Der Standpunkt der BBT SE:
„Die endgültige Weigerung der vertraglich zugesagten Leistungen in mehreren Punkten und der nun eingetretene Vertrauensverlust hat uns leider dazu gezwungen, die Vertragsbeziehung mit der ARGE H51 aufzulösen. Auch angesichts der in Aussicht stehenden Vertragsauflösung hat die ARGE H51 nicht eingelenkt, sondern hat ihre vertragliche Sicht veröffentlicht. Um schnellstmöglich den Weiterbau beim Brenner Basistunnel sicherzustellen, wurde bereits eine vertiefende Analyse des Gesamtprojekts zum Zweck der ehestmöglichen Neuausschreibung in die Wege geleitet“, erklären die beiden Vorstände der BBT SE, Gilberto Cardola und Martin Gradnitzer.
„Keine konstruktive Zusammenarbeit“
Schon kurz nach Auftragsvergabe zeigten sich große Auffassungsunterschiede im Zusammenhang mit der Leistungserbringung zwischen der BBT SE als Bauherrn und der ARGE H51 bei diesem größten Bauabschnitt auf österreichischem Projektgebiet.
Nach Auffassung der BBT SE sei die Sachlage von der ARGE H51 in der Öffentlichkeit einseitig und sehr vereinfacht dargestellt und nur auf das Thema Tübbinge beschränkt worden. Die BBT SE hält jedoch ausdrücklich fest, dass es sich nicht um Probleme technischer Natur, wie das angesprochene Tübbingsystem handelt; Hauptgrund für die Vertragsauflösung seien die endgültige Leistungsverweigerung und Leistungsverzögerungen in mehreren zentralen vertraglichen Punkten.
Streitpunkt Tübbingsystem
Die noch unter der technischen Federführung des früheren Vorstands durchgeführte Ausschreibung hat die Verantwortung für die Planung und die Ausführung des Tübbingsystems mit einer Mindestdicke von 40 cm dem Auftragnehmer übertragen. Die ARGE H51 habe erst nach bereits erfolgter Auftragsvergabe angegeben, dass der von ihr angebotene 40-cm-Tübbing nicht umsetzbar sei und entweder eine Erhöhung der Tübbingdicke oder eine Reduzierung der Lasten gemäß Planung zulasten der BBT SE verlangt.
Die BBT SE als Auftraggeberin habe mehrfach Lösungen für das von der ARGE H51 beim Tübbingsystem aufgeworfene technische Problem aufgezeigt. Diese seien jedoch von Seiten der ARGE H51 nicht angenommen worden, wodurch es beim Baulos Pfons–Brenner zu schwerwiegenden Verzögerungen gekommen sei.
„Uns blieb keine andere Wahl“
Beide BBT-Vorstände betonen: „Als neuer Vorstand haben wir ein schwieriges Baulos übernommen und uns noch fast ein Jahr lang intensiv um eine Lösung bemüht. Einen Milliarden-Auftrag löst man nicht leichtfertig auf; uns blieb aber jetzt keine andere Wahl, weil auch der zuletzt von der ARGE H51 am 5. Oktober 2020 vorgelegte Lösungsvorschlag bauwirtschaftlich und rechtlich nicht tragfähig war.“
Nachdem nun die Entscheidung zum Baulos H51 gefallen sei, werde die BBT SE die laufende Evaluierung zum Bauzeitplan abschließen, alle möglichen Maßnahmen bewerten und einen aktualisierten Bauzeitplan fertigstellen. Auf dieser Basis wird geprüft ob die Risikovorsorge zur Abdeckung von Mehrkosten infolge der Auflösung und der Inflation bzw. Wertanpassung ausreicht.
Der Standpunkt der Porr AG:
Karl-Heinz Strauss, Vorstandsvorsitzender der Porr AG erklärte: „Diese einseitige Vertragsauflösung ist eindeutig rechtswidrig. Der Vertrag zwischen der ARGE H51 und der BBT SE ist weiterhin aufrecht, selbst bei einer Neuvergabe.“ Zu diesem Ergebnis sei ein Rechtsgutachten des Universitätsprofessors Dr. Andreas Kletečka gekommen. Das hätte weitreichende Folgen: „Bei einer rechtswidrigen Auflösung müsste die BBT auf jeden Fall den Vertrag mit der ARGE und allenfalls auch einen zweiten Vertrag mit einem neuen Auftragnehmer erfüllen. Die BBT hätte nicht nur den Gewinnentgang, sondern auch alle Kosten für die permanente Leistungsbereitschaft des gesamten ARGE-Belegschaft und der ARGE-Technik zu bezahlen. Das kann schon in die Nähe der ursprünglichen Auftragssumme kommen“, so Kletečka.
„Aufsichts- und Managementfehler sollen kaschiert werden“
Die Vertragsauflösung sei aber nicht nur rechtlich nicht gedeckt, sie sei auch unverantwortlich gegenüber den österreichischen Steuerzahlern, da ein jahrelanger Verzug des Projektes und Kostensteigerungen in vielfacher Millionenhöhe damit unvermeidlich seien. Die Porr sei immer leistungs- und gesprächsbereit gewesen und habe technisch sichere Lösungen auch ohne Mehrkosten angeboten.
Würde die BBT, so Strauss, Sicherheitsbedenken ernst nehmen, müssten Vorstand und Aufsichtsrat eingestehen, dass sie bei der Ausschreibung aus Kostengründen Parameter festgelegt haben, die bei Anwendung der gültigen technischen Normen die sichere Errichtung des Tunnels unmöglich machen. „Da aber offensichtlich nicht sein kann, was nicht sein darf, will man sich nun mit einer rechtswidrigen Vertragsauflösung retten.“
„Der Vertrag ist aufrecht“
Die Porr AG, die an der ARGE H51 Pfons–Brenner mit rund der Hälfte der Auftragssumme von 966 Millionen Euro beteiligt ist, hat angekündigt sämtliche Schritte unternehmen, um ihre Rechte zu wahren. „Der Vertrag ist aufrecht. Deshalb werden wir jetzt auch nicht den Kopf für die Management- und Aufsichtsfehler hinhalten und die BBT für den Schaden, der nun entstanden ist, zur Verantwortung ziehen,“ so Strauss.