Querung der Ems bei Emden/D
Westlich der Stadt Emden/D entsteht zurzeit ein ca. 4 km langer Tunnel, der den Fluss Ems in Richtung Niederlande queren wird. Zweck des Tunnels ist die Aufnahme einer 48 Zoll großen Gaspipeline. Im folgenden Beitrag werden die zur Verwirklichung des Bauwerks notwendigen baulichen und logistischen Maßnahmen beschrieben.
Die Arbeitsgemeinschaft BCE, bestehend aus Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, Frankfurt am Main/D, und dem niederländischen Baukonzern BAM, wurde im Sommer 2008 mit dem Bau des Tunnels beauftragt. Auftraggeber ist die ebenfalls aus den Niederlanden stammende Nederlandse Gasunie. Nötig wird die neue Gasleitung, um den Transport von Gas in Europa den zukünftigen Anforderungen und Gegebenheiten anzupassen.
Der Tunnel wird eine Länge von exakt 4016 m haben. Er unterquert die Ems, beginnend vom deutschen Ort Knock, und endet am niederländischen Ort Borgsweer (Bild 1). Die Ems hat im Bereich der Tunnelquerung eine Tiefe der Fahrrinne von 12 m. Unter Berücksichtigung dieses Maßes und Würdigung der geologischen Verhältnisse liegt die Tunnelachse im Bereich der Fahrrinne auf 23,5 m u. NN. Das maximale Gefälle des Tunnels beträgt 5 % kurz nach dem Startschacht auf deutscher Seite.
Geologie
Die Tunneltrasse liegt im Emsmündungsgebiet in unterschiedlichen quartären, eiszeitlich und nacheiszeitlich entstandenen rolligen, bindigen und organischen Lockergesteinsablagerungen (Bild 2). Die Boden-überdeckung über der Tunnelröhre variiert zwischen ca. 4 m im Bereich des Zielschachtes und ca. 17 m am niederländischen Emsufer. Der Abstand zwischen Tunnelfirste und
der Sohle der Ems beträgt ca. 11,5 m.
In der Elster-Kaltzeit entstanden lang gestreckte Erosionsrinnen, die mit Sand, Schluff und Ton gefüllt wurden. In der nachfolgenden Saale-Kaltzeit erodierten die elsterzeitlichen Ablagerungen dann bereichsweise, und vor allem Sande und teilweise bindiger Geschiebeboden lagerten sich ab. Anschließend erodierten die älteren pleistozänen Ablagerungen in der Weichsel-Kaltzeit wiederum zum Teil und es entstanden darin tief eingeschnittene Schmelzwasserabflussrinnen, die sich noch im Laufe der Weichsel-Kaltzeit und infolge des allgemeinen Meeresspiegel- und Grundwasseranstieges mit Schmelzwassersanden unterschiedlicher Zusammensetzung und örtlichen Kieslagen füllten.
In der Nacheiszeit hat sich durch den andauernden Meeresspiegelanstieg die Küstenlinie landeinwärts verschoben und es wurden flächenhaft Wattsande mit bereichsweisen Kleilagen oberhalb der älteren pleistozänen Ablagerungen sedimentiert. Darüber lagerten sich flächenhaft aus Moor- und Marschbildungen hervorgegangene organische Weichschichten mit bereichsweisen Sandeinla-gerungen ab. Im Zuge der menschlichen Besiedelung des Emsmündungsgebietes entstanden schließlich noch flächenhafte und linienhafte künstliche Geländeaufhöhungen wie z. B. Flächenaufspülungen für Gewerbeansiedlungen und Deiche, die bis oberhalb der Hochwasserlinie der Ems reichen.
In den holozänen und weichselzeitlichen Sanden der Emsmarsch steht das Grundwasser wegen der Überdeckung mit gering wasserleitfähigen Böden überwiegend gespannt an. Es steht in hydraulischer Verbin-dung mit dem Wasserspiegel der Ems, der tideabhängigen Schwankungen unterworfen ist. In den elsterzeitlichen Sanden unterhalb des grundwasserstauenden Lauenburger Tons steht das Grund- bzw. Schichtenwasser ebenfalls gespannt an. Der maximale Wasserdruck in der Tunnelsoh-le beträgt bei Hochwasser ca. 3,0 bar.
Baustelleneinrichtung
Mit der Baustelleneinrichtung auf der deutschen Seite wurde im September 2008 begonnen. Die vom Bauherrn zur Verfügung gestellte Fläche direkt an der Ems ist in ihrer Ausdehnung ausreichend, um alle für den Vortrieb notwendigen Komponenten aufzunehmen (Bild 3). Der Startschacht mit einer maximalen Tiefe von 8 m besteht aus Spundwänden und einer Sohle aus Unterwasserbeton und wurde bereits im Dezember 2008 fertig gestellt (Bild 4).
Die für den Vortrieb notwendigen maschinentechnischen Einrichtungen wie die Separierung, die Bentonitmischanlage usw. wurden termingerecht auf der Baustelle aufgebaut und getestet. Die Andienung der TBM erfolgt mit Dieselloks. Insgesamt sind 3 Loks für den Vortrieb vorgesehen. Sie stammen von der Schöma und haben eine Leistung von jeweils 75 kW. Im Tunnel ist der Bau einer Ausweichstelle geplant, damit sich die Züge begegnen können.
Tübbinge
Der Ausbau des Tunnels erfolgt mithilfe von Tübbingen. Auf der Suche nach der effizientesten Lösung für den Querschnitt und die Bewehrung einigte man sich auf einen Tunnelinnendurchmesser von 3,0 m.
Ein Tübbingring besteht aus 5 Segmenten. Die Tübbingseg-mente sind 1,2 m breit und 0,25 m dick. Um das Auffahren von Raumkurven zu ermöglichen und zum Ausgleich von Fahrtoleranzen werden Uni-Ringe mit einer Konizität von jeweils 30 mm produziert. Bei der Frage der Bewehrung wich man von der konventionellen Bewehrung mit Stabstahl ab und entschied sich für den Einsatz von Stahlfasern. Als Zielvorgabe für die Genauig-keit der Tübbinge wurde die „ZTV-ING Teil 5 Tunnelbau Abschnitt 3 Maschinelle Schild-vortriebsverfahren“ vorgegeben.
Die Tübbingproduktion begann im September 2008 bei Rekers in Spelle/D. Die dortige Umlaufanlage kann mit 6 Schalsätzen den Bedarf an Tübbingen für die Baustelle sichern. Der Transport der Tübbinge erfolgt per Bahn zum Zwischenlager Emden (Lagerkapazität ca. 150 Ringe) und von dort zur Baustelle mithilfe von Lkw. Auf der Baustelleneinrichtungsfläche ist eine maximale Lagerkapazität von ca. 120 Ringen vorgesehen. Ein weiterer Puffer von insgesamt 800 Ringen steht bei Bedarf im Werk in Spelle zur Verfügung.
Tunnelbohrmaschine
Die durch die Arbeitsgemeinschaft BCE generalüberholte TBM (Bild 5) hat eine Länge von 12,68 m. Der Außendurchmesser beträgt am Schneidrad 3,78 m. Die Nachläufer wurden komplett neu hergestellt und haben eine Gesamtlänge von ca. 80 m (Bild 6). Die Anlieferung der Tübbinge erfolgt bis zum Wagen 5 des Nachläufers. Dort werden sie mithilfe einer Schnellentladung vom Zug gehoben. Von hier aus werden die Tübbinge einzeln mithilfe einer Einschienenhängebahn zum Wagen 3 des Nachläufers transportiert und auf dem Segmentfeeder abgelegt. Der Segmentfeeder transportiert die Tübbinge unter den Nachläufer 1–3 hindurch zum Erektor. Der Erektor nimmt die einzelnen Segmente auf und setzt sie zu einem Ring zusammen. Insgesamt 11 Vortriebspressen stützen sich im Anschluss daran auf dem Tübbingring ab (Bild 7).
Die TBM ist aufgrund der im Kapitel „Geologie“ beschriebenen geologischen Verhältnisse für den Hydroschildvortrieb ausgerüstet. Zur wirksamen Stützung der Ortsbrust wird in der Abbaukammer eine unter Druck stehende Bentonitsus-pension verwendet. Zusammen mit dem Abbruchmaterial wird die Suspension zum Startschacht auf deutscher Seite gepumpt. Dort befindet sich die für den anstehenden Boden von Wayss & Freytag eigens entwickelte Separieranlage, in der das Abbruchmaterial von der Suspension getrennt wird (Bild 8). Die Suspension wird aufbereitet und wiederverwendet. Der Abbruch wird nahe der Baustelle endgelagert.
Ausblick
Nachdem die Baustelleneinrichtungsfläche in Kürze mit allen für den Vortrieb wichtigen und benötigten Komponenten eingerichtet sein wird, kann der Vortrieb im Frühjahr 2009 beginnen. 10 Monate später wird unter günstigen Bedingungen mit dem Einziehen der Gasleitung begonnen werden können. Der Tunnel wird vor seiner Inbetriebnahme komplett verfüllt, sodass eine Begehbarkeit des Tunnels und eine Wartung des äußeren Mantels der Gas-leitung nicht vorgesehen sind. Bereits im September 2010 soll Gas durch die Leitung transportiert werden.