Die Hauptursache von Versinterungen
Versinterungen in Entwässerungssystemen sind seit langer Zeit ein großes Problem. Die Forschung auf diesem Gebiet konzentrierte sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die verwendeten Baustoffe und die gängigen Bautechniken. Dennoch ist es bis heute nicht möglich eine präzise Aussage darüber zu machen, ob und wie stark ein Neubautunnel davon betroffen sein wird. Dies hat sich nun geändert, denn es zeigt sich, dass der wichtigste Aspekt bei der Bildung von Versinterungen bislang nicht beachtet wurde – der CO2-Gehalt des anfallenden Bergwassers. Dabei sprechen wir hier nicht von CO2-Konzentrationen wie sie durch saure Böden und/oder Niederschläge verursacht werden, sondern von CO2-Konzentrationen, die nur durch den Zustrom von magmatischem CO2 zu erklären sind. Nur Zonen mit Zustrom von magmatischem CO2 können Versinterungen verursachen, die in der Praxis zu ernsthaften Problemen führen.
Versinterungen in Entwässerungssystemen (EWS) sind weltweit nach wie vor ein Problem. Trotz großer Anstrengungen in der Forschung und in der Praxis, ist es bislang nicht möglich eine zuverlässige Aussage darüber zu machen, ob ein geplanter Tunnel mit diesem Problem konfrontiert sein wird oder nicht.
Es ist vielleicht gerade noch möglich, anhand von Wasserproben aus benachbarten Bauwerken oder Probebohrungen, in einem Gebiet mit stark kalkhaltigem Bergwasser, eine Prognose abzugeben, die darauf hindeutet, dass mit Versinterungen zu rechnen ist.
In einem Gebiet, in dem keine Wasserproben oder bestehende Bauwerke zu Rate gezogen werden können, ist es aber fast unmöglich eine zuverlässige Prognose zu erstellen.
Der Grund dafür liegt in der bisher unbeachteten Tatsache, dass der wichtigste Faktor, der darüber bestimmt, ob es zu Ablagerungen kommt oder nicht, unbeachtet geblieben ist: Es ist der CO2-Gehalt des Bergwassers der die übrigen Einflussfaktoren dominiert. Dabei sprechen wir nicht von CO2-Konzentrationen wie sie durch saure Böden und/oder Niederschläge hervorgerufen werden, denn diese verursachen nur geringe Versinterungen. Es geht hier um CO2-Konzentrationen, die nur durch den Zustrom von magmatischen CO2 zu erklären sind, und diese können Versinterungen verursachen, die in der Praxis zu kostspieligen, ernsthaften Problemen führen.
Es ist das Ziel dieses Artikels, diesen Umstand publik zu machen, um den zukünftigen Schwerpunkt der Forschung neu zu definieren. Mit einer verlässlichen Aussage über die zu erwartende Bergwassermenge, verbunden mit deren CO2-Gehalt, ließen sich die wichtigsten Projektparameter bestimmen. Dazu gehören:
Aufbau des Tunnelquerschnitts
Spezifikation des EWS (Dimension, Abstände, Zugangsmöglichkeiten, Materialwahl)
Qualität des Ausbaus (insbesondere die Spritzbetonqualität)
Maßnahmen zur Konditionierung des Bergwassers (Einbau Rückführungssystem, Depotsteine)
Entscheidung über den Einsatz von versinterungstechnisch ungünstigen Baumaßnahmen wie Magerbeton, Sickerbeton, Recyclingkies, Injektionen, Jetting, Stabilisierung von Hinterfüllungen und dergleichen
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Unter Versinterungen verstehen wir gemeinhin die Bildung von Ablagerungen bei der Ausscheidung von Mineralien aus fließendem Wasser. Diese Ablagerungen setzen sich in Entwässerungssystemen von Untertagebauwerken fest (Bild 1). Neben dem Hauptbestandteil Kalk ist nur ein geringer Prozentsatz (1–5 %) anderer Mineralien darin enthalten.
Daneben sehen wir in seltenen Fällen Verockerungen (Eisenocker mit roter Farbe), die nicht hart werden und eine fettartige Konsistenz aufweisen. Sie spielen zwar keine große Rolle für das Bauwerk, wohl aber für die Identifikation von kohlensauren Bergwässern, denn in der Regel sind nur saure Wässer in der Lage Eisen aufzulösen. Stoßen Sie also auf rote Ablagerungen beim Bau eines Tunnels, sollte dies in Zukunft einen Alarm bei Ihnen auslösen.
2 | Hier stoßen wir an die Grenzen der konventionellen Reinigung mittels HD-Verfahren
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Eine konventionelle Methode Ablagerungen/Versinterungen zu entfernen, ist Hochdruckspülen mit Wasser (Bild 2), in schweren Fällen Fräsen und/oder Kettenschleudern der betroffenen Teile des EWS mit Spezialwerkzeugen (die aber einen starken Verschleiß der Anlagenteile verursachen können).
Auf der planerischen Seite stehen uns verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung Ablagerungen und deren Auswirkungen zu minimieren. Dazu gehört, an erster Stelle, der Einbau von genügend Versinterungs-Hohlraum [1], damit das Bergwasser die Möglichkeit erhält die Ablagerungen außerhalb des Bauwerks zu deponieren, ohne dass dabei gleichzeitig alle Zutrittswege verstopft werden. Wenn alle Fließwege so blockiert sind, baut sich ein Wasserdruck auf. Dies führt zu verstärkter Baustoffkorrosion, Schäden an der Bausubstanz und zu Kapazitätseinbußen des Tunnels aufgrund der erforderlichen Unterhaltsarbeiten.
Zu den weiteren wichtigen Maßnahmen, die helfen Ablagerungen zu minimieren, zählt der Verzicht auf bzw. der äußerst sparsamer Umgang mit Magerbeton oder durchlässigem Beton jeder Art. Dasselbe gilt für Injektionen, Recyclingmaterial aus Beton für Auffüllungen/Unterlagen usw., die in Kontakt mit Bergwasser kommen. Empfehlenswert ist der Einbau von Drainagerohren mit großen Öffnungen (> 200 cm2/m), der Verzicht auf Vliese rund um die Sickerpackungen (Verstopfung der Sickerpackung), die Anlage spülbarer Rohrabschnitte, die Wahl von besonders geeigneten Spritzbeton- und Betonrezepturen und vieles mehr.
3 | Servicearbeiten an einer Härtestabilisationsanlage. Die Vorratsbehälter beinhalten Mineralsalze für mehrere Jahre
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
In den vergangenen Jahren haben sich verschiedene Verfahren der Härtestabilisation (HS) zur Verhinderung von Ablagerungen durchgesetzt. Dies ist primär in der Schweiz der Fall, aber zunehmend auch in Deutschland, Österreich, Frankreich und Australien.
Flüssiganlagen (Bild 3): Diese befördern den Wirkstoff in flüssiger Form zum Beginn des Abschnitts mit den Ablagerungen. Dort wird der Wirkstoff zum fließenden Bergwasser hinzugefügt. Auf dem nachfolgenden Fließweg vermischt sich der Wirkstoff mit dem Bergwasser und schützt so vor neuen Ablagerungen.
Depotsteine: Depotsteine sind die einfachste Form der Härtestabilisation. Sie bestehen aus einer Wirksubstanz und einem Trägermaterial. Ins Wasser gelegt, löst sich die Wirksubstanz langsam auf und verhindert die Bildung von harten Kalkablagerungen. Das Trägermaterial bleibt zurück und kann ggf. wiederverwendet werden. Sie eignen sich beispielsweise für feingliedrige Entwässerungssysteme, die nicht immer Wasser führen. Die bekannteste Anwendung erfolgt aber in den Sickerpackungen der Drainageleitungen von Neubauprojekten. Während der Bauzeit (bis zu 5 Jahren) schützen sie das äußere (primäre) Entwässerungssystem vor Verstopfungen und halten so die Fließwege offen.
4 | Schema des Rückführungssystem, wie es für die Bauwerke von AlpTransit eingebaut wurde
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Rückführungssystem: Bei diesem System wird ein Teil (ca. 10 %) des zuvor konditionierten Bergwassers mit perforierten Schlauchleitungen in die Sickerpackungen der Drainagerohre zurückgeführt (Bild 4 + 5). Dort schützt es die Sickerpackung langfristig vor Ablagerungen und verhindert so frühzeitige Verstopfungen. So bleiben die Drainageleitungen langfristig funktionsfähig und verstopfen nicht. Das Rückführungssystem kann als Rückversicherung gegen frühzeitige Verstopfungen angesehen werden. Es lässt sich zudem partiell, d. h. nur in den Abschnitten in Betrieb nehmen, wo es wirklich nötig ist. Reduziert sich die Versinterungsbildung, so kann es jederzeit wieder außer Betrieb genommen werden.
5 | Einbau des Rückführungssystems (perforierte Schlauchleitungen), in Kombination mit Depotsteinen, die während der Bauzeit Verstopfungen verhindern. Aufnahme aus dem Ceneri Basistunnel
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Wirkstoffe die für die Härtestabilisation geeignet sind (für Depotsteine aller Größen und Formen sowie Flüssiganlagen):
Fruchtsäuren: Gut biologisch abbaubar ohne Stickstoff oder andere unerwünschte Verbindungen.
Salze: Mineralsalze aus Natrium, Magnesium oder Kalium sind am besten geeignet, um Ablagerungen zu verhindern. 70 % der Anlagen in der Schweiz verwenden Mineralsalze. Sämtliche angefragten Ämter für Umweltschutz empfehlen die Verwendung von Mineralsalzen.
Übrige Wirkstoffe: Sämtliche phosphat- oder stickstoffhaltigen Wirkstoffe sind hingegen für die Härtestabilisation ungeeignet und sollten nicht mehr verwendet werden.
Die Regionalverkehr Bern–Solothurn AG (kurz RBS) hatte für den Neubau ihres Bahnhofs in Bern ehrgeizige Ziele, wollte man doch möglichst die optimale Zusammensetzung der zum Einsatz kommenden Spritzbetonrezeptur entwickeln und verwenden. Es ist bekannt, dass wenig Alkalien, spärlich verwendete Zusatzmittel und ein möglichst dichter Beton positive Auswirkungen auf das Versinterungsverhalten ausüben [2, 3, 4, 5]. So wurden sechs besonders vielversprechende Mischungen getestet. Dabei handelte es sich um eine Referenzmischung (mittlere Qualität), Vigier CT 180, Holcim Robusto mit Sika, Juradur mit BASF sowie zwei weitere Rezepturen der BASF (auf eigene Rechnung). Unter anderem wurde das „Reduzierte Aussinterungspotential“ (RV) gemäß öbv-Merkblatt getestet. Alle Rezepturen erfüllten die Anforderungen (0,7 kg/t) ohne Probleme; die Referenzmischung war nur knapp ok. Die Auslaugraten lagen zwischen 0,3 und 0,59 kg/t, bei der Referenzmischung ergaben sich 0,71 kg/t. Verwendet wurde destilliertes Bergwasser.
Dieser Test (RV) wird stets mit destilliertem Wasser durchgeführt. Es stellt sich nun die Frage, ob sich das Versinterungsverhalten dieser Betonmischungen bei verschiedenen Bergwassertypen ändert – insbesondere bei jenem Wassertyp (Berner Bergwasser), der bereits im bestehenden benachbarten Tunnel (Bahnhof Bern) zu Tage tritt und deutliche Ablagerungen verursacht.
So wurde ein neuartiger Test in Angriff genommen, der darin bestand, dass Bohrkerne der sechs oben erwähnten Betonmischungen in Behälter aus PE gelegt und diese mit Berner Bergwasser aufgefüllt wurden (Bild 6). Die Behälter wurden danach unverändert stehengelassen. In regelmäßigen Abständen wurden die pH-Werte, die elektrische Leitfähigkeit der Wässer sowie das Gewicht der leeren Behälter (inkl. der sich neu bildenden Ablagerungen) gemessen. Um Ablagerungen schneller zu provozieren, wurden die Behälter offen stehengelassen, so dass sich durch die kontinuierliche Wasserverdunstung Ablagerungen bilden konnten (Aufsalzung).
6 | Sechs verschiedene Betonproben in den Behältern mit Berner Bergwasser
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Es zeigte sich, dass die Mischungen der Bohrkerne mit den Mineralwässern allesamt keine Ablagerungen an den Wänden der Behälter verursachten und dies trotz 50 % Verdunstung des Bergwassers. Es bildete sich in allen Behältern eine schleimige Oberfläche an den Behälterwänden – keine Spur von harten Ablagerungen (das Gewicht der Schleimschicht wurde mit 10–80 mg pro Behälter ermittelt). Lediglich das Berner Bergwasser, das ohne Bohrkern in den Behälter gelegt wurde und verdunstete, hatte nachher harte Ablagerungen (rund 133 mg im ganzen Behälter) an den Wänden. Das bedeutet, dass Berner Bergwasser keine Ablagerungen verursacht, wenn es in Kontakt mit frischem Beton kommt?! Woher stammen dann die Ablagerungen aus dem bestehenden Tunnel?
Unser Ingenieurbüro wiederholte diesen Versuch, verwendete dieses Mal aber verschiedene Wassertypen. Es zeigte sich, dass die drei Wassertypen ohne Kohlensäure (Destilliertes Wasser, Silence von Valser, Coop ohne CO2) nur wenige Bestandteile aus den Bohrkernen zu lösen vermögen (0–40 mg/l pro Tag). Die beiden Wässer mit CO2 (Valser und Coop mit CO2) lösen demgegenüber bereits im ersten Tag 10- bis 50-mal mehr Bestandteile aus dem Beton (300–500 mg/l pro Tag).
Abermals wurde der Versuch wiederholt; allerdings wurde nun fünf Mineralwässern nach einem Tag CO2 beigefügt. Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit der Wässer ergab, dass sich durch die Zugabe des CO2, die Menge der gelösten Inhaltsstoffe in einem einzigen Tag vervielfacht hatte (bis Faktor 50). Aber das Erstaunlichste war, dass sich nun an allen Behälterwänden Kalkablagerungen gebildet hatten – innerhalb einer Woche und ohne nennenswerte Verdunstung der Bergwässer (Tabelle 1).
Tabelle 1 | Auslaugraten bei verschiedenen Mineralwässern mit und ohne CO2 (blaue Schrift = größte Auslaugung). Die Messwerte der elektrischen Leitfähigkeit in μs/cm können näherungsweise als mg/l betrachtet werden
Es sieht so aus, als dass der Umstand, ob ein bestimmtes Bergwasser über CO2 verfügt, eine weitaus größere Rolle spielt als die Betonqualität, die zum Einsatz kommt. Es spielt demnach keine maßgebende Rolle, ob die Spritzbetonrezeptur noch z. B. 1 % Microsilica mehr enthält oder nicht. So wie es aussieht läuft nichts ohne CO2 ab. Nur CO2 verfügt über die Kraft den pH-Wert des Bergwassers so zu senken, dass es Kalkbestandteile aus dem Gestein und /oder der Betonverkleidung löst und im EWS wieder ablagert.
7 | Verbreitung der Säuerlinge in Europa, von Walter Carlé (1976)
Credit/Quelle: (1)
Nun könnte klar sein, weshalb wir in einigen Regionen Europas viel mehr Probleme mit Versinterungen haben als in anderen. Vergleichen wir dazu die Mineralwasserkarte von Walter Carlé mit den Säuerlingen Europas (Bild 7, [1]), so stechen uns einige Regionen ins Auge. In der Schweiz sind dies das Wallis und der Kanton Graubünden, die eine Vielzahl von Säuerlingen aufweisen und in vielen Tunnelbauwerken sehr starke Ablagerungen (meist mit roter Farbe) zu beklagen haben (Bild 8). Aber auch in solchen Regionen können einzelne Bauwerke massiv von Ablagerungen betroffen sein und andere in unmittelbarer Nachbarschaft zeigen keinerlei Probleme. Dies ist mit dem Zustrom von CO2-haltigem Bergwasser aus dem Untergrund zu erklären. Nur dort wo diese Zuflüsse aufgefahren werden, sehen wir massive Ablagerungen. Diese Ablagerungen (Stärke i. d. R. > 2 mm–20 cm pro Jahr) lassen sich nicht mit Ablagerungen vergleichen, die durch CO2-Anreicherung in der Bodenluft verursacht werden (Stärke < 2 mm pro Jahr).
8 | Eintritt von kohlesaurem Bergwasser in den Gotschnatunnel im Kanton Graubünden. Durch das Entweichen des CO2 kommt es zur Blasenbildung. Solche Wassereintritte sind ein Alarmzeichen für höchste Versinterungsgefahr
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Richten wir den Blick nach Deutschland und beobachten die Lage der Neubaustrecke Hannover–Würzburg, so führt diese mitten durch das längste und massivste Gebiet mit Säuerlingen von ganz Mitteleuropa. Es scheint nun einleuchtend, weshalb beispielsweise ein Mühlbergtunnel Ende der 1990er Jahre Reinigungskosten von gegen 1 Million DM (= 200 Spülnächte pro Jahr) vorzuweisen hatte und die DB AG für die Zukunft nur noch druckwasserhaltende Tunnelbauwerke erstellen wollte.
In bestimmten Regionen ist das Auftreten dieser Wässer vorhersehbar, wie beispielsweise in der Region um das Engandiner Fenster oder das Tauern Fenster. In anderen Regionen, wie dem Schweizer Mittelland, sind wir überrascht, dass wir hier auf CO2-haltiges Bergwasser stoßen.
9 | Brückenbauwerk zwischen den Tunnel Visp und Eyholz der A9 im Kanton Wallis
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
10 | Ablagerungen im WLK des Tunnel Eyholz
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Um all diese Behauptungen zu untermauern, haben wir uns auf den Weg gemacht und den zurzeit am ärgsten von Ablagerungen betroffenen Tunnel der Schweiz besucht. Es handelt sich dabei um den Tunnel Eyholz der A9 im Wallis (Bild 9). Wir stoßen hier auf massivste Ablagerungen in den Werkleitungskanälen (WLK) beider Tunnelröhren (Bild 10). Um den Gehalt an CO2 im Bergwasser nachweisen zu können, waren wir ausgerüstet mit pH-Meter, einem Messgerät für die elektr. Leitfähigkeit und einem CO2-Gasmessgerät (Bild 11). Wir haben beide Werkleitungskanäle auf der ganzen Länge untersucht. Das Schema in Bild 12 zeigt die wichtigsten Resultate.
11 | CO2-Konzentration in der Transportleitung
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
12 | Schema des Werkleitungskanals des Tunnels Eyholz mit den gemessenen CO2-Gehalten
Credit/Quelle: Büro M.C. Wegmüller
Der Gehalt an CO2 in der Atmosphäre beträgt aktuell ca. 420 ppm (1 ppm = 1,9888 mg/m3). Ausgehend vom Portal Staldbach, stoßen wir in der Südröhre bis zur Tunnelmitte auf fast normale Werte. Danach aber steigt die Konzentration des CO2 auf 3000 ppm und mehr an. Dies bei einer laufenden Ventilation und Absaugung der Luft (über zwei Absaugventilatoren in der Mitte des WLK) die pro Stunde je rund 10 650 m3 Luft, aus beiden Werkleitungskanälen, absaugen und in den Fahrraum wegbefördern. Die Konzentration an CO2 im Fahrraum ist dagegen mit rund 500 ppm beinahe unbelastet. Die Zonen mit dem CO2-Anstieg decken sich mit den Zonen der stärksten Ablagerungen. Dies sieht man am deutlichsten beim Portal Grosshüs. Dort wurde auf den letzten 550 m eine Vollabdichtung um beide Tunnelröhren eingebaut. Das Bergwasser entgast hier (Gefällewechsel) auf den letzten 500 Meter so stark, dass der pH-Wert von 6,7 des Rigolen-Wassers (15 l/s) auf 8 ansteigt. Gleichzeitig sinkt die CO2-Konzentration in der Umgebungsluft von 2000 ppm auf 421 ppm (Atmosphären-Niveau). Die Ablagerungen erreichen hier, in der Rigole des WLK, 3–4 cm pro Jahr und sind hart wie Fels.
Aus den beiden Werkleitungskanälen entweichen pro Jahr rund 500–1000 Tonnen magmatisches CO2. Auf dieser Strecke entspricht das einer Verkehrsbelastung von rund 5000 Fahrzeugen pro Tag. Das CO2 entweicht dabei nicht nur aus dem Bergwasser, sondern diffundiert durch die Betonverkleidung (Risse und Fugen) ins Innere der beiden WLKs. Es gibt dadurch Stellen im WLK die Schwankungen in den CO2-Konzentrationen aufweisen (von 2000 bis 4000 ppm innerhalb 10 Minuten) und die lassen sich bislang nur durch alternierende Gaszutritte erklären. Es ist ein Glücksfall, dass dieser Tunnel über eine starke Ventilation in beiden WLKs verfügt, die es ermöglichen die effektiv anfallenden CO2-Konzentrationen exakt zu ermitteln. Es ist nicht abzusehen wieviel CO2 allein aus diesem Berg pro Jahr entweichen.
Gehen wir mal davon aus, dass es sich hier nicht um ein einzelnes Phänomen handelt, so kann man sich vorstellen wie groß die Mengen an CO2 sein müssen, die bislang praktisch unbemerkt auf diesem Weg in die Atmosphäre gelangt sind. Magmatisches CO2 ist zwar bekannt, die Verbreitung und Größenordnung, in der es auftreten kann, ist aber neu, und das ist gerade für ein Tunnelentwässerungssystem von entscheidender Bedeutung. Summieren wir alle CO2-Austritte aus dem Untergrund, die weltweit in die Atmosphäre gelangen, so könnte dies einen Beitrag ergeben, der bei den Klimamodellen vergessen wurde.
Wir haben in der Folge eine Reihe anderer Tunnel untersucht. Die gemessenen CO2-Konzentrationen decken sich in 95 % der Fälle mit den vorhandenen Ablagerungen. In den restlichen Fällen könnten auch die Messbedingungen (zu wenig Wasser, Betonkarbonisation usw.) eine Rolle gespielt haben. Die Messwerte sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Tabelle 2 | CO2-Messungen anderer Tunnelbauwerke
Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass ein CO2-Gehalt von bis zu 600 ppm in den Schächten eines Entwässerungssystems eher moderate Ablagerungen bedeuten. Zwischen 600 und 2000 ppm erwarten wir mittlere bis starke Ablagerungen. Ab 2000 ppm sehen wir uns nur noch starken Ablagerungen gegenüber. Werte über 10 000 ppm machen Spülaktionen in einem Abstand von maximal drei Monaten notwendig.
Die bisherigen Untersuchungen auf diesem Gebiet befassten sich fast ausschließlich mit der Qualität der verwendeten Baustoffe. Diese Untersuchungen waren sicher nicht falsch, aber sie haben den wichtigsten Aspekt übersehen – den natürlichen Zustrom von magmatischem CO2 aus der Tiefe.
Dieser Mechanismus hat nichts zu tun mit der Anreicherung von CO2 im Regenwasser in den obersten Erdschichten – dort entstehen viel niedrigere Konzentrationen, und die Ablagerungen, die dadurch verursachen werden, sind gering und kurzfristiger Natur. Wir sprechen hier von CO2-Zutritten aus dem Erdinnern. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass rund 10–20 % aller Tunnelbauwerke der Schweiz davon betroffen sind. Dies führt in allen Fällen zu massiven Ablagerungen. Die Forschung auf dem Gebiet der Entwässerungssysteme/Versinterungen muss sich in Zukunft diesem Aspekt mehr widmen.
Eine CO2-Prognose sollte grundlegend für zukünftige Untertagebauwerke sein. Die Prognose muss während der Bauzeit angepasst und dokumentiert werden. Sie kann die Entscheidung über den Aufbau des Querschnitts, die Materialwahl und die Bauverfahren maßgebend beeinflussen. Zudem liefert sie die Grundlage für die Unterhaltung des zukünftigen EWS.
Tunnelprojekte im Bau könnten anhand der neu gewonnen Erkenntnisse ggf. angepasst werden, Gefahrenzonen können lokalisiert werden (Stichwort: Brenner Basistunnel – Tauernfenster). Natürlich wäre es auch sinnvoll Sanierungsprojekte im Vorfeld bezüglich der CO2-Situation zu untersuchen
Tunnelprojekte, bei denen man viel in die Verfahren der Härtestabilisation investiert hat, könnten bzgl. Umfang und Zweckmäßigkeit überprüft werden, indem man die CO2-Situation vor Ort untersucht (Stichwort: Rückführungssystem Koralmtunnel).
Stoßen Sie auf saures Bergwasser in magmatischen Gesteinen ohne Kalkanteile (z. B. Granit), so müssen Sie eine hohe Betonqualität für ihren Tunnel verwenden, denn hier wird das Bergwasser den Beton auslaugen. Diese Ablagerungen sind weiß und gehen mit den Jahren langsam zurück. Stoßen Sie auf saures Bergwasser in Gesteinen mit Kalk, so reicht eine normale Betonqualität aus, denn in diesem Fall wird das Bergwasser ihren Beton nur ganz geringfügig auslaugen, weil es schon vollständig mit Kalk gesättigt ist. Diese Ablagerungen sind farbig und werden mit den Jahren nicht zurückgehen.
Es müssen vertiefte CO2-Messungen erhoben werden, in die z. B. auch Gebiete mit hohen Radongehalten und/oder Karstgebiete einzubeziehen sind. Es sollten dann Abschätzungen möglich sein wie viel CO2 überhaupt weltweit laufend aus dem Untergrund entweicht. Diese Menge wird mit Sicherheit viel größer sein als bisher vermutet und könnte die Berechnung der Klimamodelle beeinflussen. Es sind nicht nur Vulkane, die CO2 ausstoßen. Es wäre auch sinnvoll sich Gedanken darüber zu machen, wie der Zustrom von CO2 in den Meeren aussieht – beispielweise, ob Gasblasen zu beobachten sind oder sich die Anreicherung bereits im Felsuntergrund abspielt und dadurch nicht sichtbar ist.