International Tunnel Forum: Neubau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur
Im Rahmen der Messe InnoTrans 2018 in Berlin veranstaltete die Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (STUVA) Ende September erneut das „International Tunnel Forum“ im CityCube auf dem Berliner Messegelände. Rund 130 Gäste konnte STUVA-Geschäftsführer Dr.-Ing- Roland Leucker an zwei Tagen zu informativen Expertenrunden begrüßen.
Das große Interesse der Zuschauer spiegelte sich in den lebhaften Frage- und Diskussionsrunden wider. Die Themen der Foren waren im Kern, dem Titel der Veranstaltung entsprechend, auf den Tunnelbau ausgerichtet, aber die moderierten Gesprächsrunden wurden an beiden Tagen auch in einem größeren Zusammenhang geführt. Die Grundfrage, mit der sich die Experten auf dem Podium und das Publikum auseinandersetzten, richtete sich auf Erhalt und Ausbau einer leistungsfähigen und modernen Infrastruktur, die den wachsenden Bedarf nach Mobilität bedienen und einen gut organisierten Warentransport mit ausreichenden Kapazitäten für die Gegenwart und die Zukunft sicherstellen kann. Lässt sich das erreichte Niveau erhalten und steigen? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Wie lässt sich der Infrastrukturausbau finanzieren, welche Rollen kommen den verschiedenen Verkehrsträgern zu, und wo liegen die Probleme bei der Genehmigung, der Planung und der letztendlichen Umsetzung auf den Baustellen? Mit besonderem Blick auf Deutschland nahmen die Foren dabei auch Bezug auf den aktuellen Verkehrswegeplan, in dessen Rahmen bis 2030 rund 270 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für Erhalt und Neubau der Verkehrsinfrastruktur des Landes bereitgestellt werden.
Aktuelle Herausforderungen
und langfristige Ziele
Das erste Forum lief unter der Überschrift „Langfristige Ziele im Tunnelbau: Investitionsstrategien für Neubau und Erneuerung.“ Als Teilnehmer der Podiumsdiskussion konnte Moderator Roland Leucker vier Fachmänner begrüßen: Dr.-Ing. Rainer Schwarzmann, Geschäftsführer der TTK – TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (Deutschland); Dipl.-Ing. Martin Muncke, Senior Strategie Experte, Asset Management und Strategische Planung, ÖBB-Infrastruktur AG (Österreich); Prof. Dr. Dirk Rompf, Vorstand Netzplanung und Großprojekte, DB Netz AG (Deutschland) und Dipl.-Ing. Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik, VDV – Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (Deutschland).
Martin Muncke erläuterte, wie die bestehenden Schienenstrecken durch viergleisigen Ausbau effizienter werden: Die Sortierung der verschiedenen Zugtypen vom Schnellzug bis zum Güterzug habe schon einige Kapazitätsprobleme lösen können. Die Digitalisierung der Schienenverkehrsregulierung durch den flächendeckenden Einsatz von ETCS (European Train Control System) werde zudem für kürzere Zugfolgezeiten im bestehenden Netz sorgen. Die komplette Umstellung auf ETCS soll in Österreich bis 2035 abgeschlossen sein.
„Die Zukunft der Schiene ist digital“, bestätigte Dirk Rompf. Er stellte die die Veränderung des Nutzerverhaltens – weg vom Individualverkehr – als alternativlos dar. Der Ausbau des Schienennetzes helfe Stauprobleme zu lösen, Klimaziele einzuhalten und das Wachstum der Metropolen zu bewältigen. In diesem Zusammenhang stellte Rompf auch die Rolle der Deutschen Bahn als Treiber für den Tunnelbau heraus und versicherte: „Der Tunnelbau in Deutschland ist nicht am Ende.“
Martin Schmitz bestätigte die wichtige Rolle des Tunnelbaus auch für den öffentlichen Regionalverkehr: „Für eine umweltschonende Mobilität müssen wir von der Oberfläche weg, um freie Bahn für die Züge zu haben. Das käme einer Trendwende gleich, wenn man die Einschätzung von Rainer Schwarzmann hört: „Der motorisierte Individualverkehr ist in der Vergangenheit viel stärker gewachsen als der öffentliche Verkehr. Allein um das Verhältnis der 1990 Jahre wieder zu erreichen, müsste das ÖPNV-Angebot in Deutschland mindestens verdoppelt werden.“
Das zweite Forum am Folgetag trug den Titel „Aktuelle Herausforderungen im Tunnelbau und Tunnelbetrieb“. Teilnehmer auf dem Podium waren: Chris Dulake, Civil Engineer, Major Project‘s Portfolio Director, Mott MacDonald (UK), Dr.-Ing. Stefan Franz, Projektleiter, DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deutschland); Dr.-Ing. Klaus Rieker, Bereichsleiter Tunnelbau, Wayss & Freytag Ingenieurbau AG (Deutschland) und Dr.-Ing. Peter Ruland, Geschäftsführer, Ramboll GmbH (Deutschland).
Diese Gesprächsrunde beschäftigte sich vor allem mit den wichtigen Themen des Fachkräftemangels, der langsamen
Genehmigungsverfahren und der fairen Vertragsgestaltung bei Bauprojekten.
Mit Blick auf den Verkehrswegeplan formuliere es Stephan Franz von der DEGES für den deutschen Infrastrukturausbau ebenso provokativ wie eindeutig „Wir haben Geld in rauen Mengen – es gibt eher einen Planungsrückstau als einen Investitionsstau.“ Ein Grund für ihn: Personalabbau in den Straßenbauverwaltungen und damit einhergehender Kompetenzverlust – „wir müssen hier für Nachwuchs werben.“ Klaus Rieker sieht das, auf die gesamte Branche bezogen, sehr ähnlich: Das Geld zum Bauen sei da und die Auftragsbücher im Bauhauptgewerbe gut gefüllt. Der aktuelle Fachkräftemangel werde aber vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie als „großes Risiko“ eingeschätzt. „Die Absolventenzahlen im Bauingenieursstudium legen zwar deutlich zu“, so Rieker, „aber sie werden den bestehenden Bedarf trotzdem nicht decken.“
Bauingenieur zu sein ist zurzeit einfach nicht sexy, konstatierte Peter Ruland, „aber die digitale Planung, das Building Information Modeling, das ist etwas, was die jungen Leute wieder begeistern könnte.“ Mehr Geld könnte auch mehr Begeisterung hevorrufen: „Der Bauingenieur wird schlechter bezahlt, als der Maschinenbau- oder der Elektrotechnik-Ingenieur. Das verringert natürlich die Attraktivität.“
Große Einigkeit in den Ansichten zum Thema Genehmigungsverfahren: Es muss schneller werden und einfacher gehen. In Deutschland verspricht man sich Abhilfe durch das Planungsbeschleunigungsgesetz des BMVI. Peter Ruland sprach auch ganz direkt den Missbrauch des in Deutschland möglichen Rechtsweges an, um Projekte zu verzögern oder aufzuhalten: „Da wird zwei Jahre um Umweltbelange prozessiert, dass es absurd ist, da fehlt jedes Maß.“ Er wünscht sich einen einstufigen Genehmigungsprozess bei großen Bauprojekten, durch eine Behörde oder auch durch Parlamentsentscheidungen – nicht aber durch den Instanzenweg. „Das Ziel, eine intakte Umwelt zu behalten soll dabei gar nicht in Frage gestellt werden“, so Ruland. Dass die Einbeziehung der Bevölkerung kein nebensächliches Marketing fürs Volk ist sondern für ein Projekt von vitalem Interesse sein kann, hatte schon Dirk Rompf von der DB am Vortag herausgestellt. „Der richtige Weg ist die Bürgerbeteiligung von Anfang an. Wir haben das schmerzhaft lernen müssen: wenn die Menschen erstmal auf den Bäumen sitzen, dann kriegen Sie die da nicht wieder runter.“