Modularer Ingenieurbaukasten für den Tunnelbau
Der Individual- und Güterverkehr wird weiterhin steigen – und dies weltweit. Laut dem deutschen Statistischen Bundesamt leben heute mehr als die Hälfte aller Menschen bereits in Städten und der umliegenden Peripherie. Der Treiber für diese Infrastrukturentwicklungen sind die Globalisierung und Urbanisierung mit der daraus entstehenden Mobilität von Menschen, Rohstoffen und Gütern. Die Anforderungen an den Ingenieurbau sind deshalb enorm gestiegen – auch mit Blick auf die Bauwerke der Verkehrs- und Versorgungsnetze.
Besonders in Deutschland, als zentralem Verkehrsknotenpunkt europäischer Warentransporte sind das Funktionieren und die Qualität der Wegetrassen zu Land und zu Wasser, also von Wasserwegen, Autostraßen und Schienen von elementarer Bedeutung.
In diesem Zusammenhang spielen Tunnel- und Brückenbauwerke eine zentrale Rolle. Ihr Bau wird in der Regel international ausgeschrieben, so dass es für die anbietenden Bauunternehmen wirtschaftlich essentiell ist, zuverlässige und exakt definierbare Baumaschinen oder Schalungs- und Gerüstsysteme einsetzen zu können.
Bei der Erstellung von Stahlbetonbauteilen ist innerhalb der Arbeitsabfolge von Einschalen, Bewehren, Betoneinbau und Ausschalen der zeitlich-finanzielle Aufwand für das Gewerk Schalen am höchsten. Für Bauunternehmen ist vor allem die Betrachtung der Material- und Lohnkosten wichtig: Beim Schalen bewegen sich diese in der Regel in einem Verhältnis von 15 % zu 85 %. Durch die hohe Wettbewerbsintensität, die für Großprojekte wie den Tunnelbau typisch ist, verschärft sich der Druck der Lohnkosten für die Bauunternehmen nochmals erheblich. Um diesen Faktor zu begrenzen, ist es deshalb in der Bauindustrie schon lange üblich, dass nicht nur der Gerätepark für das Gewerk Schalen ausgelagert wird, sondern auch alle zugehörigen Ingenieurdienstleistungen.
Anwendungsvielfalt auf der Basis von Standardbauteilen
Unabhängig von der Bauweise stehen, je nach geologischen Verhältnissen und der geplanten Nutzung, unterschiedliche Tragwerksquerschnitte zur Auswahl. Die einfache Form des Rechtecks bietet die wirtschaftlichsten Herstellungsoptionen. Je nach Rahmenbedingung können aber auch runde, elliptische oder Sonderquerschnitte spezifische Vorteile bieten.
Praxisgerechte, ausgefeilte Baukastensysteme zielen darauf ab, wirtschaftliche Lösungen für den Großteil aller Anforderungen im Ingenieurbau zu ermöglichen. Im Fokus steht dabei ein hoher Anteil an mietbaren Kern- und Systembauteilen, die vielfältige Anwendungen im Tunnelbau abdecken. Der Variokit Ingenieurbaukasten von Peri weist im Tunnelbau über alle Einsatzarten hinweg eine hohe Konstanz auf – sowohl in seiner Montagelogik als auch in der Art und Menge der benötigten Basisbauteile. Er eignet sich für alle bekannten Tunnelbauweisen, wie die offene, die bergmännische, die Deckelbauweise und die verschiedenen Sonder- bzw. Ergänzungsbauweisen. Darüber hinaus kann er auch im Rahmen des Tübbingausbaus zum Einsatz kommen.
Mit nur drei Kernbauteilen und einem Minimum an Verbindungs- und Sicherungsmitteln lassen sich etwa 85 % aller Schwerlasttragwerke herstellen. Dank seines einfachen Montageprinzips erlaubt das Baukastensystem hohe Sicherheits- und Geschwindigkeitsvorteile, sowohl beim Aufbau als auch während des Einsatzes auf der Baustelle.
Ein weiterer Systemvorteil von Variokit liegt in der Kombinierbarkeit mit dem Arbeits-, Schutz- und Traggerüstsystem Peri Up. Beide Systeme beruhen auf der metrischen Maßordnung des Hochbaus mit einem Aufbau- und Verstellraster von 12,5 cm, 25 cm oder 50 cm und sind deshalb untereinander vollständig kompatibel. Dadurch lassen sich alle Arten von Tragwerken kostengünstig herstellen und können bedingt durch diese Aufbauflexibilität auch schnell an unterschiedlichste Bauwerksgeometrien angepasst werden.
Um Montagezeiten vor Ort zu minimieren und enge Bauzeitvorgaben einhalten zu können, liefert Peri bei Bedarf auch vormontierte Einheiten auf die Baustelle. Mietbarkeit und Montagevorteile machen den Baukasten insbesondere bei kurzen Laufzeiten der Baustelle äußerst wirtschaftlich.
Hafentunnel Bremerhaven: Individuelle Lösung mit dem Baukastensystem
Das Peri-Baukastensystem befindet sich aktuell auch beim Bau des neuen Hafentunnels in Bremerhaven, Deutschland, im Einsatz. Seit 2014 wird der innerstädtische Tunnel auf einer Strecke von 1,8 km in offener Bauweise realisiert. Die eigentliche Tunnelröhre ist 1500 m lang und wird innerhalb eines 15 m tiefen und 16 m breiten Baugrubenverbaus aus senkrechten Schlitzwänden hergestellt. Die Ausführung erfolgt segmentweise in speziellen Baudocks. Das gewählte Bauverfahren sichert den Zugang der anliegenden Grundstücke sowie den Betrieb von Straßen- und Eisenbahnquerungen innerhalb des Baufeldes. Die Fertigstellung des komplexen Projektes ist für 2019 vorgesehen.
Der neue Hafentunnel entsteht in Trogbauweise, um im Bremerhavener Grundwasserbereich eine möglichst dichte Konstruktion zu erreichen. Sohle und Wände werden deshalb auch teilmonolithisch in einem Arbeitsgang ausgeführt. Anschließend wird dann die Tunneldecke betoniert. Für die Herstellung der jeweils 10 m langen Tunnelabschnitte kommen in den einzelnen, voneinander abgeschotteten Baudocks insgesamt drei Wand- und vier Deckenschalwagen zum Einsatz. Das Konzept der Peri-Ingenieure dahinter bedient sich eines vorlaufenden Wandschalwagens aus dem Variokit Baukasten, der mit Unterstützung durch zwei Vorschubträger den zu betonierenden Abschnitt für die Sohle überspannt. Verschub sowie Ein- und Ausschalen erfolgen hydraulisch. Der nachlaufende Deckenschalwagen wird mechanisch ein- und ausgeschalt. Die Herstellung erfolgt in Zehn-Tage-Takten.
Die in Bremerhaven gewählte Schalungslösung kann flexibel auf die Querschnitte sowie auf objektbedingte Krümmungen und Neigungen im Tunnelverlauf reagieren. So lassen sich die Schalwagen nicht nur in den geraden Abschnitten einsetzen, sondern eignen sich auch für die Kurvenabschnitte mit Radien bis zu 500 m. Ebenso können auch die Aufweitungsbereiche mit den Standardschalwagen hergestellt werden, taktweise angepasst an die veränderliche Geometrie.
Die Baustellenerschließung erfolgt über zehn Peri Up Flex Treppentürme. Sie gewährleisten den sicheren und einfachen Zugang zur jeweiligen Baugrubensohle. Aufgrund ihrer konstruktiven Ausbildung vor Ort, lassen sich die Treppentürme ohne aufwändigen Auf-, Ab- oder Umbau mit nur einem Kranhub in den nächsten Abschnitt umsetzen.
Projektsupport durch das Peri Engineering von der Planung bis zur Fertigstellung
Beim Bau des Hafentunnels in Bremerhaven zeigt sich die hohe Flexibilität der Ingenieurbau-Systeme von Peri. Tunnel- und Brückenschalwagen sind in der Regel individuelle, projektbezogene Lösungen. Mit dem Variokit Ingenieurbaukasten lassen sich aber auch standardisierte Systemteile wirtschaftlich herstellen. Wichtig ist dabei die konsequente Unterstützung durch die hauseigene Engineering-Abteilung. In Bremerhaven kümmerte sich ein Peri-Projektkoordinator als Schnittstelle zwischen den Bauverantwortlichen vor Ort und den beteiligten Peri-Ingenieuren um Detailfragen und Materiallieferungen. Zudem begleitete ein erfahrener Richtmeister von Peri die Erstmontage der Schalwageneinheiten.
Im Verbund mit einem dichten Netzwerk aus Niederlassungen, Lagerstandorten und Fachberatern unterstützt das Peri Engineering Bauunternehmen bei ihren Projekten grundsätzlich mit umfangreichen Planungsleistungen, um im Baubetrieb den bestmöglichen Einsatz des Variokit Ingenieurbaukastens zu erreichen.