Verkehr und Sicherheit in Straßentunneln
Gibt es einen Zusammenhang zwischen unterirdischen Verkehrsanlagen und den Ereignissen im April des Jahres 2010, als relativ unerwartet ein Vulkan in Island ausbrach und das europäische Luftverkehrswesen und damit einen großen Teil des öffentlichen Lebens lahmgelegt hat? - Die Auswirkungen haben sehr anschaulich gezeigt, wie selbstverständlich Mobilität für unsere Gesellschaft heutzutage ist. Und sie haben auch gezeigt, wie sensibel der Verkehrssektor auf solche Einflüsse reagiert.
Besonders Tunnel stellen oft Nadelöhre innerhalb des Verkehrsnetzes dar. Darum bedürfen sie besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich ihrer Sicherheit und ihres Betriebs, vor allem ihrer Ausfallsicherheit.
Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull hat glücklicherweise nicht zu einer besonderen Gefahr für Leib und Leben geführt, und auch die Auswirkungen der Eruption des isländischen Vulkans Grímsvötn im Mai 2011 blieben glücklicherweise hinter den zunächst befürchteten Szenarien zurück. Im Vergleich dazu verursachen Störungen in Straßentunneln vielfach lebensbedrohliche Situationen für die Verkehrsteilnehmer.
Es wird immer Ereignisse geben, die unerwartete Auswirkungen haben – auch das haben beide Vulkanausbrüche noch einmal verdeutlicht. Aber gerade darum bleibt es eine der vorrangigsten Aufgaben derer, die mit dem Bau, der Ausstattung und dem Betrieb von Straßentunneln zu tun haben, die bekannten Gefahren und Risiken zu minimieren.
Als Beitrag hierzu hatte Pöyry Infra Traffic vom 10. bis 12. Mai 2011 zum 6. Mal zum internationalen Fachkongress „Verkehr und Sicherheit in Straßentunneln“ nach Hamburg eingeladen. Mit diesem Kongress unterstützt Pöyry die European Road Safety Charter. Weitere Informationen dazu sind zu finden unter www.erscharter.eu
Folgende Themenschwerpunkte wurden im Rahmen des Kongresses vorgestellt, behandelt und diskutiert:
Richtlinien und Regelwerke - regionale und internationale Aspekte
Fahrerverhalten
Risikoanalyse
Leit- und Fluchtsysteme
Brandschutz
- Stationäre Löschanlagen
- Entlüftung und Abluftsysteme
Brand-, Störfall- und Gefahrenerkennung und –ortung.
Diese hatten sich herauskristallisiert, nachdem auf einen Call for Papers im Juni des vergangenen Jahres zahlreiche Fachleute ihre Vortragsentwürfe eingereicht hatten. Das vierköpfige Expertenkomitee, bestehend aus Sabine Vogler (Pöyry Infra Traffic, Deutschland), Prof. Alfred Haack (STUVA, Deutschland), Didier Lacroix (CETU, Frankreich) und Roberto Arditi (SINA S.p.A., Italien), hat die Auswertung vorgenommen.
Nach einer Begrüßung durch Sabine Vogler berichtete Federico Lenti vom italienischen Autobahnbetreiber Autostrada dei Fiori über die Umsetzung der europäischen Richtlinie 2004/54/EC, und welche Rolle diese bei der Instandhaltung von doppelröhrigen, zweispurigen Tunneln auf der E 80 hat. Der Beitrag von Axel Bassler (Gruner AG, Schweiz) stellte die Herausforderungen für die Tunnelsicherheit in Hochgebirgsregionen und die Sicherheitsprüfung des Tunnelinventars im Kanton Graubünden vor.
Unter der Überschrift „Fahrerverhalten“ referierte Günter Rattei (ASFiNAG, Österreich) über die Ergebnisse einer Auswertung von Daten, die sich mit der Frage beschäftigen, ob Sicherheitseinrichtungen in Straßentunneln wie vorgesehen genutzt werden. Dr. Alessandro Calvi von der Universität Rom stellte die Ergebnisse einer Studie aus einer virtuellen Fahrumgebung vor. Ebenfalls mit einer simulierten Fahrt durch die geplante Elbtunnelerweiterung (Überdeckelung) in Hamburg-Stellingen hat sich Prof. Thomas Jürgensohn von Human-Factors-Consult aus Berlin beschäftigt. Bei der durchgeführten Studie im Auftrag der DEGES wurde die optimale Größe der Dauerlichtzeichen durch Blickfelderkennung ermittelt.
Am 2. Tag stand das Thema Risikoanalyse auf dem Programm. Dr. Matthias Wehner und Jens König von HBI Haerter (Deutschland) stellten eine quantitative Risikoanalyse nach RABT-Standard sowie eine Methode zur Kategorisierung nach ADR 2007 vor.
Christof Sistenich von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt, Deutschland) und Christof Neumann (ILF Beratende Ingenieure, Österreich) gaben eine gemeinsame Präsentation über die Ergebnisse einer Vergleichsstudie zu verschiedenen methodischen Ansätzen zur quantitativen Risikoanalyse für Straßentunnel in Deutschland. Von Bernhard Kohl (ebenfalls ILF Beratende Ingenieure) kam ein Beitrag über die erweiterte Anwendung der Risikoanalyse am Karawankentunnel in Österreich unter Zuhilfenahme des Risikomodells TuRisMo.
Der folgende Vortragsblock drehte sich um Leit- und Fluchtsysteme und wurde von Dr. Frank Heimbecher von der BASt moderiert. Die Redner waren Michael Forster und Mario Goldbrich von Swareflex aus Österreich, Alexander Wierer von der ASFiNAG sowie Juha Huovilainen von MariMils aus Finnland. Ihre Vorträge behandelten den Einsatz von LED-Technologie in Tunneln, sowohl für die Verkehrsführung als auch für Evakuierungen.
Zwei weitere Vorträge am 2. Kongresstag kündigten bereits das Thema Brandschutz an, dass am 3. Tag fortgesetzt werden sollte: Dr. Erik Iglesias vom VersuchsStollen Hagerbach brachte den Brandschutz in Zusammenhang mit der Wartung von Straßenverkehrstunneln, genauer gesagt der Erneuerung des Betons; Bernd Konrath (IFI – Institut für Industrieaerodynamik) aus Aachen ließ seine Zuhörer an den Erfahrungen aus realistischen Brandversuchen der vergangenen Jahre teilhaben.
Eine Abendveranstaltung am Ende des 2. Tages bot den Teilnehmern eine gute Gelegenheit, sich in lockerer Atmosphäre mit anderen Fachleuten auszutauschen, Ideen zu entwickeln oder einfach nur den Abend bei leckerem Essen und milden Temperaturen mit Blick auf den Hamburger Hafen ausklingen zu lassen.
In der Fortsetzung des Themas Brandschutz am 3. Tag von Verkehr und Sicherheit in Straßentunneln widmeten 4 Referenten ihre Vorträge dem Schwerpunkt „Stationäre Löschanlagen“: Pekka Nikkarila (Marioff, Finnland) und Max Lakkonen (Fogtec, Deutschland) stellten spezielle Aspekte von Wassernebellöschanlagen vor. Günter Dorau (OneSeven, Deutschland) erläuterte die Vorteile des Löschens von Bränden in Straßentunneln mit Hilfe von Druckluftschaum. Rajko Rothe (IFAB, Deutschland) berichtete über das Forschungsprojekt SOLIT2.
Die Vorträge zweier weiterer Redner hatten die Entlüftung und Abluftsysteme zum Thema: Reto Buchmann (Pöyry Infra AG, Schweiz) sprach über die Dimensionierung solcher Systeme, Jürgen Steltmann (TLT-Turbo, Deutschland) stellte am Beispiel des Nachrüstprogramms des Hamburger Elbtunnels einen neuen Abluftventilator vor.
Der letzte Vortragsblock behandelte das Thema Brand-, Störfall- und Gefahrenerkennung und -ortung und wurde von 6 Autoren aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet: Dr. Franz Graf (Joanneum Research, Österreich) berichtete über das weltweit erste akustische Überwachungssystem in einem Straßentunnel. Stephan Pouh (Siemens AG, Deutschland) schilderte die guten Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt SKRIBT, das sich mit der Erkennung potenziell gefährlicher Fahrzeuge beschäftigte. Um die Erkennung und Überwachung von Brandstellen ging es in dem Vortrag von Dr. Henrik Hoff (AP Sensing, Deutschland). Dr. Ludger Siepelmeyer sprach als Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz über Branderkennung per Video. Um die Frage, ob man einen Brand am besten über eine Temperatur- oder eine Sichttrübungsmessung erkennen kann, ging es in dem Vortrag von Dr. Arnd Rogner (Metaphysics, Schweiz). Ein aktuelles Anwendungsbeispiel aus dem Hamburger Elbtunnel kam von Dr. Peter Böhnke (ave Verkehrs- und Informationstechnik, Deutschland), der die Detektion von Störfällen in Straßentunneln mit Hilfe von innovativen Induktionsschleifen erläuterte.
Am Ende der 3 Tage mit zahlreichen interessanten Vorträgen stand wie gewohnt ein Schlusswort von Prof. Alfred Haack, der mit einem Augenzwinkern die Höhepunkte der einzelnen Referate zusammenfasste.
Alle Vorträge auf einem USB-Stick können bei Pöyry Infra Traffic bestellt werden.
Verkehr und Sicherheit in Straßentunneln wurde von einer internationalen Fachausstellung begleitet, bei der ca. 30 Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen sowie neueste Entwicklungen präsentierten. Eine Liste der ausstellenden Firmen sowie weitere Informationen finden Sie unter www.tunnelkongress.de.