Neuer Gubristtunnel: Ein Fall für BIM
Der 3.25 km lange Gubristtunnel auf der Nordumfahrung von Zürich (A 1) ist eine neuralgische Infrastruktur im Schweizer Autobahnnetz. Um der chronischen Überlastung des 1985 eröffneten zweiröhrigen Tunnels zu begegnen, wird eine dritte Röhre sowie Lüftungs- und Betriebszentralen gebaut. Dieser Artikel beleuchtet die Eigenschaften und Herausforderungen des Projektes mit einem besonderen Augenmerk auf die BIM-Modellierung der unterirdischen Betriebszentrale.
Projektbeschreibung
Die neue Röhre ist als dreispuriger, parallel zur bestehenden nördlichen Anlage verlaufender Tunnel angeordnet und übernimmt die Fahrtrichtung St. Gallen–Bern. Die dritte Röhre am Gubrist hat eine Gesamtlänge von 3309,80 m, wovon 3010,40 m bergmännisch erstellt werden. Die anschließenden Tagbautunnel weisen auf der Seite Affoltern eine Länge von 76,90 m bzw. auf der Seite Weiningen eine Länge von 222,50 m auf (Bild 1). Auf Seite Weiningen schließt überdies eine 100 m lange Überdeckung direkt an den Tunnel an.
Die horizontale und die vertikale Linienführung folgen größtenteils der bereits bestehenden Tunnelanlage. Im Bereich des bergmännischen Tunnels variiert die Überdeckung zwischen 8 m und ca. 180 m. Der Abstand zur zweiten Röhre beträgt zwischen 20 m und 50 m. Die Höhendifferenz zwischen beiden Portalen beträgt rund 40 m. Die Tunnelröhre wird vom Ostportal (Affoltern/Regensdorf) aus fallend mit einem Gefälle von 1,33 % aufgefahren.
Rettungs- und Sicherheitskonzept
Als Teil des Rettungs- und Sicherheitskonzepts erhält die dritte Röhre im Abstand von ca. 300 m acht begehbare sowie vier befahrbare Querverbindungen zur bestehenden zweiten Röhre. Im Bereich der neuen unterirdischen Betriebszentrale Sunnenrain wird auf Niveau der Werkleitungskanäle zwischen der zweiten und dritten Röhre zusätzlich eine Querverbindung für Betriebs- und Unterhaltspersonal geschaffen. Darüber hinaus werden insgesamt 23 kombinierte SOS- und Hydrantennischen im Abstand von 150 m im bergmännischen Tunnel angeordnet. Zwei weitere Nischen entfallen auf den Tagbaubereich.
Geologie und Bauverfahren
Der Gubristtunnel befindet sich mehrheitlich in Gesteinen der Oberen Süßwassermolasse, welche aus Wechsellagerungen von Sandsteinen, Siltsteinen und Mergeln bestehen. Die horizontal geschichtete Molasse ist mit Lockergesteinsschichten bedeckt, welche an den Talflanken aus Moränen und Schottern sowie aus Gehängeablagerungen bestehen.
Der Bau der dritten Röhre erfolgt überwiegend von der Seite Affoltern/Regensdorf her, auf welcher auch der Hauptinstallationsplatz sowie ein temporärer Verladebahnhof erstellt werden. Die Fahrbahnbreite mit drei Fahrstreifen beträgt 11 m, die lichte Höhe liegt bei 4,50 m. Das Normalprofil wird als Maulprofil ausgebildet. Der Ausbruchquerschnitt beträgt 178 m². Auf der ganzen Länge des bergmännischen Tunnels ist ein Kalottenausbruch (ca. 90 m2) mit nachträglichem Strossen- und Sohlabbau vorgesehen. Die Ausbruchsicherung besteht aus Ankern und Stahlfaserpritzbeton.
Auf der Seite Weiningen liegen die ersten 95 m des bergmännischen Tunnels teilweise im Lockergestein und unter bebautem Gebiet. Hier ist der Einsatz eines Rohrschirms/Spießschirms als vorauseilende Bauhilfsmaßnahme erforderlich. Um den Regelvortrieb nicht zu stören, wird dieser Abschnitt im Gegenvortrieb ausgeführt.
Innenverkleidung und Ausstattung
Für die Ausbruchsicherung und die Verkleidung ist ein zweischaliges System, bestehend aus einer äußeren Spritzbetonschale und einem unbewehrten Ortbetoninnengewölbe (35 cm), vorgesehen. Zwischen der Ausbruchsicherung und dem Innengewölbe wird eine flächenhaft drainierte Abdichtung (Regenschirmabdichtung) verlegt. Der Sohlbereich hingegen bleibt unabgedichtet. Allfälliges Bergwasser wird über die im Werkleitungskanal seitlich angeordneten Rigolen in die Bergwassersammelleitung geführt.
Der Fahrraum ist durch eine schwimmend gelagerte und fugenlose Zwischendecke vom Abluftkanal abgetrennt, wobei die Öffnungen in der Zwischendecke alle 100 m angeordnet sind. Über diese kann bei einem Brandereignis punktuell Rauch aus dem Fahrraum abgesaugt werden.
Im Werkleitungskanal unterhalb der Fahrbahn sind Werkleitungen (Hydrantenleitung, Berg- und Leckwasserlängsleitung und BSA-Längsverkabelung) angeordnet, welche für den Betrieb des Tunnels benötigt werden. Die Hauptsammelleitung der Fahrbahnentwässerung befindet sich im Bankettbereich auf der tiefer liegenden Fahrbahnseite unterhalb der Schlitzrinne. Der Tunnel wird über seine gesamte Länge mit Löschwasser versorgt.
Komplexe Betriebszentralen
Insgesamt werden drei neue Betriebszentralen und zwei neue Lüftungszentralen erstellt, welche jeweils bei einem Portal zu liegen kommen. Die unterirdische Betriebszentrale Sunnenrain wird in der Tunnelmitte im Bereich der Ausstellbucht gebaut. Diese ca. 30 m lange Betriebszentrale weist einen Ausbruchsquerschnitt von ca. 155 m² auf. Die Geometrie der Zentrale ist in drei Ebenen gegliedert. Die unterste Ebene dient der Erschließung und in der mittleren und oberen Ebene sind die Räume mit den elektromechanischen Installationen untergebracht.
Da es sich bei den beschriebenen Zentralen um sehr komplexe Bauten handelt, sind 2D-Pläne oft nicht aussagekräftig genug. Außerdem legt Amberg Engineering größten Wert auf die Planungssicherheit. Vor allem bei der Ausführungsphase steigen die Anforderungen an die Planung. Um diese erfüllen zu können, wurde entschieden, das Projekt mit einer BIM-Modellierung auszuführen.
BIM-Modellierung erleichtert Planung und
Ausführung
Seit 2017 erzeugt Amberg Engineering die 3D-Modelle vom Tunnel und der unterirdischen Zentrale parametrisch mit dem Detaillierungsgrad (Level of Detail) 300–400. Dies erlaubt ein besseres Verständnis der Konfiguration der Anlagen und reduziert die Fehlerquellen während der Planung. Zudem ermöglicht die Parametrisierung der 3D-Elemente schnellere Anpassungen, was sich positiv auf die Kostenkontrolle auswirkt.
Durch die Implementierung einer BIM-Umgebung konnte das Projektteam den Planungsworkflow und die Entscheidungsfindung optimieren. Mit der Unterstützung von automatischen Kollisionsprüfungen sowie virtueller Programmierung sind Ingenieure und Modellierer in der Lage, Probleme schneller zu erkennen und zu beheben. Die Lösungen werden in einem modellbasierten Kollaborationstool – in einem sogenannten Common Data Environment (CDE) – erarbeitet. Obwohl einige Projektmitglieder zuvor noch nie in einer BIM-Umgebung gearbeitet hatten, konnten sie sich durch interne Schulungen schnell auf den neuesten Stand bringen. Des Weiteren haben die 3D-Modelle dazu beigetragen, die komplexen Anlagen besser zu visualisieren, als es mit 2D-Zeichnungen möglich gewesen wäre (Bild 2).
BIM unterstützte auch die Berechnung der Statik
Ein weiterer Anwendungsfall für die BIM-Umgebung war die Berechnung der Statik der Innentragstruktur (Stützen, Wände und Decken). Diese erfolgte durch das Importieren des 3D-Modells der Zentrale Sunnenrain in die Berechnungssoftware Sofistik, die nach dem Finite Element Method (FEM) Verfahren die Statik berechnete (Bild 3).
BIM auf der Baustelle
Darüber hinaus kann man anhand des dreidimensionalen BIM-Modells jeden beliebigen Querschnitt bzw. zweidimensionalen CAD-Plan erstellen, der im Laufe des Projekts auf der Baustelle benötigt wird. Diese elektronischen Pläne, die auf dem Laptop oder Tablet gesichtet werden, sind mit dem 3D-Modell verlinkt. So können die Benutzer je nach Bedarf zwischen der 2D- und 3D-Darstellung wechseln. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Baustellenkoordination und das Mängelmanagement teilweise über die Baustellensoftware „BIM 360 Field“ durchgeführt werden können.
„Lessons learned“ und Ausblick
Eine Herausforderung bei der Umsetzung der BIM-Technologie sind die Initialkosten: Schulungen, Software und die Anschaffung der nötigen Hardware erfordern Zeit und Ressourcen. Zudem müssen sich die Projektbeteiligen weiterbilden, damit sie ihre Funktionen in der BIM-Umgebung z. B. als BIM-Modellierer, Koordinator oder Manager wahrnehmen können.
Obwohl der initiale Aufwand bei BIM-Projekten etwas größer ist, zahlt er sich aus, wenn man die späteren Einsparungen während des Gesamtlebenszyklus eines Bauwerks betrachtet. Mit den neuesten Entwicklungen in der Augmented, Virtual und Mixed Reality werden künftig die BIM-Modelle eine entscheidende Rolle in der Bewirtschaftung und im Unterhalt eines Bauwerks spielen. Nichtsdestotrotz ist BIM noch eine relativ neue Methodik und bringt gewisse Risiken und Verbindlichkeiten mit sich. Um diese zu überwinden, ist es wesentlich, dass die Projektleiter ihren Teams von Anfang an klar mitteilen, welche Ziele sie mit der Arbeit in einer BIM-Umgebung verfolgen.