Brenner Basistunnel: Wichtigkeit
der Vorerkundung
Die geologische Vorerkundung und die kontinuierliche Begleitung beim Tunnelbau sind von fundamentaler Bedeutung. Vom später durchgehenden ca. 60 km langen Erkundungsstollen beim Brenner Basistunnel wurden bis Jahresende 2012 über 16 km bereits ausgebrochen. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den bisherigen Stand.
1 Einleitung
Die geologische Vorerkundung und die kontinuierliche Begleitung beim Tunnelbau sind von fundamentaler Bedeutung für einen verantwortbaren Vortrieb. Am Beispiel des Brenner Basistunnels werden die bisherigen Erfahrungen mit dem Vortrieb des Erkundungsstollens dargestellt und die neuen Erkenntnisse erklärt. Auch hat sich die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Aufzeichnung der Geologie, deren Dokumentation und deren geotechnischen Klassifikation möglichst zeitnah mit dem Vortrieb gezeigt, um die sichtbaren Erkenntnisse in sogenannten Tunnelbändern zu dokumentieren [1].
Die Vortriebsarbeiten beim Brenner Basistunnel wurden im August 2007 begonnen. Zuerst mussten die seitlichen Fensterstollen mit den Baustellenzufahrten und Deponieflächen errichtet werden. Vom später durchgehenden ca. 60 km langen Erkundungsstollen wurden bis Jahresende 2012 über 16 km bereits ausgebrochen (Bild1).
2 Technische Kenndaten des Brenner Basistunnels
2.1 Verlauf des Brenner Basistunnels
Der Brenner Basistunnel verläuft zwischen Tulfes/Österreich und Franzensfeste/Italien und weist eine Gesamtlänge von 64 km auf. Die maximale Längsneigung beträgt in den Hauptabschnitten 6,7 ‰. Mittig unterhalb der beiden Haupttunnel wird abschnittsweise vorauseilend ein durchgehender Erkundungsstollen gebaut [2]. Dieser dient hauptsächlich dazu, das Gebirge zu erkunden, das Baurisiko zu vermindern und sowohl Baukosten als Bauzeiten zu optimieren [3]. Während der Betriebsphase dient dieser Erkundungsstollen als Entwässerungskanal, wo unabhängig von den Hauptstollen sowohl eine Überwachung als auch Erhaltungsarbeiten nahezu unabhängig vom Betrieb durchgeführt werden können (Bild 2).
Die wichtigsten Kenndaten des Brenner Basistunnels sind:
Länge: 55 + 9 = 64 km
Längsneigung: 5,0 bis 6,7 ‰
Scheitelhöhe des Basistunnels: 795 m ü.d.M.
Nettoquerschnitt der Hauptröhren: ca. 43 m2
Abstand der Querschläge: 300 m
2.2 Wichtige geologische Zonen
Die Tunneltrasse führt durch den zentralen Teil der Ostalpen, die durch die Kollision der europäischen und der adriatischen Platte entstanden sind. Begleitet wird diese Gebirgsbildung von Störungen und Störungszonen. Mit der Periadriatischen Störungszone im südlichen Teil bei Mauls (Südtirol) kreuzt eine bedeutende tektonische Störungslinie der Alpen mit einer Gesamtlänge von 700 km und einer Breite von etwa 1300 m die Tunnelachse.
Die wichtigsten geologischen Zonen mit den entsprechenden haupttektonischen Einheiten entlang des Brenner Basistunnels von Innsbruck bis nach Franzensfeste sind (Bild 3):
Innsbrucker Quarzphyllit (Ostalpin)
Bündnerschiefer (Penninikum – Tauernfenster)
Untere Schieferhülle (Subpenninikum – Tauernfenster)
Zentralgneis – Brennermassiv (Subpenninikum – Tauernfenster)
Untere Schieferhülle und Bündnerschiefer wechselnd (Tauernfenster)
Glimmerschiefer (Ostalpin)
Maulser Tonalitlamelle/Periadriatische Störungszone
Brixner Granit (Südalpin)
Vereinfacht liegen damit von Nord nach Süd 4 Haupt-Gesteinstypen vor.
Quarzphyllit: Der Innsbrucker Quarzphyllit ist ein metamorphes, geschiefertes Gestein, das sich hauptsächlich aus den Mineralen Quarz und Glimmer zusammensetzt.
Schiefer: Bei den Bündnerschiefern und der Unteren Schieferhülle handelt es sich marine Sedimente und untergeordnet magmatische Gesteine, die im Zuge der Alpenbildung eine Metamorphose erfahren haben. Ein charakteristisches Merkmal stellen die ausgeprägten Schieferungsflächen dar. Die wichtigsten Gesteine sind Kalkglimmerschiefer, Kalkphyllite, Schwarzphyllite und Grünschiefer. Die volumetrisch wichtigsten Minerale sind Kalzit, Glimmer und Quarz sowie Amphibole in den Grünschiefern. Die Schwarzphyllite beinhalten immer auch Graphit.
Gneis ist ein grob geschiefertes, kristallines Gestein, das durch die Metamorphose während der Alpenbildung aus granitischen Gesteinstypen entstanden ist. Die sogenannten „Zentralgneise“ bestehen hauptsächlich aus den Mineralien Feldspat, Quarz und leicht untergeordnet Glimmer.
Granit ist ein massiges, kristallines, magmatisches Gestein. Der mittel- bis feinkörnige Brixner Granit besteht ähnlich dem Gneis aus Feldspat, Quarz und untergeordnet Glimmer, ist jedoch nicht geschiefert.
3 Übersicht und Inhalte der Erkundungsphasen im Hinblick auf die geologisch-geotechnische Planung
Die geologische Erkundung für den Brenner Basistunnel erfolgte in mehreren Phasen. Aufbauend auf bestehende Machbarkeitsstudien (u.a. [4]) folgte 1999 bis 2002 (Vorprojektphase I) die wesentliche geologische Erkundung. In dieser Phase wurde der Kenntnisstand des Projektgebietes in Bezug auf die allgemeine geologische Situation sowie auch hinsichtlich seiner Eigenschaften als Baugrund für einen tiefliegenden Tunnel erweitert. Es wurden sämtliche verfügbaren geologischen Bestandsdaten erhoben und zusammengeführt. Eine erste Kampagne von Tiefbohrungen entlang der Trasse gab Aufschluss über die geologischen Verhältnisse in der Tiefe. Zudem wurden strukturgeologisch-geotechnische Geländedaten entlang der gesamten Trasse aufgenommen und einzelne Detailkartierungen durchgeführt. Ein besonderes Augenmerk wurde bereits in dieser Phase auf die Lokalisierung und die Ausbildung von Störzonen gelegt [5]. In der Projektphase II, der eigentlichen Planungsphase für das Genehmigungsprojekt, wurden zwischen 2004 und 2006 zahlreiche Tiefbohrungen abgeteuft, geologische Kartierungen durchgeführt und strukturgeologisch-geotechnische Detailaufnahmen in einer Vielzahl an Aufschlüssen sowie an ausgewählten Bohrkernstrecken durchgeführt. Zudem wurde auch die baugeologische Dokumentation aus dem 1990 bis 1994 ausgebrochenen Umfahrungstunnel bei Innsbruck, welcher Teil des gesamten Brenner Basistunnelsystems wird, ausgewertet. Ein wesentliches Ergebnis dieser Phase war die Untergliederung des Projektraumes in geologische Homogenbereiche [6]. Die detaillierte Aufnahme von Aufschlüssen im Bereich von Störungen, die bestimmten Systemen zugeordnet werden konnten, ergab zudem ein Bild zur generellen Ausbildung von Störungen des jeweiligen Systems [7]. Basierend auf den Daten und Ergebnissen aus den Projektphasen I und II wurden im Zuge der Einreich- und Genehmigungsplanung die wesentlichen geotechnischen Prognosen für den Baugrund der verschiedenen Bauwerke erstellt.
4 Geologischer Rahmen für den Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental
Der Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental verläuft zur Gänze im Innsbrucker Quarzphyllit. Dieser ist eine intern verfaltete und vermutlich auch verschuppte ostalpine Einheit am Nordrand des westlichen Tauernfensters. Er grenzt im Süden über eine duktile Scherzone an die Gesteine des Tauernfensters und im Westen über die Brenner-Abschiebung an das Ötztal-Stubai-Kristallin. Im Norden taucht der Quarzphyllit unter die quartären Sedimente des Inntals ab, in dem die Inntal-Störung verläuft. Der Innsbrucker Quarzphyllit besteht zum überwiegenden Teil aus quarzreichen Phylliten (Quarzphylliten), Glimmerschiefern und Quarzitschiefern mit Einschaltungen von Grünschiefern, Marmoren, Orthogneisen und Graphitphylliten. Die volumetrisch weitaus wichtigsten Mineralbestandteile sind Quarz, Glimmer und Chlorit in wechselnden Verhältnissen mit Beimengungen von Feldspat. Daraus ergeben sich die Gesteinstypen Phyllit, Quarzphyllit, Glimmerschiefer und Quarzitschiefer. Im Fall der untergeordnet auftretenden Gesteinstypen treten weitere Minerale hinzu bzw. in den Vordergrund. Es sind dies Kalzit und Dolomit bei den Marmoren, Amphibole bei den Grünschiefern und Graphit bei den Graphitphylliten. Die relevanten Störungssysteme im Innsbrucker Quarzphyllit lassen sich gliedern in das Inntal-, Wipptal-, Halsl- und Ahrental-Störungssystem. Diese Systeme waren bereits aus den Erkundungsphasen bekannt.
5 Geologisch-Geotechnische Dokumentation und Erkenntnisgewinn beim Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental
5.1 Geologisch-geotechnische Dokumentation
Seit Februar 2010 wird der Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental im Sprengvortrieb von Innsbruck aus nach SSE vorgetrieben. Mit derzeitigem Stand (Jänner 2013) sind ca. 4150 Tunnelmeter ausgebrochen. Das entspricht dem Projektkilometer 6+250. Von Juli 2010 bis Oktober 2012 wurde auch der ca. 2400 m lange Zugangstunnel Ahrental in ENE-Richtung vorgetrieben. Der Zugangstunnel Ahrental trifft bei Tunnelmeter 3630 auf den Erkundungsstollen und gehört ebenso zum Erkundungslos Innsbruck-Ahrental.
Der Vortrieb wird gemäß aktuellen Standards baugeologisch dokumentiert, wobei mit der Aufnahme von mindestens jedem zweiten Abschlag eine große Dichte an Daten erhoben wird.
Basierend auf der baugeologisch-geotechnischen Dokumentation (Fotodokumentation, Abschlagsberichte, periodische Berichte, Schlussberichte, Tunnelbänder und Schnitte) wird das bestehende geologische Modell aus der Einreichplanung laufend aktualisiert. Die grundlegenden Dokumente sind in diesem Fall ein horizontaler Schnitt auf Tunnelniveau, auf dem das Streichen der Strukturen und lithologischen Einheiten eingetragen werden und ein Störungskataster. In diesem wird jede relevante Störung erfasst und im Detail beschrieben.
5.2 Erkenntnisgewinn durch den Erkundungsstollen
5.2.1 Geologie
Hinsichtlich des Aufbaus sowie der generellen Position und Lagerung der lithostratigraphischen Einheiten hat sich das Bild aus der Prognose in seinen wesentlichen Zügen bisher bestätigt. Dies gilt auch für das grundsätzliche Auftreten von Störungen der prognostizierten Störungssysteme. Das bedeutet, dass Störungen aller 4 aus den Erkundungsphasen bekannten Systeme im Innsbrucker Quarzphyllit bereits aufgetreten sind. Umgekehrt konnte ein wesentlicher Teil der aufgefahrenen Störungen den Systemen aus der Prognose zugeordnet werden. Dennoch lassen sich inzwischen in mancher Hinsicht auch Abweichungen vom Prognosemodell wie nachfolgend beschrieben erkennen.
a) Lokalisierung konkreter Störungen
In den geologischen Prognoselängsschnitten für den Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental und für den Zugangstunnel Ahrental waren zahlreiche Störungen auf Tunnelniveau prognostiziert worden. Neben der Verschnittposition samt ihrem Schwankungsbereich werden weitere maßgebliche Parameter wie Orientierung, Mächtigkeit, Störungsgesteine etc. angegeben.
Für den bereits ausgebrochenen Teil des Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental ist dabei festzustellen, dass – die angegebene Prognose-Unschärfe mitberücksichtigt – nur ein geringer Teil der prognostizierten Störungen an den vorhergesagten Stellen aufgetreten sind. Für den Zugangstunnel Ahrental hingegen konnten einige steil nach W einfallende Störungen des Wipptal-Störungssystems relativ exakt prognostiziert werden (Bild 4). Neben den Störungen, die von der Oberfläche auf Tunnelniveau extrapoliert worden waren, ist hier auch die Störung Pa01-054 zu erwähnen. Diese wurde aus der ca. 300 m entfernten Bohrung Pa-B-01/04s in den Längsschnitt projiziert. Die Orientierung der Störung wurde dabei mittels bohrlochgeophysikalischer Methoden (Akustik-Log) bestimmt. Die Prognose sah richtigerweise auch vor, dass - neben den vorhergesagten Strukturen - vor allem im westlichen Abschnitt des Tunnels noch weitere Störungen des Wipptal-Systems auftreten werden, die nicht exakt lokalisierbar sind. Abweichungen zwischen der Prognose und den angetroffenen Verhältnissen ergeben sich aus den nicht dokumentierten steilstehenden Störungen im östlichen (rechten) Teil des Prognose-Längsschnitts und nicht aus vorhergesagten flachliegenden Störungszonen.
Die beiden Tunnel liegen unter dem östlichen Mittelgebirge südlich von Innsbruck. Das Gebiet weist größtenteils ein sanftes Oberflächenrelief auf. Der Untergrund besteht über weite Bereiche aus quartären Lockersedimenten. Eine intensive anthropogene Überprägung ist im gesamten Bereich festzustellen und im Fall des Erkundungsstollens liegt an der Oberfläche teilweise eine dichte Besiedlung vor. All diese Eigenschaften machen eine „möglichst lückenlose“ Kartierung der Störungen an der Oberfläche unmöglich.
b) Flache Störungen
Wie bereits erwähnt, wurden im Zugangstunnel Ahrental flach in nordwestlicher Richtung einfallende Störungszonen aufgefahren, die nicht in dieser Art und Weise prognostiziert waren. Die Störungen werden aufgrund der Streichrichtung dem Ahrental-Störungssystem zugerechnet. In der Prognose sieht dieses jedoch mittelsteil bis steil einfallende Strukturen vor. Die mehrfach auftretenden Störungen hatten Core Zone-Mächtigkeiten von annähernd 10 m. Die Störungen des Ahrental-Störungssystems werden von den steilstehenden Störungen des Wipptal-Störungssystems versetzt und lateral abgeschnitten.
Die Prognose flachliegender Störzonen in der Tiefe stellt ein bekanntes Problem bei der Planung von Tunnelbauwerken dar [10]. Wenn an ihnen nicht gerade 2 unterschiedliche tektonische Einheiten aneinandergrenzen, so sind diese Strukturen an der Oberfläche schwer auszumachen. Der Hauptgrund liegt wohl darin, dass sie im Gegensatz zu den Lineamenten entlang von steilstehenden Sprödstörungen kaum morphologisch in Erscheinung treten. Ihr Ausbiss an der Oberfläche würde bestenfalls eine von Lockermaterial überlagerte, terrassenförmige Verflachung bilden. Im Bereich des äußeren Wipptales mit seinen zahlreichen quartären Terrassen und Geländestufen stellt dies eine nicht identifizierbare Oberflächenform dar. Hinzu kommt der vermutliche Versatz durch die Störungen des Wipptal-Störungssystems. Dadurch werden die flachliegenden Störungen lateral begrenzt und stellen keine markant durchgängigen Strukturen dar.
c) Ausbildung von Störungen und Störungsgesteinen
Die prognostizierten Gebirgsmodelle für die verschiedenen Störungssysteme im Innsbrucker Quarzphyllit sehen abgesehen von den Mächtigkeiten und den Orientierungen alle einen vergleichbaren Aufbau der Störungszonen vor (siehe auch [1]): Sie bestehen aus einer sich verzweigenden Core Zone im zentralen Bereich umgeben von Damage Zones zu beiden Seiten (Bild 5). Das Material der Core Zone wird mit Kakirit (= kohäsionslose Störungsbreccie) und untergeordnet Fault Gouge (= bindiger Störungsletten) angegeben. Das Material der Damage Zone wird mit „Auflockerungszone“ beschrieben. Dieses zeigt eine deutlich erhöhte Trennflächendichte entsprechend den im Gelände aufgenommenen Parametern (Orientierung, Abstand, Länge).
In den im Quarzphyllit zwischenzeitlich aufgefahrenen Störungszonen besteht das Material der Damage Zones aus tektonisch aufgelockertem Quarzphyllit mit zahlreichen geringmächtigen Scherbahnen und Harnischflächen. Dies entspricht durchaus der geologisch-geotechnischen Prognose. Deutlichere Abweichungen ergeben sich jedoch in Bezug auf den Aufbau der Core Zones. Diese werden zum überwiegenden Teil aus stark durchbewegtem Phyllit aufgebaut, der geprägt ist durch engständige, meist intensiv und unregelmäßig verfaltete Schieferungs- und Scherflächen und einer deutlichen Entfestigung entlang dieser Flächen. Dieses für den Quarzphyllit typische Störungsgestein kann noch nicht als „lockergesteinsartig“ und damit auch nicht als Kakirit angesprochen werden. Es wird dafür die Bezeichnung „geschieferter Protokataklasit“ verwendet. Darin eingeschaltet treten meist mehrere geringmächtige Scherbahnen bestehend aus Fault Gouge auf.
5.2.2 Gebirgskennlinien
Unter Berücksichtigung der Bandbreiten der geotechnischen Kenndaten ergeben sich ganz unterschiedliche Gebirgskennlinien, wie dies beim Erkundungsstollen Innsbruck-Ahrental aufgezeigt wird. So entstehen bei einem Gebirgsdruck (Ausbaustützdruck) von 1 Mpa radiale Hohlraumverformungen zwischen 2 mm (höhere Werte) und 8 mm (tiefere Werte) (Bild 6).
Die gemessenen Verformungen im Erkundungsstollen werden den durch das Kennlinienverfahren bzw. durch numerische Simulationen (Flac 2D bzw. 3D) berechneten Größen gegenübergestellt. Damit gelingt es ansatzweise durch Modellsimulationen das Gebirge zu beschreiben und für den Haupttunnel gezielter zu bewerten.
6 Erkenntnisgewinn beim Erkundungsstollen Aicha – Mauls
Der über 10 km lange Erkundungsstollen Aicha - Mauls befindet sich zur Gänze im Brixner Granit. Die geologische Prognose sah 18 Störungen vor; davon wurden 8 Störungen angetroffen. Im Bereich bei Tunnelmeter 2560 wurde eine nicht prognostizierte Störung angetroffen, welche geringe Deformationen und Rissbildungen in den Tübbingen verursachte. Die mächtigste Störung ist die Weissenbachstörung, welche bei Tunnelmeter 5830 mit einer Mächtigkeit von 50 m prognostiziert war. Diese Störung trat früher, also bereits bei Tunnelmeter 5760 bis 5864 auf. Sie war begleitet von zahlreichen Wasserzutritten. Bei Tunnelmeter 6151 wurde eine ca. 5 m mächtige zum Tunnel parallel verlaufende nicht prognostizierte Störung angetroffen. Diese geologisch eher unbedeutende Störung verursachte jedoch durch ihre parallele Orientierung zur Tunnelachse starke Deformationen bis zu 60 cm der Tübbinge. Es kam zu einem knapp 4-monatigen Stillstand der Tunnelbohrmaschine.
Für den Erkundungsstollen Aicha - Mauls gab die Prognose 150 l/s (stabilisiert) und 290 l/s (maximal) an. Tatsächlich zeigt der Trend eine stabilisierte Schüttung von 70 l/s. Die maximalen Schüttungen lagen bei ca. 200 l/s.
Die Prognosen für den Gesamtwasserabfluss aus dem Fensterstollen Mauls waren 25 l/s (stabilisierte Schüttung) und 230 l/s (maximale Schüttung). Tatsächlich liegt die stabilisierte Schüttung bei ca. 6 l/s und die maximale Schüttung bei ca. 10 l/s.
Aus 180 Proben aus dem Erkundungstunnel Aicha wurde eine Wichte des Gesteins von 2,67 kN/m³ ermittelt. Die einaxiale mittlere Druckfestigkeit beträgt dabei 142 MPa (Standardabweichung 33 MPa). Die Prognose war mit einer mittleren einaxialen Druckfestigkeit von 133 MPa angegeben. Die mittlere Abrasivität nach Cerchar ergab 3,87 (Standardabweichung 0,67).
Der Brixner Granit zeigt ein standfestes Gebirgsverhalten. In einzelnen Fällen kam es zu bergschlag-ähnlichen Phänomenen. Im Bereich der Damage Zone von Störungen kam es zu instabilen Ortsbrüsten. Diese wurden durch zusätzliche ungünstige Kluftsysteme hervorgerufen. Im Bereich der Core Zone der Störungen kam es vereinzelt zur tiefgreifenden Überbeanspruchung des Gebirges (Bild 7).
7 Erfassung des Gebirgsverhaltens
Beim konventionellen Tunnelausbruch verformt sich das Gebirge je nach geologischer Formation in einer ersten Phase nach der Sprengung bis zur Aufbringung der Erstsicherung. Diese volumetrische Verformung und deren Ausmaß ist Teil einer Untersuchung, um verbessert das mechanische Verhalten des Ausbaues zu definieren.
Die Prognose des Gebirgsverhaltens (auch des Systemverhaltens) wird für einen Bereich bis zu 20 m vor der aktuellen Ortsbrust vorgenommen. Durch den Ausbruch des Tunnels entspannt sich vor der Ortsbrust das Gebirge. Durch in-situ Messungen (Extensometer, Inklinometer etc.) werden die Verformungen und deren zeitliche Komponente erfasst und mit theoretisch ermittelten bzw. prognostizierten Werten verglichen (Bild 8).
Die ersten durchgeführten Messungen ergaben zwar noch nicht wesentliche neue Erkenntnisse; sie helfen jedoch vertiefende sowohl experimentelle in-situ Versuche als auch numerische Vergleichsrechnungen durchzuführen. Es zeigte sich, dass unmittelbar nach der Sprengung die Verformungen sich im Millimeter-Bereich bewegen (Bild 9).
Theoretisch kann die radiale Verformung des Gebirges mit verschiedenen Theorien beschrieben werden. Die Vorverformung u0 kann nach Panet mit Formel 1 abgeschätzt werden.
Die Abnahme der Radialverformung mit zunehmender Entfernung x von der Ortsbrust wurde von Sulem, Panet, Guenot, 1987 mit Formel 2 abgeschätzt.
8 Schlussfolgerungen
Die mehrphasige Erkundung basierend auf geologischen Oberflächenaufnahmen in den verschiedensten Maßstäben und zahlreichen Tiefenbohrungen entlang der Trasse ergab geologische Modelle des Gebirges, die sich bisher als allgemein richtig erwiesen haben. Im Nahbereich der Bohrungen konnten für die Tiefe punktuell sogar Prognosen mit hoher Detailschärfe erstellt werden. Allerdings weisen diese Prognosemodelle entlang der Trasse große Schwankungen hinsichtlich der Prognosesicherheit auf. Dies betrifft besonders die Vorhersage konkreter Störungen auf Tunnelniveau.
Für tiefliegende, lange Tunnel ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass neben einer guten Oberflächenkartierung und Erkundungsbohrungen soweit möglich auch Erkundungsstollen ausgebrochen werden sollten. Beim Brenner Basistunnel hat sich diese Wichtigkeit bereits jetzt bestätigt, da damit eine wesentlich bessere Erfassung des Gebirges und damit ein risikoärmerer weiterer Ausbruch der Haupttunnelröhren möglich ist.
Literatur/References
[1] Töchterle, A.: Reinhold, C. (in Druck): Ermittlung der geomechanischen Kennwerte von Störungszonen im Innsbrucker Quarzphyllit auf Basis der Erkundungsergebnisse beim Brenner Basistunnel. 19. Tagung für Ingenieurgeologie, 13.-16. März 2013, München
[2] Bergmeister, K. (2011): Brenner Basistunnel, Der Tunnel kommt. Tappeiner AG, Lana
[3] Bergmeister, K. (2011): Brenner Basistunnel, Der Tunnel kommt. Tappeiner AG, Lana
[4] Köhler, M. (1978): Brennerflachbahn, Projekt 1978, Ergebnisse der geologischen Untersuchungen. – Geol. Paläont. Mitt. Innsbruck, 8: 1-99
[5] BBT EWIV (2001): Geologie, Erkundung, Strukturtektonik, Schlußbericht BBT EWIV. Unveröffentl. Bericht von Brandner, R., Decker, K., Ortner, H., Reiter, F., Bistacchi, A. & Massironi, M., 82 S
[6] BBT SE (2006): Geologie, D0104, Endbericht. Unveröffentl. Bericht von Brandner, R. & Dal Piaz, G.V., 898 S
[7] BBT SE (2005): Charakterisierung von Störungszonen, Österreichischer Abschnitt. Unveröffentl. Bericht von Decker, K., Reiter, F. & Brandner, R, 293 S
[8] BBT SE (2008): Geologischer Längsschnitt, Zufahrtsstollen Ahrental / Blatt E.4.1. Unveröffentl. Plan von Brandner, R., Reiter, F. & Töchterle, A.
[9] BBT SE (2012): Geologischer Längsschnitt, Zufahrtstunnel Ahrental. Unveröffentl. Plan von Schierl H.
[10] Bonzanigi, L. & Oppizzi (2006): Low angle fault zones and TBM excavation in Bodio section of Gotthard Base Tunnel. In Simon Löw (Hrsg.), Geologie und Geotechnik der Basistunnels am Lötschberg. vdf Hochshulverlag AG an der ETH Zürich, Zürich
[11] BBT SE (2009): Erkundungsstollen Aicha, km 6+000 bis km 6+151, Monitoring Bau, Aufhalten TBM pk 6+151, Geologisches Modell. Unveröffentl. Plan von Martinotti, G. & Perello, P.