Ein Wort zum Thema…

Tiefengeothermie – interdisziplinäre Herausforderung und Innovationstreiber


Eine Vision für den Untertagebau

Die tiefengeothermische Nutzung von Energie in Form von Wärme und Strom wird aufgrund der Verknappung von fossilen Energieträgern aus ökologischen aber auch aus wirtschaftlichen Gründen zukünftig stark an Bedeutung gewinnen. Dies unter anderem deshalb, weil sowohl die Nutzung als auch die Produktion von geothermischer Energie große Vorteile gegenüber allen anderen erneuerbaren Energieformen hat. Die Energiegewinnung aus der Erdkruste ist 24 Stunden/Tag 365 Tage/Jahr unabhängig von klimatischen Bedingungen oder Wetterlagen möglich. Damit wird Tiefengeothermie wichtige Quelle für die Bereitstellung von Grundlaststrom und -wärme; aktuell wird diese Energieform als erneuerbare Energiequelle aufgrund der hohen Bohrkosten nur unwesentlich genutzt und trägt in einem verschwindenden Anteil zum Energiemix bei.

Der große Vorteil der Energiegewinnung aus der Tiefe der Erdkruste ist, dass diese grundsätzlich unabhängig von den äußeren Umweltbedingungen überall verfügbar ist und im Vergleich zur Solar- oder Windenergieerzeugung wesentlich höhere Lebensdauern aufweist. Dazu kann geothermische Energie nahezu CO2-frei produziert und gefördert werden. Bei der Gewinnung handelt es sich um einen rein physikalischen Prozess. Es findet also keine Verbrennung oder eine andere chemische Umwandlung statt. Geothermische Energie, die zu den erneuerbaren gezählt wird, ist im Übrigen als einzige dieser umweltfreundlichen Energien grundlastfähig.

Bei der Nutzung der Erdwärme mittels Tiefengeothermie unterscheidet man im Wesentlichen zwischen hydrothermalen und petrothermalen Systemen sowie zwischen offenen und geschlossenen Systemen. Diese werden der Volständigkeit halber in einem separaten Beitrag in dieser Ausgabe näher erläutert.

Eine Vision ist, dass beinahe sämtliche Anlagen zum Betrieb eines geothermischen Kraftwerks unter Tage errichtet werden könnten, woraus sich geringste Emissionen für die Umwelt ergeben würden. Geothermische Energiegewinnungsanlagen hätten damit den geringsten Oberflächenbedarf aller erneuerbaren Energien.

Zusätzlich könnten bei der Herstellung eines Geothermiekraftwerks auch Synergien mit anderen Energieträgern genutzt werden und somit der Gesamtwirkungsgrad erhöht werden. Eine Möglichkeit wäre, den Höhenunterschied innerhalb der Untertageinfrastrukturen hydraulisch zu nutzen (z.B. Spitzenabdeckung durch Speicherkraftwerk) und über eine Turbine Strom zu erzeugen. Eine andere denkbare Möglichkeit wäre, den Temperaturunterschied zu nutzen, durch welchen es zu Dichteunterschieden der Wetter in den Ein- und Ausziehschächten kommt. Diese Wetterbewegung könnte unter Umständen durch Rotoren energetisch genutzt werden.

Um solche Energiequellen zu erschließen, benötigt man Bohrtechnologien, mit denen man in die nötige Teufe vordringen kann. Heutzutage sind Bohrungen technisch in bis zu 7.000 m Teufe Stand der Technik; als wirtschaftlich sind jedoch nur Teufen bis zu 5.000 m anzusehen.

Für den Bau- und Betrieb von untertägigen Tiefengeothermieanlagen sind Kavernen mit großen Querschnitten und relativ geringer Länge erforderlich. Die Verbindung zur Erdoberfläche würde durch Stollen (Strecken) oder Schächte erfolgen. Die Wahl günstiger Querschnittsformen, die Anwendung gebirgsschonender Ausbruchsverfahren sowie die Wahl von Stützmaßnahmen als temporäre und endgültige Sicherungsmaßnahmen gehören hier zu den wesentlichen Aufgaben. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die bisher tiefste untertägige Bohrung mit dem größten Untertagetiefbohrgerät, der RB50 von Prakla, bereits 2.000 m erreichte. Größere und damit stärkere Bohrgeräte bedingen naturgemäß mehr Raum, um unter Tage aufgestellt bedient werden zu können, was logistisch, sicherheitstechnisch, felsmechanisch und geotechnisch neue Herausforderungen mit sich bringt.

Ein solches Szenario erahnend sollte sich die heute tätige Generation aus meiner Sicht intensiv mit geologischen und geothermischen Standortfragen zur Nutzung tiefengeothermischer Energie auseinandersetzen, Bohrtechnologien inklusive der Bereitstellung der notwendigen Infrastrukturen zum Abteufen von Tiefenbohrungen von unter Tage aus entwickeln, Gebirgs-, Betriebs- und Prozessparameter erarbeiten sowie Sicherheitsaspekte untersuchen, die sich im Spezialfall in bestehenden oder auch neu zu errichtenden untertägigen Anlagen ergeben.

Schlussendlich müssen das Potenzial der Tiefengeothermie und deren Risiken technisch und wirtschaftlich erfasst werden. Die wissenschaftliche aber auch wirtschaftliche Behandlung des Themas Tiefengeothermie erfordert die interdisziplinäre Entwicklung von Konzepten und Methoden aller involvierten Disziplinen. Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Forschungsergebnisse können weltweit Anwendung finden. Tiefengeothermie ist einerseits hoch innovativ und andererseits auch riskant, wird aber selbst im einzelnen Misserfolgsfall eine Reihe von Erkenntnissen liefern, die in anderen Zusammenhängen ihren Nutzen bringen werden.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 07/2013 Untertagebau | Geothermie

Tiefengeothermie – interdisziplinäre Herausforderung und Innovationstreiber – Kurzüberblick über den Stand der Technik

Die Temperaturverteilung im Untergrund ist nicht einheitlich. Außerhalb Europas existieren Bereiche der Erdkruste, wo die geothermische Tiefenstufe zwischen 90 und 125 m/°C beträgt, während in...

mehr