Zementgebundene, glasfaserbewehrte Tunnelbrandschutzplatten
Um ein Höchstmaß an Sicherheit in unterirdischen Verkehrsanlagen zu gewährleisten helfen integrierte technische Lösungen in Kombination mit baulichem Brandschutz. Lösungen mit zementgebundenen Brandschutzplatten mit geringen Aufbauhöhen und Gewichten setzten sich im Markt zunehmend durch.
Mit der 2004 verabschiedeten EU-Tunnelrichtlinie wurden die Mindestanforderungen an die Sicherheit europäischer Tunnel geregelt und die gesetzlichen Vorschriften zur Tunnelsicherheit deutlich verschärft. Seitdem unterliegen diese Tunnel strengen Auflagen und umfangreichen Qualitätsprüfungen. Neben der Prävention steht vor allem der Schutz von Personen im Vordergrund, mit tunnelspezifischen Überwachungs-, Sicherheits- und Betriebssystemen. Hinzu kommen bauliche Vorkehrungen, die sicherstellen sollen, dass bei Brandeinwirkung keine bleibenden Verformungen in der Konstruktion entstehen, die die Gebrauchsfähigkeit des Tunnels einschränken, oder gar strukturelle Schäden, die die Standsicherheit gefährden. Außerdem sollte die Wasserdichtigkeit der Konstruktion weiterhin gewährleistet sein.
Anforderungen an den baulichen Brandschutz im Tunnel
Die Anforderungen an den baulichen Brandschutz im Tunnel werden national sowie projektspezifisch in Abhängigkeit der jeweiligen Größe und der infrastrukturellen Bedeutung definiert. Ziel ist es dabei, durch entsprechende Schutzmaßnahmen die Tunnelkonstruktion im Brandfall vor zu hohen Temperaturen zu schützen und für eine Begrenzung der Maximaltemperatur sowohl an der Betonoberfläche als auch an der Stahlbewehrung zu sorgen. So soll explosives Abplatzen des Betons infolge von Wasserdampfüberdruck (siehe Kasten) verhindert und die Tragfähigkeit der Betonstruktur gewährleistet werden – dies schließt die Begrenzung der Verformung durch eine Begrenzung der Bewehrungstemperatur mit ein.
Entwickelt werden die Anforderungen an die Tunnelkonstruktion, wie etwa die Dicke der Brandschutzbekleidung, auf der Grundlage von Zeit-Temperatur-Kurven. Für Straßentunnel in Deutschland findet u. a. die ZTV-ING-Kurve Anwendung. Demnach muss sichergestellt sein, dass die tragende Bewehrung der Tunnelkonstruktion sich nicht auf eine Temperatur von über 300 °C erhitzt und dass ausschließlich Baustoffe der Klasse A nach DIN 4102 oder gleichwertig eingesetzt werden. Darüber hinaus dürfen bei Feuer weder bauwerks- oder personenschädigende Stoffe freigesetzt werden. Speziell bei großen internationalen Infrastrukturprojekten wird die HCM- oder RWS-Kurve häufig angewandt, die eine Maximaltemperatur von 1300 °C respektive 1350 °C erreicht. Noch weitergehende Anforderungen an den Tunnelbrandschutz gibt es gemäß der CETU- Richtlinie in Frankreich. Sie basieren auf einer Kombination aus verschiedenen Zeit-Temperatur-Kurven und unterscheiden zwischen den Kategorien N0 (keine Anforderung), N1 (HCM 60 und ISO 120 Minuten), N2 (HCM 120 Minuten) und N3 (HCM 120 Minuten und ISO 240 Minuten).
Leistungsfähige Brandschutzsysteme
Um den baulichen Brandschutz in Tunnelbauwerken zu gewährleisten, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Der Einsatz von Betonen mit PP-Faserzement (Polypropylen-Fasern) bewirkt bei Brandeinwirkung gegenüber Normalbetonen eine deutlich verringerte Abplatzung, da die Kunststofffasern bei Temperatureinwirkung schmelzen und so der im Beton entstehende Wasserdampf durch das feine Geäst schmelzender PP-Fasern entweichen kann. Dies ist jedoch mit einem erheblichen Festigkeitsverlust der dem Feuer zugewandten Betonschichten verbunden, so dass es nach einem Brandereignis in aller Regel notwendig ist, den Beton kostenaufwändig zu sanieren, z. B. durch den Auftrag von Spritzputz. Da häufig auch Teile der Stahlbewehrung in Mitleidenschaft gezogen werden, ist auch diese auszutauschen.
Auch mit Spritzputzsystemen etwa können in der Regel die Anforderungen der ZTV-Ing sowie der RWS-Kurve erfüllt werden, wenn diese durch PP-Faserzement vergütet werden. Ihr Einsatz ist jedoch zeitintensiv und mit erheblicher Verschmutzung verbunden, da der Auftrag zwei- bis dreilagig erfolgen muss und Erhärtungszeiten zu berücksichtigen sind. Die fertige Oberfläche ist rau und erfordert Nacharbeit bzw. den Auftrag eines Fein(spritz)-Putzes. Parallel zur Ausführung der Brandschutzbekleidung können keine anderen Arbeiten ausgeführt werden. Der Tunnel muss komplett gesperrt werden; dies führt zu entsprechender zusätzlicher Belastung der umgebenden Verkehrs-Infrastruktur.
Vor diesem Hintergrund setzen sich Brandschutzplatten, die einfach außen auf die vorhandene Tunneloberfläche montiert werden, im Markt immer mehr durch. Der deutsche Hersteller Fermacell beispielsweise hat mit den Tunnel-Brandschutzplatten Aestuver T und Aestuver Tx zwei Produkte im Portfolio, die für höchste Sicherheitsanforderungen in unterirdischen Verkehrsanlagen konzipiert wurden. Während die Brandschutzplatte Aestuver T für anbetonierte Tunnelbekleidungen vorwiegend in Neubauprojekten eingesetzt wird, die in offener Bauweise erstellt werden, wurde die Neuentwicklung Aestuver Tx speziell für nachträglich montierte Tunnelbekleidungen in Neubauprojekten sowie Bestandsbauwerken entwickelt. Die zementgebundenen, glasfaserbewehrten Leichtbetonplatten der Baustoffklasse A1 nach DIN EN 13501-1 kombinieren Frost-, Tausalz- und Wasserbeständigkeit mit hoher Belastbarkeit und Verarbeitungsfreundlichkeit. Die gleichmäßig glatte Oberfläche der Platten bietet einen guten Untergrund zum Streichen oder Beschichten und ermöglicht eine einfache Reinigung. Bei Bedarf können alle gängigen Reinigungsverfahren mit Wasser- oder Dampfstrahlern – auch unter Verwendung von Reinigungszusätzen – angewandt werden. Ein großer Vorteil ist, dass die Platten die beschädigungsfreie Revision und Inspektion der Betonkonstruktion des Tunnels sowie der Bauteilfugen möglich machen, denn sie können einzeln demontiert und später wieder montiert werden. Die Plattenzusammensetzung ohne brennbare Bestandteile verhindert zudem die Freisetzung von toxischen oder sichtmindernden Gasen im Brandfall.
Mit Dicken von 10, 15, 20, 25, 30, 35, 40, 50 und 60 mm verfügt die Platte Aestuver T (ETA-15/0531) über Tunnelbrandprüfungen gemäß internationaler Zeit-Temperatur-Kurven für anbetonierte Konstruktionen (ZT V/EBA, RWS120, RWS180, HC180, HCM120, HCM180).
Mit deutlich geringeren Dicken (20, 25, 30 und 35 mm) und daraus resultierenden niedrigeren Systemgewichten, die ca. 20 % unter denen vergleichbarer Produkte liegen, erfüllt die Brandschutzplatte Aestuver Tx (Baustoffklasse gemäß EN 13501-1) noch höhere Anforderungen und hat in einer Vielzahl von internationalen Tests (darunter vor allem auch sehr anspruchsvolle französische Brandschutzversuche mit 60 % der maximalen rechnerischen Lastaufnahme des Betonprobekörpers und entsprechend großen Verformungen von rund 1/25 der Länge der Betonplatte) ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt (RWS 180, RWS 120, HCM120, für die Schutzniveaus N1/N2/N3, sowie ISO 240).
Die Verarbeitung erfolgt in Direktbeplankung oder auf einer Unterkonstruktion. Die geringen Plattendicken bei einem Format von 2600 x 625 mm ermöglichen schlanke Systemaufbauten. Dabei dürfen kürzere Verankerungsmittel eingesetzt werden, was die Wahrscheinlichkeit von Bewehrungstreffern minimiert. Dies vereinfacht die Montage, reduziert die Bauzeit und sorgt somit für eine wirtschaftliche Bauausführung. Die Befestigung erfolgt mit entsprechend zugelassenen Betonschrauben bzw. Nagelankern, je nach Anforderung mit oder ohne systemkompatible Hinterlegungsstreifen. Ein wichtiger Vorteil ist, dass die Arbeiten während des laufenden Verkehrs durchgeführt werden können. Der Verkehr, dies hat sich unter anderem bei der Modernisierung des Bergiseltunnels auf der Brennerautobahn gezeigt, kann einspurig an der Baustelle vorbeigeleitet werden. Dies entlastet die Infrastruktur der angrenzenden Regionen massiv und vermeidet eventuelle Einnahmeverluste der Tunnelbetreiber.
Rita Jacobs, Fachjournalistin, Düsseldorf, Deutschland
Abplatzverhalten von Beton im Brandfall
Innerhalb des Konstruktionsbetons kommt es im Brandfall zu mechanischen Belastungen und chemischen Umwandlungen. Diese führen dazu, dass mechanische Eigenschaften wie z. B. Festigkeit und E-Modul abnehmen. Von den Randzonen ausgehend kommt es zur Erwärmung des Betons mit begleitenden Entwässerungs- und Verdampfungsprozessen. Hierdurch wird Dampfdruck erzeugt, der zu explosionsartigen Betonabplatzungen führt. Die Abplatzneigung nimmt mit der Festigkeit des Konstruktionsbetons zu, da bei festeren Betonen der Porengehalt sinkt und somit die Permeabilität abnimmt. Vor allem Hochleistungsbetone haben sich als besonders anfällig für Abplatzungen gezeigt. Zudem können durch Haarrisse, die in Folge der Brandbelastung auftreten, Rauchgase in den Beton eindringen, die beispielsweise die Karbonatisierung beschleunigen bzw. Chloride eintragen und den Betonstahl angreifen.