Bentley Systems/Saidel Engineering

Neunstöckiges Wohngebäude über U-Bahn-Tunneln in Bukarest

Bei Tunnelbauprojekten in innerstädtischen Gebieten wird anhand von geotechnischen Modellen des Baugrunds und Monitoring in der Bauphase sichergestellt, dass die bestehende Oberflächenbebauung nicht durch Bodenabsenkungen beschädigt wird, die durch die unterirdischen Baumaßnahmen hervorgerufen werden. Andersherum können aber auch bestehende Tunnelsysteme in gleicher Weise geschützt werden, wenn in unmittelbarer Umgebung zur Streckenführung neue Hochbauprojekte entstehen – wie zum Beispiel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, die von fünf unterirdischen Metro-Linien mit einer Gesamtlänge von fast 80 km durchzogen wird.

Im Westen von Bukarest soll ein Wohngebäude direkt über bestehenden Metro-Tunneln errichtet werden. Das Projekt umfasst neun oberirdische Etagen und einen unterirdischen Parkbereich. Das rumänische Unternehmen Saidel Engineering wurde beauftragt, die Belastung des Gebäudes auf die Tunnelauskleidung durch eine sichere und kosteneffiziente Gründungslösung zu reduzieren.

Geotechnik-Analysesoftware Plaxis von Bentley

Zur Anwendung kam dabei die Geotechnik-Analysesoftware Plaxis von Bentley Systems. „Plaxis kann sehr effektiv für Oberflächensetzungen im Tunnelbau eingesetzt werden. Sowohl in Bezug auf Setzungen, die an der Oberfläche auftreten, als auch auf hervorgerufene Setzungen an bestehenden Infrastrukturen lassen sich mit dieser Software Analysen durchführen“, erläutert Jana Miller, Manager für Produktmarketing, Konstruktions- und geotechnische Analyse bei Bentley Systems. „Geotechniker nutzen Plaxis aber auch, um die Entwicklung von strukturellen Kräften und Spannungen an der Tunnelauskleidung selbst zu analysieren. Diese Analysen können für eine Vielzahl von Materialien durchgeführt werden, von weichem Boden bis hin zu hartem Gestein.“
Als langjähriger Plaxis-Anwender wusste Saidel Engineering, dass es die richtige Geotechnik-Anwendung für dieses komplexe Projekt sein würde. „Unsere Teammitglieder setzen die Plaxis Software-Suite seit dem Jahr 2000 erfolgreich bei verschiedenen internationalen Projekten sowie bei hochkomplexen Tiefbauarbeiten und Gründungssystemen für Hochhäuser in Rumänien ein“, erläutert Ion Raileanu, stellvertretender Geschäftsführer und Leiter der Konstruktionsabteilung bei Saidel Engineering. „Durch die Überwachung der Bauwerke während des Bauvorgangs und bei langjährigen Bauüberwachungen wurden die Ergebnisse der geotechnischen Analysen bestätigt. Die Funktionen dieser Software – umfassende Werkstoffmodelle zur Simulation des nichtlinearen Verhaltens von Erdböden, Verbindungselemente zum Modellieren der Baugrund-Bauwerk Wechselwirkung, Bauphasen für eine realistische Simulation des Bauvorgangs sowie weitere spezielle Elemente – machen sie ideal für die numerische Analyse aller geotechnischen Untersuchungen.“
Das Team entwickelte 3D-Modelle und verglich die Ergebnisse mit den ursprünglichen 2D-Modellen. So konnte es sichergehen, dass das Fundament keine nachteiligen Auswirkungen auf die darunterliegenden Tunnel haben würde. Die Belastung der Tunnelauskleidung wurde für alle betreffenden Bauphasen analysiert.
Nachdem das Bauprojekt im Dezember 2018 gestartet wurde, konnte Saidel Engineering die geotechnische Analyse bereits im Frühjahr 2019 fertigstellen. Das Projekt ist bislang aber noch nicht in die Bauphase eingetreten, da der ursprünglich vorgesehene Baubeginn im Herbst 2020 aufgrund der Corona-Einschränkungen verschoben werden musste.

Modellprojekt für zukünftige vergleichbare Baumaßnahmen

Ion Raileanu und Serban Nicolau, FEM design engineer bei Saidel Engineering, erklärten im Interview Vorgehensweise und Zielsetzungen der geotechnischen Analyse. „Wir haben eng mit dem Betreiberunternehmen Metrorex und Metroul S.A. zusammengearbeitet“, so Serban Nicolau. Metroul, verantwortlich für Entwurf und Planung des Metro-Systems in Bukarest, versorgte Saidl Engineering mit den notwendigen Daten über Innenschale und Bewehrung des betroffenen Tunnelabschnitts. Mit zusätzlichen Ortsterminen im Tunnel konnten sich die Ingenieure so ein umfassendes Bild über ihre Aufgabe machen, das Gebäudefundament so zu planen, dass nicht nur eine strukturelle Beschädigung des direkt darunterliegenden Tunnels ausgeschlossen wird sondern auch verstärkte Wassereintritte aufgrund von Rissbildung vermieden werden. „Auf dieser Informationsbasis haben wir unseren Geotechnischen Bericht erstellt und schließlich zur Abnahme an Metroul gesendet.“ Das Projekt ist das erste Hochbauprojekt in Bukarest, das die Zustimmung der Metrobetreiber erhalten hat, direkt oberhalb einer existierenden Tunnelstrecke errichtet zu werden.
„Wir haben eine eigene Abteilung, die mit dem Monitoring unserer Projekte betraut ist“, ergänzt Ion Raileanu. „Hier werden auch Rückanalysen durchgeführt, mit denen wir die Ergebnisse unserer ursprünglichen Berechnung validieren. So lange das Gebäude steht, werden wir ein jährliches Setzungs-Monitoring durchführen. Sollten die tatsächlichen Setzungen zu irgendeinem Zeitpunkt mehr als 80 % des von uns kalkulierten Wertes betragen, werden zusätzliche Monitoring-Maßnahmen in Gang gesetzt.“
Dieses aktuelle Projekt zeigt laut Saidel Engineering das Potenzial anderer über Tunneln liegender Gebiete in Bukarest auf und bietet ein Modell, dem weitere vergleichbare Projekte folgen können.
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