Micro-TBM-Navigation mit Kreiselkompass in Abu Dhabi
Im Herbst 2018 erhielt das britische Bauunternehmen Joseph Gallagher International von der Abu Dhabi Sewerage Services Company (ADSSC) den Auftrag zur Ausführen des Projekts „Construction of Deep Gravity Line“ in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate). Die geplante Bauphase von 20 Monaten wurde im Dezember desselben Jahres begonnen. Das Projekt beinhaltet insgesamt 25 km Microtunnelling mit Nennweiten von DN400 bis DN2000; dafür sind fünf ISEKI- und drei Herrenknecht-Maschinen im Einsatz. Die Geologie besteht aus gemischten Sanden und Kalziten.
Bei dem in diesem Beitrag beschriebenen Abschnitt handelt es sich um einen DN1800/DA2220 Vortrieb von 520 m Länge, welcher mit einer Iseki-TBM aufgefahren wurde. Aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen – in der Startbaugrube herrschten Temperaturen von rund 40 °C, in der TBM bis zu 58 °C – und auch aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit im Rohrstrang kam der Laser zur Navigation der Maschine trotz seiner guten Qualität hier an seine Grenzen.
Nach knapp 400 m hatte der Laserpunkt einen Durchmesser von ca. 80 mm und bewegte sich stark. Zudem machten signifikante Veränderungen der Lage- und Höhenanzeige des Lasers eine genaue Steuerung des Vortriebes schließlich nahezu unmöglich. Für die verbleibenden 120 m Vortrieb wählte Bauleiter Simon Millard das neue NAV24 Navigationssystem des deutschen Unternehmens Tunnel24 mit Firmensitz in Wesel.
Systemkomponenten
Die Kernkomponenten des NAV24-Systems sind der permanent messender Kreiselkompass MWDR in Kombination mit einer hochpräzisen elektronischen Schlauchwasserwaage, die Genauigkeiten im Millimeter-Bereich ermöglicht – und dies unabhängig von der Vortriebslänge.
Die Systemkomponenten sind durch ein CAN-Bus-System miteinander verbunden. Der Computer befindet sich gut geschützt in der metallischen WS-Box. Zur Bedienung des Systems dient ein robuster Tablet-PC, ein sog. „Toughbook“ mit Windows-10-Betriebssystem, das mittels Wireless LAN mit der WS-Box verbunden ist. Diese Lösung ermöglicht dem Maschinenfahrer größtmögliche Flexibilität. Sollte das Toughbook einmal ausfallen, kann es notfalls durch jedes Windows-10-fähige Gerät ersetzt werden.
Optional können die Auffahrlängen und Drücke, sowie der Druck der Hauptstation in das System mit eingebunden werden. Das System in Abu Dhabi war dauerhaft an das Internet angebunden, so dass es jederzeit von Deutschland aus überwacht und betreut werden konnte.
Installation und Betreuung
Zur Installation und Betreuung des NAV24-Systems besteht eine Kooperation mit der deutschen Firma Poltinger Precision Systems (PPS) – eine feste Größe auf dem Gebiet der Steuerleitsysteme, bisher jedoch hauptsächlich im Großtunnel-Markt. Zu den Kunden von PPS gehören neben bekannten Baufirmen wie Hochtief, Implenia, Marti und Porr auch namhafte Maschinenhersteller wie CREG, Robbins, CRCHI und Herrenknecht.
Nach Ankunft des Systems in Abu Dhabi erfolgte innerhalb eines Tages umgehend der Einbau bei laufendem Vortrieb und sehr hohen Temperaturen. Danach konnten Einmessung und Einrichtung des Systems vorgenommen werden. Die Installation vor Ort wurde von der Firma PPS mit Unterstützung von Tunnel24 durchgeführt. Auch der lokale Vermesser wurde durch PPS in die Einrichtung und Vermessung des Systems eingewiesen. Alles in allem ging alles reibungslos vonstatten, so, dass nach zwei Tagen wieder mit dem Regelvortrieb begonnen werden konnte. Am 20. September 2019 erfolgte der Durchstich in der Zielbaugrube, bei dem die Einfahrdichtung nach 520 m Vortrieb exakt getroffen wurde.