendes,prozessorientiertes Contract- und Claim-Management von vertraglichen Abweichungen und Änderungen gegenüber dem Auftraggeber.
Der Auftragnehmer muss jederzeit erfolgreich darlegen und beweisen können, wie er gehandelt hat und wie er hätte handeln müssen. Kommt es zu Beschuldigungen/Vermutungen des AG bezüglich „einer angeblichen Pflichtverletzung“ des AN, so muss der AN retrograd beweisen können, dass er sich bei seinem Handeln, weder inhaltlich noch zeitlich, nichts zu Schulden kommen gelassen hat.
Die Risiken, welche sich der AN durch falsches oder fehlendes Verhalten/Management aussetzt,
können weitreichende monetäre Ausmaße annehmen.