Adlertunnel –
Sanierung mit Brandschutz
Der 5,6 km lange Adlertunnel (1995 bis 2000) im Schweizer Jura zwischen Liestal und Muttanz bei Basel ist Teilstück des Projektes Bahn 2000. Schon 10 Jahre nach Inbetriebnahme des zweigleisigen Tunnels der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zeigten sich auf einer Länge rund 40 m Risse im Gewölbe nahe dem Portal bei Muttanz. Ursache dafür ist der quellfähige Gipskeuper im angrenzenden Gebirge, der durch stetige Wasseraufnahme im Laufe der Zeit die Tunnelsohle bis zu 7 cm angehoben hat. Deshalb wurden in diesem Tunnelabschnitt 6 m hohe und 3,50 m breite Betonriegel als Widerlagerkörper eingebaut, die zum Ableiten des Drucks in den Fels durch Felsanker und Mikropfähle mit dem Gebirge verspannt wurden.
Anforderungen
Die bewehrten Betonriegel und die Felsankerköpfe mussten im Brandfall gemäß ISO 834-Brandkurve für 60 Minuten geschützt werden, so dass die Tunnelinnenschale und Widerlagerkörper nach diesem Zeitraum die Temperatur von 200°C und die Ankerköpfe 120°C nicht überschreiten; im späteren Betriebszustand müssen die Ankerkopfnischen jederzeit licht zum Überwachen und Nachspannen der Anker zugänglich sein.
Zum Einhalten des Lichtraumprofils wurde ein Brandschutzsystem gewählt, das mit nur 3 cm Schichtdicke den Anforderungen genügt. Außerdem muss es den Belastungen durch Sog- und Druckkräfte aus dem Zugverkehr im Tunnel standhalten, weshalb von der Brandschutzschicht mindestens 4 kN/m2 Festigkeit gefordert wurden. Weil eine Sperrung des gesamten Tunnels für die Ausführung der Brandschutzmaßnahmen nicht möglich war, blieb der Bahnbetrieb immer einspurig.
Wahl des Systems
Wegen der geschilderten Anforderungen an den Brandschutz wurde der Brandschutzmörtel Sikacretre-213F verwendet, ein hydraulisch gebundener Spritzmörtel mit Vermiculit als Füllstoff, der in seiner geblähten Form eine außerordentliche Wärmedämmung bietet. Dieser Mörtel zeichnet sich durch seine einfache Anwendung aus, und zwar durch eine dünne Schichtdicke und die Möglichkeit zur Beschichtung; er ist nach ISO 834 geprüft und erfüllt bei einer Schichtdicke von nur 25 mm die Anforderungen der noch viel strengeren niederländischen Bemessungskurve RWS während 2 Stunden.
Die Wahl auf dieses Brandschutzsystem fiel auch aufgrund der damit bei der umfangreichen Brandschutzsanierung der U-Bahnstation Wien Mitte 2009 gemachten Erfahrungen [4]; dort wurden 2200 m² mit Sikacrete-213F bei 25 mm Schichtdicke gemäß EN 13501 (REI 180) vor Brand geschützt. Bei diesem Brandschutzmörtel, der nur mit Wasser angemacht wird und keinen Beschleuniger benötigt, ist die Verarbeitung äußerst einfach.
Bauausführung
Zunächst wird der Beton mit Hochdruckwasserstrahl zum Erreichen einer optimalen Haftung mit dem Untergrund aufgeraut und danach ein Drahtgitter auf die zu schützende Fläche aufgebracht; diese Bewehrung (Bekaert Armanet FP) erhöht die Dauerhaftigkeit des Brandschutzsystems – auch im Hinblick auf die Beanspruchung durch vorbeifahrende Züge. Danach wird der Brandschutzmörtel im Nassspritz-/Dichtstromverfahren (Schneckenpumpe) appliziert; seine Oberfläche kann spritzrau belassen, geglättet oder zunächst beschichtet werden; hier wurde die Oberfläche geglättet. In den Bereichen der Ankerköpfe wurden auswechselbare Brandschutzplatten zum Erleichtern der Überwachung und des Nachspannens der Anker angebracht.
Wegen des laufenden Bahnbetriebes wurde der Brandschutzmörtel abschnittsweise eingebaut: zuerst im Firstbereich und danach im Bereich der Widerlager, dann die Bahnspur gewechselt und die gleichen Arbeiten auf der anderen Tunnelseite ausgeführt.
Für die Sanierung wurden insgesamt rund 750 m² Sikacrete-213F verarbeitet. Die durchschnittliche Auftragsmenge liegt bei 6 kg/m² je 10 mm Schichtdicke; bei diesem Nassspritzmörtel wird ohne Beschleuniger gearbeitet. Die Applikation des Brandschutzsystems wurde von Viktor Wyss ausgeführt, Hauptunternehmer war die Marti Unternehmung AG und Projektverfasser für die Instandsetzung die Basler & Hofmann AG.G.B.
Literatur / References
[1] Müller, R.: Baubeginn am Adlertunnel. Tunnel 2/1995, pp. 32-36
[2] Hentschel, H.: Schwieriger Start am Adlertunnel. Tunnel 1/1997, pp. 8-12 und 3/1999, p. 8
[3] Adlertunnel mit Bahntechnik ausgerüstet. Tunnel 8/2001, pp. 60-61
[4] Jahn, M.: Brandschutzsanierung der U-Bahnstation Wien Mitte 2009. Spritzbeton-Tagung 2009, Alpbach/Tirol
[5] Befahrung Adlertunnel. Sanierung von 40 lfm Tunnel im Anhydritbereich des Gipskeupers. Fachteamsitzung Tunnel, 22. April 2010, Muttenz
[6] Rieger, C.: Sanierung Adlertunnel mit Brandschutzmörtel. Infrastruktur- und Tunnelbau (INT) 1/2012, p. 98