KI ermöglicht nachhaltige Verwertung von Aushub aus dem maschinellen Tunnelbau
Beim Tunnelbau können pro Stunde über 200 Tonnen Aushub anfallen. Wenn dieser Boden nicht auf derselben Baustelle eingesetzt werden kann, landet er häufig auf Deponien. Um eine nachhaltige Verwertung zu ermöglichen, müssen die Eigenschaften des Materials bekannt sein. Die Grundlagen für ein entsprechendes KI-gestütztes System haben Herrenknecht, die STUVA und die TH Köln nun entwickelt. Das Kooperationsprojekt REMATCH ist kürzlich als einer der drei Finalisten für den renommierten bauma Innovationspreis in der Kategorie Forschung bekanntgegeben worden. Die Bekanntgabe der Sieger und Verleihung des Preises finden am 6. April 2025 in München statt.
Ausbruchmaterial aus dem Tunnelbau kann, je nach Charakterisierung, vielfältig genutzt werden, zum Beispiel als Straßenunterbau oder Betonzuschlagsstoff. Dazu muss das Material aber noch auf der Baustelle möglichst sortenrein getrennt werden. Um dies überhaupt möglich zu machen, ist ein neues Messsystem entwickelt worden, das auf Künstlicher Intelligenz basiert und künftig die für die Sortierung maßgeblichen geotechnischen Parameter in Echtzeit ermitteln soll.
Zu den relevanten Parametern gehören etwa das sogenannte Setzmaß zur Beschreibung der Verarbeitbarkeit bzw. Fließfähigkeit der abgebauten Böden oder die Scherfestigkeit und der Wassergehalt, die Einfluss auf die Standsicherheit einzubauender Böden haben. Diese Kenngrößen lassen sich mit den üblichen Methoden im laufenden Betrieb einer Erddruckschildmaschine, einem besonders häufig eingesetzten Typ einer Tunnelbohrmaschine, nicht kontinuierlich bzw. nur sehr schwer ermitteln. Daher wurden ein Kugelpendel und einen Pflug über dem laufenden Förderband montiert. Es wird dann gemessen, wie stark das vorbeifließende Material die Instrumente bewegt, und die Kraftverläufe werden dokumentiert. Diese Kräfte sehen etwa bei sandigem Boden ganz anders aus als bei tonhaltigem. Das Ziel des Forschungsprojekts war es daher, eine Künstliche Intelligenz zu trainieren, die aus der Krafteinwirkung auf die Messgeräte auf die geotechnischen Eigenschaften des Aushubmaterials schließen kann. Dies wiederum ermöglicht es Maschinenführer*innen, das Ausbruchmaterial bereits auf dem Förderband zu klassifizieren und eine entsprechende Sortierung einzuleiten.
Um eine valide Datenbasis für das Training der Künstlichen Intelligenz zu erhalten, testete das Projektteam zunächst diverse Materialproben auf einem Kreisförderband mit 2 m Durchmesser bei der STUVA e.V. in Köln. Um den Verhältnissen auf einer Tunnelbohrmaschine besser gerecht zu werden, errichtete die Herrenknecht AG darüber hinaus ein rund 50 m langes Testförderband im Maßstab 1:1 an seinem Hauptsitz in Schwanau, Baden-Württemberg. Dort konnten viele verschiedene Proben unter realen Bedingungen untersucht und klassifiziert werden. Zudem wurden die im Projekt REMATCH neu entwickelten Messysteme in einem realen Einsatz bei einem Tunnelbauprojekt erprobt. Auf diese Weise konnten sehr gute Grundlagen gelegt werden, um ausgewählte geotechnische Parameter des Ausbruchmaterials und damit das Verwertungspotenzial hinreichend zu bestimmen. Weitere Untersuchungen sind bereits in Planung.
Das Forschungsprojekt „REMATCH – REsource efficient tunnelling based on real-time excavation MATerial CHaracterization“ wurde von 2021 bis 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der französischen Agence nationale de la recherche gefördert. Projektleiter auf deutscher Seite war die Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (STUVA) e.V. Weitere Partner neben der TH Köln waren der Tunnelbohrmaschinenhersteller Herrenknecht AG und auf französischer Seite das Planungs- und Beratungsunternehmen Arcadis, LIRIS – Labor für Bildverarbeitung und Informationssysteme der Universität Lyon, sowie die assoziierten Partner DB Netz AG, das französische Zentrum für Tunnelstudien Centre d’Études des Tunnels und der öffentliche Bauträger Tunnel Euralpin Lyon–Turin.