66. Geomechanik Kolloquium in Salzburg

Mit mehr als 800 Teilnehmern – zuzüglich weiterer 200 Personen (drei Berufsschulklassen, Aussteller und zahlreiche Ausstellungsbetreuer) – und über 20 Vorträgen zählte das Geomechanik Kolloquium der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG) vom 12. bis 13. Oktober 2017 auch dieses Jahr wieder zu den wichtigsten deutschsprachigen Vortragsveranstaltungen des Fachgebietes. In den Pausen drängten sich die Besucher an den Ständen der 57 Aussteller und 12 Universitätsinstitute, um sich auszutauschen sowie über aktuelle Projekte und mögliche Aufträge zu sprechen.

„Wieder einmal hat die ÖGG ein sehr interessantes Vortragsprogramm zu bieten mit vier Halbtages-Themen, nämlich den geomechanischen Aspekten bei aktuellen Tunnelbauwerken und der Instandsetzung von Infrastrukturbauwerken am heutigen Donnerstag sowie der baugeologischen Dokumentation, die das Problemfeld der geänderten Geologien beleuchtet, und den verschiedenen Gesichtspunkten bei Planung, Bemessung und Überwachung im Druckstollenbau am morgigen Freitag,“ bereitete Univ.-Prof. Dr. Wulf Schubert (Bild 1) die Teilnehmer in seiner Begrüßung auf das umfangreiche Programm vor.

Dies tat er in seiner Funktion als alter und neuer Vorstandvorsitzender – am 11. Oktober 2017 war nahezu der gesamte Vorstand bei der regulären Wahl für eine weitere Amtsperiode ab 1. Januar 2018 bestätigt worden. Neu im Amt sind Dietmar Bach, der Andreas Leitner als Finanzreferent ablöst, und Dr. Andreas Goricki, der in der Fachsektion Felsmechanik und Felsbau den scheidenden Univ.-Prof. Dr. Rainer Poisel ersetzt.

Über die ÖGG-Vorstandssitzung am Abend des 11. Oktober 2017 hinaus wurden bereits tagsüber drei Workshops angeboten. Sie finden im jährlichen Wechsel mit dem ebenfalls dann vorgelagerten Tunneltag statt, der 2018 wieder stattfinden wird.

 

Erfahrungen mit neuer ÖGG-Richtlinie

Im ersten Workshop mit rund 65 Teilnehmern wurden die Erfahrungen mit der ÖGG-Richtlinie „Geotechnische Planung mit zyklischem Vortrieb“ ausgetauscht, die 2001 erstmalig veröffentlicht und 2008 überarbeitet wurde. Diskutiert wurden die Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie in Planung und Bau; es wurden Anregungen für Verbesserungen und Ergänzungen gegeben und eine Fortschreibung der Richtlinie aufgrund der erreichten Ergebnisse in Aussicht gestellt.

 

Fortsetzung des Workshops „Injektionen“

Etwa 110 Teilnehmer tauschten im zweiten Workshop ihre Erfahrungen mit der Anwendung der gängigsten Injektionsmittel im Verkehrstunnelbau und beim Bau von Hochdruck-Wasserkraftanlagen aus. Zum Thema „Injektionen“ hatte es bereits vor zwei Jahren einen sehr gut besuchten Workshop gegeben, allerdings mit anderen Schwerpunktthemen. Nach einer Einführung in die Anwendungsbereiche mit Vermittlung der Grundlagen, Einsatzbereiche und Materialtechnologien folgte die praktische Anwendung in einem Parcours: im Stationsbetrieb wurden verschiedene Injektionsmittel mit ihren wichtigsten Materialeigenschaften sowie deren Prüfung vorgeführt und erläutert. Abschließend erhielten die Teilnehmer umfangreiche Erfahrungs- und Anwendungsberichte aus der Planung, Ausschreibung und Ausführung und diskutierten rege darüber.

 

Felsmechanik im überarbeiteten Eurocode 7

Im dritten Workshop befassten sich etwa 36 Teilnehmer mit der bisher eher untergeordneten Rolle von Felsmechanik und Felsbau im Eurocode 7 (EN 1997), dessen Überarbeitung sich in 2017 in einer entscheidenden Phase befindet. Es wurde eine vom Project Team 2 des Eurocode 7 Committee erarbeitete Version mit Änderungsvorschlägen diskutiert, um den Eurocode 7 auch im Felsbau und auf felsmechanische Aufgabenstellungen anwendbar zu gestalten.

Leopold Müller Preis 2016

Trotz des umfangreichen Programms am Vortag war auch die Verleihung des Leopold Müller Preises 2016 sehr gut besucht; der Preis wird seit 1984 jährlich jeweils anlässlich des Geomechanik Kolloquiums des Folgejahres übergeben. Ausgezeichnet wurde Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Jörg Bauer (Bild 2) für seine hervorragende wissenschaftliche Arbeit und Dissertation zum Thema „Seitendruck auf Pfahlgründungen in bindigen Böden infolge quer zur Pfahlachse wirkender Bodenverschiebungen“. Nach der Vorstellung seiner Arbeit und Ergebnisse begann die erste Halbtags-Sitzung unter Vorsitz von Wolfgang Stipek und Prof. Wulf Schubert.

 

Geomechanische Aspekte bei aktuellen Tunnelbauvorhaben

In fünf Fachvorträgen über unterschiedliche Großprojekte wurde dargestellt, wie wichtig moderne Messmethoden in der geotechnischen Überwachung, die qualifizierte Aufbereitung der Ergebnisse und deren Interpretation für eine erfolgreiche Festlegung von Maßnahmen in der Bauausführung sind.

Dr. Bernd Moritz, Dr. Thomas Pilgerstorfer und Peter Pointner berichteten über das Systemverhalten des Koralmtunnel-Bauloses KAT3 in einem geomechanisch herausfordernden Umfeld. Insbesondere wurden dabei die für das Ausbruch- und Ausbaukonzept wichtige, seicht liegende Anfangsstrecke am Westportal als auch die mit rund 1200 m höchsten Überlagerungen betrachtet (Bild 3). Den Vortrieb der Nothaltestelle am Semmering Basistunnel in komplexen Gebirgsverhältnissen, der bei großen Ausbruchquerschnitten auf engstem Raum eine besondere Herausforderung darstellt, erläuterten Alexander Poisel, Johannes Weigl, Tobias Schachinger, Robert Vanek und Gernot Nipitsch. Prof. Konrad Bergmeister und Dr. Chris Reinhold gaben einen aktuellen Stand der Bauarbeiten am Brenner Basistunnel und unterstrichen die Bedeutung des Erkundungsstollens für die Lern- und Optimierungsphasen im gesamten Projekt. Insbesondere gingen sie dabei auf die wertvollen Erkenntnisse aus dem Vortrieb des Erkundungsstollens für den Bau der beiden Hauptvortriebe ein.

Beim Tunnelausbruch und Ausbau im Karst muss man jederzeit mit unterschiedlich gefüllten – leeren oder teilweise bis vollständig gefüllten – Strukturen rechnen. Wie beim DB-Großprojekt Stuttgart–Ulm, Albaufstieg, Steinbühltunnel durch gute Arbeitsvorbereitung, hohe qualitative Erkundungsmaßnahmen und gutes Vortriebs- und Führungspersonal die Risiken reduziert werden konnten, erläuterten Kurt Johann und Jürgen Voringer.

Dr. Alfred Stärk, Roser Sulol Pujol, Nigel Hill und Cliff Kettle zeigten am Beispiel der Hebungsinjektionen im Baulos C510 des 120 km langen Eisenbahnprojektes Crossrail auf, wie schwierig die Balance zwischen Gebäudeschutz und Kollateralschäden ist. Sie beleuchteten die Gratwanderung zwischen gewünschter Setzungskontrolle durch Hebungsinjektionen und der Vermeidung von negativer Beeinflussung auf angrenzende Bereiche. Beschrieben wurde die nicht für möglich gehaltene punktuelle Rückstellung eines Pfeilers durch gezielte Hebungsinjektionen.

Instandsetzung von Infrastrukturbauwerken

Bei vielen Tunneln ist die Instandsetzung inzwischen ein Thema: einerseits, weil sie in die Jahre gekommen sind, andererseits, weil geänderte Vorschriften eine Anpassung erfordern. Die sechs Vorträge des zweiten Halbtages spiegelten das breite Spektrum der Instandsetzung, von der strategischen Planung bis zur Bauausführung, wider.

Mit einem deutlich aufgestockten Finanzvolumen von 125 Millionen Euro (2014) auf 213 Millionen Euro (bis 2018 und folgende Jahre) stellt die Deutsche Bahn erhebliche Mittel für die Instandsetzung bereit. Patrick Meyer, Ludwig Wiesmeier und Martin Jäntschke stellten am Beispiel des Kirchbergtunnels die Instandsetzung von Mauerwerkstunneln der DB Netz AG vor – von der Machbarkeitsstudie für mögliche Instandsetzungsmaßnahmen bis hin zu den Erfahrungen aus Sicht des Bauherrn und Betreibers. In ihrem Vortrag zu den Herausforderungen beim Asset Management von Tunnelanlagen der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs AG) erläuterten Christian Honeger, Siegfried Engelbogen und Michael Pucher die bautechnischen und elektromaschinellen Anforderungen an die Planung und Umsetzung wirtschaftlich optimierter Sanierungsmaßnahmen in Tunnelanlagen. Dabei müssen nicht nur die unterschiedlichen Lebenszyklen von Bau und Ausrüstung, sondern vor allem auch sicherheitstechnische Belange berücksichtigt werden. Seit 2004 bis Anfang 2019 hat die ASFINAG dafür rund 5,7 Milliarden Euro bereitgestellt. Roman Heissenberger und Alfred Holcik stellten bei der Instandhaltung von Eisenbahntunneln eine Strategie mit Weitblick vor. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Verdoppelung der Schienenwege in Österreichs Tunneln in knapp zehn Jahren werde für die Anlagenbereitstellung von Eisenbahntunneln der Fokus auf die wesentlichen Stellhebel technische Projektbegleitung und Tragstruktur bzw. Entwässerungssysteme gelegt.

Matthias J. Rebhan, Dr. Alois Vorwagner, Maciej Kwapisz, Prof. Roman Marte, Prof. Franz Tschuchnigg und Dr. Stefan Burtscher erläuterten die Sicherheitsbewertung bestehender Stützbauwerke. Die ÖBB-Infrastruktur AG betreibt und erhält insgesamt 246 Tunnel und tunnelähnliche Bauwerke mit rund 250 km Gesamtlänge, von denen 150 Bauwerke über 100 Jahre und 35 sogar über 150 Jahre alt sind. Eine innovative Methode zur Ertüchtigung alter Eisenbahntunnel unter Betrieb stellten Christian Seywald, Albert Helmberger und Robert Matt an den Beispielen Rekawinkler- und Kleiner Dürreberg-Tunnel vor. Last but not least stellten mit dem letzten Vortrag des ersten Tages Dr. Karl Grossauer, Flavio Modetta und Urs Tanner die „Normalbauweise Tunnel“ der Rhätischen Bahn vor, die ein ca. 384 km langes Bahnnetz überwiegend im Schweizer Kanton Graubünden betreibt. Von den 115 in den Jahren 1901 bis 1914 erbauten Bahntunneln mit ca. 58,7 km Länge muss mehr als die Hälfte altersbedingt saniert werden. Die Normalbauweise Tunnel ist ein standardisiertes Instandsetzungsverfahren, das den Anforderungen eines modernen Eisenbahnbetriebes entspricht und unter den Gesichtspunkten Wirtschaftlichkeit und Qualität der Instandsetzung optimiert wurde.

 

Baugeologische Dokumentation – quo vadis?

Der zweite Tag des Geomechanik Kolloquiums wurde mit fünf Vorträgen zum Thema der geologischen Dokumentation eröffnet, die während des Baus aus technischer wie auch aus vertraglicher Sicht eine besondere Bedeutung erhält. Denn gerne wird eine „geänderte Geologie“ als Begründung für Nachforderungen herangezogen. Im Anschluss an die Vormittags-Sequenz schloss sich eine Podiumsdiskussion über die objektive Dokumentation im Spannungsfeld wirtschaftlicher Interessen an.

Christian Schwarz und Heimo Schierl berichteten über die Einbindung von Reflexionstechnik in die Dokumentation beim Bau des Brenner Basistunnels. Einen Statusbericht mit Aussicht gaben Dr. Andreas Gaich, Dr. Markus Pötsch und Prof. Wulf Schubert mit ihrem Vortrag Digitale Gebirgscharakterisierung 2017.

Die baugeologische Dokumentation hat das Ziel, die Verhältnisse vor Ort möglichst genau zu erfassen um alle weiteren Entscheidungen auf eine stabile Basis zu stellen. Über die Anforderungen dabei, den Status quo und zukünftige Entwicklungen informierten Dr. Franz Peter Weichenberger und Dr. Gerald Pischinger. Oliver Kai Wagner, Dr. Alfred Fasching, Thomas Stadlmann und Robert Vanek beleuchteten aus geologisch-geotechnischer Sicht den Übergang von der geotechnischen Prognose der Ausschreibungsplanung zur vortriebsbegleitenden Dokumentation im Rahmen der Bauausführung in ihrem Vortrag Semmering-Basistunnel – Gebirgsansprache in Ausschreibung und Bau. Sehr glaubhaft stellten Dr. Marcus Scholz und Prof. Georg Spaun in ihrem Beitrag dar, warum die gute Dokumentation stets objektiv ist und leiteten damit über in eine rege geführte Podiumsdiskussion „Die objektive Dokumentation im Spannungsfeld wirtschaftlicher Interessen“.

Druckstollen: Planung, Bemessung, Überwachung

In der letzten Halbtagssitzung wurden in vier Vorträgen die verschiedenen Aspekte des Druckstollenbaus aufgezeigt. Christopher Dich und Christian Barwart gaben einen Einblick in die geotechnische Planung, das Ausführungskonzept und die bis Juni 2017 gemachten Bauerfahrungen bei der Erstellung des untertägigen Triebwasserwegs Obervermuntwerk II. Über die Ergebnisse der Dehnungsmessungen am Übergang der Druckstollenpanzerung in die freitragende Rohrleitung beim Kaunertalkraftwerk, bei dem von 2012 bis 2015 der Druckschacht, das Wasserschloss, die Flachstrecke und Teile des Druckstollens erneuert wurden, berichteten Paul Bonapace und Andreas Hammer. Franz Georg Pikl, Wolfgang Richter und Prof. Gerald Zenz erläuterten ein neues Kraftwerks- und Druckstollenkonzept, bei dem die Pumpspeichertechnologie mit der thermischen Energiespeicherung kombiniert wird. Zum Abschluss der Veranstaltung erläuterten Wolfgang Richter, Kaspar Vereide und Prof. Gerald Zenz die Optimierungsuntersuchungen an einer Norwegischen Entsanderkammer mit druckbehafteter Strömung im Bereich des Wasserschlosses.

 

Exkursion zum Brenner Basistunnel

Am Samstag, den 14. Oktober 2017, nahmen rund 30 Personen an der Exkursion zum Brenner Basistunnel teil und schauten sich die Tunnelwelten in Steinach am Brenner, den Zugangstunnel Ahrental, die Montagekaverne am Ende des Tunnels und den im Bau befindlichen Erkundungsstollen in Richtung Steinach am Brenner an. Der maschinelle Vortrieb hat im Herbst 2015 begonnen, und das Ende der Ausbrucharbeiten ist für das Frühjahr 2019 geplant.

 

67. Geomechanik Kolloquium 2018; Leopold Müller Preis 2017

Für den Leopold Müller Preis 2017 können hervorragende wissenschaftliche Arbeiten und Dissertationen, die sich mit einem Thema der Geotechnik auseinandersetzen und den Zielen der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik entsprechen, bis Ende Januar 2018 eingereicht werden. Weitere Informationen hierzu auf www.oegg.at

Die Termine für das 67. Geomechanik Kolloquium und den vorgelagerten 11. Österreichischen Tunneltag stehen bereits fest:

Mittwoch, 10. Oktober 2018: 11. Österreichischer Tunneltag

Donnerstag, 11. bis Freitag, 12. Oktober 2018: 67. Geomechanik Kolloquium

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