SBB-Doppelspurtunnel Ligerz: Eine Engpassbeseitigung
mit komplexen Randbedingungen
Mit dem Doppelspurausbau Ligerz–Twann wird der letzte Einspurabschnitt auf der Jurasüdfußlinie der SBB beseitigt. Neben einem Doppelspurtunnel in herausfordernder Geologie umfasst das Projekt diverse, teilweise höchst anspruchsvolle Kunstbauten. Planung und Realisierung sind geprägt von beengten Platzverhältnissen und zahlreichen Umweltrandbedingungen und Schutzzonen.
Die Jurasüdfußslinie der SBB führt von Genf/Lausanne über Neuenburg und Biel nach Basel/Zürich. Die bestehende Einspurstrecke im Abschnitt Ligerz–Twann ist ein Flaschenhals auf dieser sowohl für den Personen- wie den Güterverkehr wichtigen West- Ost-Achse. Mit dem Doppelspurausbau wird ein Kapazitätsausbau ermöglicht und die Fahrplanstabilität verbessert [1].
Die heutige Trasse führt am Seeufer entlang, quer durch die Dörfer Schafis, Ligerz und Bipschal, was einen Doppelspurausbau vor Ort unmöglich macht (Bild 1). Deshalb wird die Trasse in einen neuen Doppelspurtunnel verlegt, der das Siedlungsgebiet bergseitig umfährt. Damit wird auch eine Entlastung der Anwohner und eine Aufwertung des Landschaftsbildes erreicht.
Nicht nur die beengten Platzverhältnisse, sondern auch zahlreiche Schutzzonen haben die Planung maßgeblich beeinflusst. Die Region linkes Bielerseeufer ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt, einzelne Ortschaften gehören zum Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), gewisse Straßenabschnitte sind im Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) verzeichnet, und die Fundstätten der Pfahlbausiedlungen im Bereich Portal West und Bahnhof Twann sind Teil einer UNESCO-Schutzzone. Zudem befindet sich im Portalbereich Ost eine Trinkwasserfassung, die drei Gemeinden versorgt und deren Schutzzonen direkt an den Bauperimeter angrenzen (S2) beziehungsweise diesen tangieren (S3) [2].
2.1 Projektgliederung, wichtigste Objekte
Das Ausbauprojekt umfasst eine Länge von 4,7 km. Davon entfallen 1,3 km auf den Trassenausbau West, 2,1 km auf den Doppelspurtunnel, 0.5 km auf den Doppelspurausbau Ost und 0.8 km auf den Umbau Bahnhof Twann. Zudem werden auch zahlreiche größere Kunstbauten erstellt (Bild 2).
Im Sektor West sind dies die Verlängerungen der Unterführungen Poudeille und La Neuveville, das 114 m lange Viadukt N5 (Bild 3) für die Umlegung des Halbanschlusses der Autobahn N5, ein kombiniertes Havariebecken für den Bahn- und den Autobahntunnel sowie das Bahntechnikgebäude Poudeille.
Um im Sektor Ost Platz für die neue Doppelspur zu schaffen, muss zuerst eine Seeschüttung erstellt werden. Wegen schlechter geotechnischer Verhältnisse – unter anderem Schichten mit Seekreide – wird die Trasse in diesem Bereich auf einer 228 m langen, pfahlfundierten Betonplatte erstellt (Bild 4). Direkt beim Portal Ost unterquert die Kantonsstraße die neue Bahnlinie mit einer 340 m langen Grundwasserwanne (Bild 5). Auch beim Portal Ost werden ein Havariebecken und ein Bahntechnikgebäude erstellt.
Im Bereich Klein-Twann wird die Unterführung verlängert und für die Trassenverbreiterung eine 149 m lange Stützmauer erstellt. Der Bahnhof Twann wird komplett umgebaut und mit zwei Seitenperrons, neuer Unterführung und neuen Zugangsrampen behindertengerecht gestaltet. Das Bahnhofsgebäude wird abgebrochen und ein neues Bahntechnikgebäude unter dem Perron Seite See erstellt.
Die alte Trasse zwischen Schafis (Portal West) und Bipschal (Portal Ost) wird nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke komplett rückgebaut. Für die Rekultivierung beziehungsweise Nachnutzung der rund 31 000 m2 großen, freiwerdenden Fläche haben die Gemeinden in Partnerschaft mit der SBB einen Richtplan erstellt. Dieser sieht Flächen für den Weinbau und die öffentliche Nutzung – unter anderem Grünzonen und Wege für den Langsamverkehr – sowie ökologische Ausgleichsflächen vor. Die Realisierung erfolgt ab ca. 2029 durch die betroffenen Gemeinden.
Das Projekt befindet sich am Südhang der ersten Jurakette, die aus Gesteinen von der Trias bis zum Tertiär besteht. Diese Gesteine sind teilweise stark tektonisiert und bilden mehrere Synklinalen und Antiklinalen. Oberflächlich sind die Gesteine mit Moräne und Gehängeschutt bedeckt.
Im Portalbereich West liegen mehrheitlich Mergel- Serien vor, die ungünstige Lagerungswinkel zum Bauwerk aufweisen. Im Portalbereich Ost befindet sich eine Rutschungszone aus Gehängeschutt und der Goldbergformation.
Der Tunnel durchquert die geologischen Formationen aufgrund der bogenförmigen Linienführung zweimal. Geotechnisch kritisch sind die Goldbergformation, eine heterogene
Wechsellagerung von Kalkstein, mergeligen Kalken, Mergeln/Tonmergeln und Dolomit, sowie die obere Twannbachformation. In den Kalksteinen dieser Formation sind zudem starke Verkarstungen mit Karstwasserzutritten von bis zu 2000 l/s möglich. Die Goldbergformation ist tektonisiert, teilweise stark zerschert und weist lokal ein Quellpotenzial auf (Bild 6).
Aus hydrogeologischer Sicht können die Schichten aus Jura und Kreide in zwei Hauptkategorien unterteilt werden: Kalkstein-Serien, die von Bruchzonen und Karstformationen durchzogen und daher potenzielle Grundwasserträger sind, sowie Mergel-Serien, die Grundwasserstauer darstellen und in denen nur wenig bis gar kein fließendes Wasser zu erwarten ist. In den Kalkstein-Serien existieren zwei Grundwasserleiter, die durch die Goldbergformation voneinander getrennt sind. Die Brunnmühlenquelle, das zentrale Element der regionalen Wasserversorgung, wird nur durch den unteren Grundwasserleiter gespiesen. Dieser Grundwasserleiter kann im inneren Bereich bei Hochwasser teilweise stark gespannt sein (Druck bis zu 6 bar auf Tunnelniveau).
3.1 Wichtigste bauliche Elemente
3.1.1 Voreinschnitt und Tagbautunnel West
Der Voreinschnitt West ist die erste Baumaßnahme, um den Tunnelvortrieb rasch zu starten und das Förderband für das Aus- bruchmaterial zur schwimmenden Verladeplattform installieren zu können. Im östlichen, 24 m langen Portalbereich wird die bis zu 23 m tiefe Baugrube im oberen Teil und bei der Portalwand mit Spritzbeton und Bodennägeln gesichert, in der unteren Hälfte mit einer 10 m hohen Rühlwand und Vorspannankern. Im westlichen Bereich wird der 201 m lange Tagbautunnel größtenteils in Deckelbauweise mit Wänden aus überschnittenen Bohrpfählen (Ø 1.0 m) erstellt (Bild 7).
Da die Autobahnausfahrt über den zukünftigen Tagbautunnel führt und für den Bau provisorisch umgelegt werden muss, erfolgt der Rohbau in zwei Etappen. Aufgrund des abflachen- den Geländes im westlichen Teil und der Einschränkungen der angrenzenden Bielerstraße wird der Tagbautunnel in einer gemischten Bauweise erstellt. In einer offenen Baugrube wird bergseitig eine provisorisch vorgespannte Bohrpfahlwand er- richtet, die dann mit einer Betonrahmenkonstruktion verbunden wird. Das Bahntechnikgebäude West wird direkt an den Tagbautunnel angebaut.
Der 1865 m lange bergmännische Bahntunnel wird sprengtechnisch im Kalottenvortrieb ausgebrochen. Rund zwei Drittel des Vortriebes erfolgen steigend, die letzten 410 m fallend. Das Normalprofil weist einen zweischaligen Ausbau mit Regenschirmabdichtung sowie eine Entwässerung im Trennsystem auf. In den geotechnisch schwierigen Goldberg- und oberen Twannbachformationen ist ein Sohlgewölbe vorgesehen. Als Ausbruchsicherung kommen je nach Sicherungsklasse Anker, Netze und Spritzbeton oder ein (geschlossener) Stahleinbau zur Anwendung. Die Dicke des Innengewölbes beträgt 40 cm (Bild 8).
In den Kalksteinformationen sind starke Verkarstungen mit großen Wasserzutritten möglich. Im Eintretensfall wird in erster Linie versucht, das Wasser zu fassen, um den Tunnel herumzuführen und wieder ins Gebirge einzuleiten.
Zusätzlich zu den Technikräumen in den Querverbindungen werden im Tunnel fünf Nischen für Bahntechnikinstallationen
sowie alle 50 m Personenschutznischen erstellt. Die Fahrbahn wird, mit Ausnahme des Portalbereichs West, mit einer Festen Fahrbahn ausgerüstet.
und Gegenvortrieb
Der Voreinschnitt Ost befindet sich in steil ansteigendem, geotechnisch schwierigem Gelände. Die bis zu 23 m tiefe Baugrube wird im oberen Teil mit Spritzbeton, Bodennägeln und Vorspannankern gesichert, im unteren Bereich mit einer aufgelösten Bohrpfahlwand (Ø 1,0 m, L: max. 27 m), die mit Vorspannankern (Rak 2030 kN) gesichert ist.
Direkt anschließend befindet sich die Baugrube für das Unterquerungsbauwerk der Kantonsstraße. Dieses liegt im Grundwasser und ist mit einer überschnittenen Bohrpfahlwand (Ø 1.0 m) gesichert. Die Bohrpfähle dienen im Endzustand auch als Auftriebssicherung.
Das 45 m lange Portalbauwerk ist eine massive, rechteckige Rahmenkonstruktion (Decke d: 1.40 m, talseitige Wand d: 1.40 m), die aufgrund der topografischen Verhältnisse und der ungünstigen Baugrundeigenschaften auf eine Pfahlfundation (Ø 1,0 m, L bis 35 m) abgestellt ist (Bild 9). Um die Hangstabilität im Endzustand sicherzustellen, werden die Pfähle der Baugrubensicherung statisch als mitwirkend betrachtet.
Da die Goldbergformation in diesem Bereich stark verwittert ist, wird aus der Baugrube heraus ein Gegenvortrieb erstellt. Dieser erfolgt als Kalottenausbruch mit einem Rohrschirm (max. drei Etappen à 10 m, Überlappung 5,0 m). Die Kalottenwiderlager werden mit Mikropfählen verstärkt.
Der Bahntunnel hat vier Notausgänge, welche über Querverbindungen (QV) zum Sicherheitsstollen (SiSto) des Autobahntunnels N5 führen. Wegen der unterschiedlichen Trassierung von Bahn- und Straßentunnel variiert sowohl die Länge der QV zwischen 42 m und 100 m als auch die Höhendifferenz von 8,9 m bis 13,4 m. Dieser Höhenunterschied kann selbst mit einem maximalen Längsgefälle von 10 % bei zwei QV nur mit einem Treppenhaus überwunden werden. Damit es im Ereignisfall vor der Treppe nicht zu einem Rückstau kommt, ist ein ausreichend großer Vorraum vorgesehen.
Im tunnelseitigen Bereich der QV befindet sich ein seitlich angeordneter Technikraum für die verschiedenen Bahntechnikinstallationen. Dieser Bereich inklusive Technikräume und Treppenhäuser wird zweischalig mit Regenschirmabdichtung ausgebildet, der restliche Bereich bis zum SiSto nur einschalig (Bild 10).
Der Ausbruch erfolgt im Sprengvortrieb. Die letzten Meter vor dem SiSto werden als maschinenunterstützter Vortrieb im Fels ausgebrochen, um die Erschütterungen zu minimieren.
Nach rund 1 km Vortrieb durchquert der Bahntunnel einen Stollen, der eine unterirdische Betriebszentrale des Autobahntunnels und eine Zivilschutzanlage mit Frischluft, Strom und Trinkwasser versorgt und durch den auch das Abwasser aus diesen Anlagen abgeleitet wird. Aufgrund der Trassierungsrandbedingungen des Bahntunnels ist eine Über- oder Unterquerung dieses Stollens nicht möglich. Daher muss der Stollen für den Bau des Bahntunnels umgelegt werden. Der neue Stollen wird in einem seitlichen Bogen über den Bahntunnel geführt.
Im Querungsbereich wird die Sohle des neuen Stollens als massive, bewehrte Platte ausgebildet. Diese bildet gleichzeitig die Firstsicherung des Bahntunnels. Das Bergwasser des Stollens wird in die Sammelleitung des Bahntunnels eingeleitet. Das Schmutzwasser muss aufgrund des Hochpunktes im neuen Stollen mit einer Pumpleitung an die Bestandsleitung angeschlossen werden. Nach Inbetriebnahme des neuen Stollenabschnitts wird der alte Stollen teilweise verfüllt (Bild 11).
Das Projekt weist zahlreiche tunnelbautechnische Herausforderungen auf. Neben den nachfolgend im Detail erläuterten Problemstellungen sind dies unter anderem die Interaktion der Baugrubensicherung des Voreinschnittes Ost mit dem Rohrschirm des Gegenvortriebes, die schwierige Zugänglichkeit der Baustelle mit sehr eingeschränkten Platzverhältnissen oder die anspruchs- volle Geologie mit Quellpotenzial, Karstformationen und Seekreide.
Auf den ersten 35 m hat der Tunnel eine geringe Überdeckung von 8.0 m bis 10.0 m. In diesem Bereich werden Mergel- und Kalkformationen durchfahren, die mit Hangschutt und Geröll überlagert sind.
In unmittelbarer Nähe des Tunnels befinden sich die Betriebszentrale des SiSto, ein Lagergebäude sowie ein Wohnhaus. Letzteres steht, bei einer Ausbruchbreite von 12.8 m, nur knapp 11 m neben der Tunnelachse und wird als setzungsempfindlich eingestuft. Um Erschütterungen und Setzungen zu minimieren, erfolgt ein Kalottenausbruch mit maschinenunterstütztem Vortrieb im Fels.
Um Setzungen respektive Deformationen des Wohnhauses möglichst zu vermeiden, sind vorauseilende Maßnahmen, wie eine massive Ortsbrustankerung und Spießschirme alle 1 m, notwendig. Zudem ist ein rascher Ringschluss vorgesehen, indem nach zwei Ausbruchetappen à 1 m in der Kalotte bereits die Strosse nachgezogen und ein Sohlgewölbe eingebaut wird. Der Hohlraum wird mit einem Stahleinbau (HEB 200) und einer 30 cm dicken bewehrten Betonschale gesichert, wobei im Einwirkungsbereich des Wohnhauses der Abstand des Stahleinbaus reduziert wird.
an SiSto unter Betrieb
Die bautechnischen und baubetrieblichen Herausforderungen bei der Erstellung der QV liegen in der großen Höhendifferenz zwischen Bahntunnel und SiSto (Bild 10) sowie dem Anschluss an den SiSto, ohne den Betrieb des Autobahntunnels einzuschränken.
Für den sicheren Betrieb des Autobahntunnels muss die Funktionalität des SiSto (Lüftung, Fluchtweg) jederzeit gewährleistet sein. Daher müssen alle Rohbauarbeiten der QV vom Bahntunnel aus erfolgen. Einzige Ausnahme ist eine Schottwand, die vor dem Durchschlag im SiSto erstellt wird. Diese Schottwand liegt außerhalb des Fluchtwegprofils des SiSto, wird staubdicht erstellt und dient als provisorischer Abfangträger, wenn beim Durchschlag die tragende Gewölbeschale des SiSto lokal abgebrochen wird.
Der Vortrieb der QV erfolgt steigend mit einem maximalen Gefälle von 10 %. Der Ausbruch der „Treppenkaverne“ bei den QV 2 und 3 erfolgt von unten nach oben. Für den
anschließenden Vortrieb des zweiten Teils der QV muss entweder eine Rampe geschüttet oder die Vortriebsausrüstung mit einer Hebeinstallation auf Kalottenniveau der Kaverne angehoben werden. Bei der Versorgung des Vortriebes (Sicherungsmittel) und der Schutterung muss diese Höhendifferenz ebenfalls überwunden werden.
3.2.3 Umlegung Frischluftstollen unter Betrieb
Weil der Frischluftstollen für den sicheren Betrieb des Autobahntunnels erforderlich ist, muss der neue Stollen fertiggestellt sein, bevor der bestehende außer Betrieb genommen werden kann. Zudem müssen die Arbeiten unter ständiger Aufrechterhaltung der Funktionalität des Frischluftstollens erfolgen.
Dazu wird im Vorfeld auf der Seite der Betriebszentrale eine staub- und luftdichte Schottwand errichtet und für die Frischluftversorgung ein Ventilator mit Staubfilter eingebaut. Die Fluchtwegfunktion wird mit einer Schleuse sichergestellt und im Bereich der künftigen Querung wird eine provisorische Passerelle erstellt. Die Werkleitungen werden provisorisch umgelegt.
Der Kalottenvortrieb des Bahntunnels wird bis etwa 25 m vor den Lüftungsstollen geführt. Anschließend wird der Vortrieb abgesenkt und das Normalprofil verkleinert. Mit dem reduzierten Profil wird der bestehende Stollen unterquert. Rund 25 m nach der Querung wird der Vortrieb wieder auf das reguläre Niveau gefahren und auf das Standardprofil aufgeweitet.
Anschließend kann der neue Frischluftstollen über einen provisorischen Zugang vom Bahntunnel her im Sprengvortrieb erstellt werden. Die Anschlüsse an den Bestandsstollen werden mittels MUF ausgebrochen.
Nach Fertigstellung des neuen Frischluftstollens und Inbetriebnahme sämtlicher Infrastrukturen werden der provisorische Zugang und der nicht mehr benötigte Abschnitt des Lüftungsstollens verfüllt.
Erschütterungen im Betrieb
Im Portalbereich West liegt der Tunnel sehr nahe an bestehenden Bauwerken. Um im Betriebszustand negative Auswirkungen durch Erschütterungen und Körperschall zu verhindern, wird in diesem Abschnitt ein schweres Masse-Feder-System (MFS) ein- gebaut. Aufgrund der Trassierungsrandbedingungen kann der Übergang von Schotterfahrbahn auf Feste Fahrbahn nicht außerhalb des Tunnels erfolgen, sondern erst ab Tunnelmeter 380. Daher muss das MFS mit einer Schotterfahrbahn kombiniert werden. Für die beiden Gleise wird je ein separater Betontrog (= Masse) erstellt, der die Schotterfahrbahn aufnimmt. Der Betontrog seinerseits wird auf Sylomerblöcken (= Feder) gelagert. Durch diese Konstruktion werden die Gleise von der Tunnelkonstruktion entkoppelt und die Übertragung von Erschütterungen aus dem Betrieb minimiert (Bild 12).
Die Komplexität dieser Konstruktion wird durch weitere Randbedingungen massiv erhöht: Die Dimensionierung des MFS setzt voraus, dass der Betontrog über die gesamte Länge von 344 m ein steifer, durchlaufender Träger ist. Die ganze Konstruktion befindet sich in einer Wendeklothoide, das heißt, Quergefälle und Überhöhung und damit auch die Höhe des Troges verändern sich konstant. Aus diesen beiden Gründen ist nur eine Teilvorfabrikation möglich. Der Schottertrog muss entwässert werden, wobei wegen der elastischen Lagerung der Anschluss an die Schmutzwasserleitung beweglich auszubilden ist. Weil die Sylomerblöcke eine kürzere Lebensdauer als die Betonkonstruktion aufweisen, müssen sie auswechselbar sein.
Beim Bau des Tunnels fallen rund 890 000 t Felsaus- bruch an, wobei 88 % davon aus dem Vortrieb stammen (Tabelle 1). Ausbruchmaterial, das nicht direkt projektintern wiederverwendet werden kann, wird nach Cornaux transportiert und dort der Wiederverwertung zugeführt. Je nach Qualität des Materials wird es entweder als Rohstoff für die Zementindustrie verwendet oder als Schüttmaterial beziehungs- weise Gesteinskörnung für Beton aufbereitet. Das übrigbleibende Restmaterial wird für Rekultivierungen genutzt (Auffüllen alter Steinbrüche).
Das Materialbewirtschaftungskonzept sieht vor, dass rund zwei Drittel des Ausbruchmaterials per Schiff abtransportiert werden. Zu diesem Zweck wird im Portalbereich West eine schwimmende Verladeplattform installiert. In Cornaux erfolgt der Materialum- lad von Schiff auf Förderband über eine bereits bestehende Umladestation. Mit diesem Konzept können die Lastwagenfahrten und damit die Umweltbelastung (Lärm, Staub, CO2) massiv reduziert werden. Zudem wird auch der Materialtransport für die Seeschüttung vereinfacht. Das Schüttmaterial kann vom Westportal ebenfalls mit Schiffen auf die Ostseite transportiert und dort verklappt werden. Die Ortsdurchfahrten und die Gleisquerungen mit Lastwagen werden dadurch erheblich verringert.
Für die Realisierung wurden die Bauarbeiten in drei Rohbaulose zusammengefasst. Das Vorlos West umfasst die Trassearbeiten inklusive Kunstbauten auf der offenen Strecke West. Diese Arbeiten sind bereits abgeschlossen. Das Los Twann beinhaltet den Umbau des Bahnhofs Twann (Trassebau und Kunstbauten) sowie alle Kunstbauten im Bereich Klein-Twann. Dieses Los ist seit Ende 2022 in Ausführung. Die Mehrheit der Bauarbeiten wird im Juni 2024 mit der Wiederinbetriebnahme des Bahnhofs abgeschlossen sein, die Restarbeiten sind für 2029 geplant.
Das Hauptlos umfasst neben den bergmännischen Arbeiten auch die Voreinschnitte, Tagbauten, Technikgebäude und Havariebecken, die Umlegung des Halbanschlusses N5 inklusive Viadukt, die Unterquerung der Kantonsstraße (Grundwasserwanne) beim Portal Ost sowie die Trassenverbreiterung Ost, bestehend aus Seeschüttung und pfahlfundierter Lastverteilplatte.
Aufgrund der beengten Platzverhältnisse wurde zur Reduktion der Schnittstellen und zur Optimierung des Gesamtbauprogrammes entschieden, dass ein Teil der bahntechnischen Ausrüstung im Tunnel ebenfalls durch das Hauptlos eingebaut wird. Dies umfasst die Fahrbahn (Schotterfahrbahn und Feste Fahrbahn), die Deckenstromschiene, den Handlauf und die Fluchtwegsignalisation, alle Fluchtwegtüren zu den QV und zum SiSto sowie die Türen zu den Technikräumen in den QV und den Stahlbau und die Schlosserarbeiten in den QV. Zusätzlich erstellt der Hauptunternehmer auch die Feste Fahrbahn im Bereich des Doppelspurausbaus Ost (Lastverteilplatte).
Der Bau des Hauptloses wurde durch Submissionsbeschwerden verzögert. Anfang 2024 ist der Baustart erfolgt. Der
Vortriebsbeginn ist für Oktober 2024 geplant, der Durchschlag wird voraussichtlich Anfang 2027 stattfinden (Stand: März 2024).
Tunnel Ligerz
Project Data/Projektdaten
Client/Bauherr
CFF SA, Infrastructure Ouest
Planning and construction management
Planung und Bauleitung
GILIG: Groupement d’Ingenieurs Ligerz
• Gruner AG, Renens/Basel
• Gähler und Partner AG, Ennetbaden
Construction of the main lot (tunnel)
Bauausführung Hauptlos (Tunnel)
Consortium IBD
• Implenia Suisse SA, Echandens/Glattpark
• F. Bernasconi et Cie SA, Les Geneveys-sur-Coffrane
• De Luca SA, Bienne
Construction time/Bauzeit:
Shell construction/Rohbau 2022–2027,
equipment/Ausrüstung 2027–2029
Construction start, preliminary lot/ Baubeginn Vorlos: 2022
Construction start, main lot/Baubeginn Hauptlos 2024
Commissioning/Inbetriebnahme: 2029
Total investment tunnel/Baukosten Tunnel: CHF 431.9 Mio.
Total length/Gesamtlänge: 2119 m
Excavation cross section/Ausbruchquerschnitt: 110.5 m2 (125.8 m2 with invert/mit Sohlgewölbe)