Maschineller Tunnelbau für zwei neue Metrolinien in Rom

n Rom sind zurzeit 2 neue Metrolinien im Bau. 7 Erddruckschilde werden insgesamt rd. 33 km Tunnel für die Metrolinien B1 und C auffahren. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über das Projekt.

Rom, die Ewige Stadt, ist unter anderem für ihren archäologischen Reichtum berühmt, der die historischen Wurzeln der Stadt offenbart. Unabhängig vom Verkehrsmittel entsteht beim Besuch der Stadt der Eindruck, geradewegs in vergangene Jahrhunderte zu reisen unter dem Eindruck der archäologischen, künstlerischen und kulturellen Schätze.

Heute hat die italienische Hauptstadt ca. 2,72 Mio. Einwohner und ca. 2,66 Mio. angemeldete Fahrzeuge, d.h., es kommen ungefähr 98 Autos auf 100 Einwohner, verglichen mit ca. 40 Autos/100 in London oder 42/100 in Paris. Diese Zahlen machen deutlich, warum Rom eine der Städte mit der höchsten Autodichte in Europa ist.

Im Gegensatz zum Oberflä-chenverkehr gilt die U-Bahn als pünktlich und zuverlässig. Die Metropolitana di Roma verfügt gegenwärtig über 2 Linien, die Linie A und die Linie B (Bild 1). Die erste Linie erstreckt sich über 19 km vom Nordwesten zum Südosten der Stadt, hat 27 Stationen und kann auf ihren täglich 537 Fahrten bis zu 450000 Personen befördern. Die zweite Linie, die Linie B, unterquert die Stadt von Nordosten nach Süden und hat auf einer Länge von 19 km 22 Stationen. Auf den 377 täglichen Fahrten werden ca. 300000 Personen befördert.

Ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Verkehrslage in Rom ist die Erweiterung des vorhandenen Metronetzes durch den Bau von 2 neuen Metrolinien, der Linie C und der Linie B1, die ein Abzweig der bereits existierenden Linie B ist (Bild 1). Der erste Abschnitt der Metrolinie C wird 15 Stationen haben und die Endpunkte Parco di Centocelle und Pantano miteinander verbinden. Auf beiden Linien soll eine Beförderungs-kapazität von je 24000 Passagieren pro Stunde erreicht werden.

Insgesamt wird die Linie C 30 Stationen auf einer Streckenlänge von 25,5 km haben, wobei 17,6 km unter der Erde und 7,9 km oberirdisch verlaufen. Die Bauabschnitte T2, T3, T4, T5, T6A und T7 befinden sich derzeit in Bau. Auf den 4,5 km der Linie B1 sind 4 neue U-Bahn-Stationen geplant.

Während die Züge der Linie B1 auf konventionelle Art fahren und gelenkt werden, sollen die Züge der Linie C mit einem so genannten fahrerlosen System betrieben wer-den. Das System basiert auf einem innovativen Programm (ATC = Automatic Train Control), das von einem zentralen Betriebszentrum aus gesteuert wird. Von dort aus kann mithilfe von Monitoren und Computern, die mit einem Netzwerk von Videokameras verbunden sind, jede Situation kontrolliert werden.

Der fahrerlose Zug bietet so maximale Sicherheit und Pünktlichkeit. Ein Zug fährt alle 75 Sekunden und die Fahrt von einer Endstation zur anderen, einschließlich aller Halte an den Stationen, beträgt nur 45 Mi-nuten. Ein weiterer Vorteil ist, dass zwischen 14 und 20 % der Betriebs- und Wartungskosten eingespart werden können.

Ein zusätzliches Merkmal des fahrerlosen Systems, das einen maximalen Komfort und größtmögliche Sicherheit auf der Metrolinie C garantiert, sind die automatischen Bahnsteigtüren, die sich nur bei Einfahrt des Zugs öffnen und genau auf die Türen der Zugwaggons abgestimmt sind.

Der Bau der Linie C hat zu einem der größten archäologischen Projekte geführt, das Rom je gesehen hat. Im Rahmen der Baumaßnahme müssen 100000 m³ Erde bewegt werden und bis zum heutigen Tag wurden dabei bereits tausende von archäologischen Schätzen entdeckt.

Maschineller Vortrieb

Die neue Linie C ist in 7 Teilabschnitte unterteilt. Die Abschnitte T3 bis T6 werden vom Joint Venture Metro C S.p.A. (Ansaldo Trasporti Sis-temi Ferroviari S.p.A.; Vianini Lavori S.p.A.; C.M.B.; CCC-Consorzio Cooperative Costru-zioni; Astaldi S.p.A.) mit 4 baugleichen Erddruckschilden mit einem Durchmesser von 6,69 m von Herrenknecht aufgefahren (Bild 2). Jeder Abschnitt wird von jeweils 2 parallel laufenden TBM aufgefahren. Wenn die Teilabschnitte T3 bis T6 fertig gestellt sind, werden die 4 Maschinen eine Strecke von 25,6 km zurückgelegt haben.

Die beiden Maschinen S-409 und S-410 haben bereits im Oktober 2009 erfolgreich den ersten Meilenstein erreicht. Von der Station Torrenova aus wurde seit Juni bzw. September 2008 mit einer durchschnittlichen Vortriebsleistung von 11,1 bzw. 12,7 Ringen pro Tag und einer maximalen Wochenleistung von 175 m bzw. 172,2 m die 3990 m lange Strecke bis zum Zielschacht „5/4“ zwischen den Stationen Parco di Centocelle und Mirti erfolgreich aufgefahren (Bild 3).

Ebenfalls in diesen Schacht einfahren werden die beiden Schwestermaschinen S-479 und S-480. Diese befinden sich seit September bzw. Juni 2009 im Vortrieb und nähern sich von Malatesta aus mit bis zu 119 Ringen pro Woche dem Zielschacht.

Nach der Demontage werden die S-409/410 und die S-479/480 die Strecken T3 und T4 von Malatesta bis kurz vor der Station Venezia auffahren. Unter anderem wird auf dieser Strecke das berühmte Kolos-seum bei einer Überdeckung von 30 m unterquert.

Aufgrund der beengten Platzverhältnisse in den Start- und Zielschächten der Linie C entwickelten die Baustellenteams zusammen mit dem Maschinenlieferanten eine besondere Lösung: Die Schildmaschine einschließlich Erektor und Förderschnecke wurde am Startschacht oberirdisch komplett montiert und anschließend im Ganzen in den Schacht abgelassen. Umgekehrt wurde am Zielschacht die komplette Schildmaschine aus dem Schacht geborgen. Hierfür werden 4 Poller am Schildmantel angebracht, mit deren Hilfe der komplette Schild mit einem 500-t-Kran angehoben werden kann (Bild 4).

Für die nördliche Abzweigung der Linie B, die zukünftige Linie B1, setzt Seli S.p.A. im Auftrag von Salini S.p.A. ebenfalls 2 baugleiche Erddruckschilde der Herrenknecht AG mit einem Durchmesser von je 6,77 m ein. Die aufzufahrende Strecke von 3000 m verläuft von der Station Conca D’Oro aus bis zum Anschluss an die Linie B bei der Station Bologna. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben die S-387 und die S-388 beste Vortriebsleistungen von 12 bzw. 14 Ringen pro Tag erreicht.

Ein weiterer von Salini S.p.A. beauftragter Erddruck-schild für die Linie B1 (S-554) mit einem Durchmesser von 9,755 m wurde bereits im Werk montiert und im Januar 2010 ausgeliefert. Diese Schildmaschine wird die 1000 m lange Strecke von der Station Conca D’Oro aus bis zur Station Ionio auffahren.

An- und Ausfahrsituationen

Eine große Herausforderung stellt, wie bei vielen maschinell aufgefahrenen Tunnelprojekten, die An- und Ausfahrsituation in Wasser führenden Böden dar. Für die Vortriebe in der italienischen Hauptstadt wurden bei allen 6 Maschinen jeweils für die Anfahrt vorab kurze, konventionell erstellte Tunnelabschnitte errichtet, in die die Schilde komplett eingeschoben wurden. Bevor der maschinelle Vortrieb beginnt, kann der Ringspalt zwischen Tübbingring und vorab hergestelltem Tunnel verpresst und so das Tunnelbauwerk zum Schacht hin abgedichtet werden.

Für die sichere Einfahrt in den Zielschacht 5/4 der Linie C bot ein von MSD hergestellter Adapterring mit aktivierbarer Ausfahrdichtung und druckdicht angeflanschtem Deckel die Lösung (Bild 5). Mithilfe des Deckels werden eventuell auftretende Wassereinbrüche während der Schildeinfahrt in den Schacht verhindert. Sobald sich die TBM im Adapterring kurz hinter dem Deckel befindet, wird die Dichtung aktiviert. Nun ist der Spalt zwischen Adapter-ring und Schildmantel dicht, der Deckel kann entfernt werden und die TBM sicher ausfahren. Die Dichtung muss hierbei so lange aktiviert bleiben, bis der Ringspalt zwischen Schacht-wand und Tübbingring verpresst wird und dadurch letztendlich das Tunnelbauwerk zum Schacht hin abgedichtet ist.

Maschinentechnik

Die 4 baugleichen Erddruckschilde (6,69 m Durchmesser) für die Linie C sowie die 2 baugleichen Erddruckschilde (6,77 m Durchmesser) für die Linie B1 sind in ihrer Konstruktion den geologischen Verhältnissen der Trasse angepasst. Ein Öffnungsverhältnis von ca. 40% im Schneidrad ermöglicht einen besseren Materialfluss in die Abbaukammer und verringert somit Verklebungen in den Öffnungen. Durch das hohe Öffnungsverhältnis wird ferner der Anpressdruck der Werkzeuge erhöht, wodurch eine höhere Penetration erreicht werden kann.

Das in beide Richtungen drehbare Schneidrad ist mit insgesamt 100 Schälmessern, 16 Räumern und einem Soft-Ground-Überschneider ausgestattet. Für die Disken sind 13 Gehäuse vorgesehen, welche je nach Geologie gegen Stichel ausgetauscht werden können. Für die Maschinen der Linie C wurden im Zentrum ein Zentrumsschneider und für die Maschinen der Linie B1 Rollen vorgesehen. 2 Rotoren am Schneidrad sowie 4 Statoren an der Druckwand sorgen zusammen mit den Schneidradarmen für eine gute Vermengung des abgebauten Materials in der Abbaukammer, wodurch mithilfe von Schauminjektion eine gute Konditionierung des Materials erreicht wird. Durch die Konditionierung können das nötige Drehmoment sowie der Verschleiß auf ein Minimum reduziert werden. Das Dreh-moment des Antriebs von 7027 kNm bei 1,46 U/min wird von 9 Hydraulikmotoren aufgebracht. Die 4 Axialkolbenpum-pen für die Hydraulikmotoren werden von 4 elektrischen Motoren mit einer Leistung von jeweils 400 kW angetrieben.

Die Schilde sind auf einen maximalen Druck von 5 bar ausgelegt und verfügen über 19 Pressenpaare, welche für eine Vortriebskraft von 50558 kN sorgen. Des Weiteren sind die Schilde mit 2 Gelenken ausgestattet: zum einen mit einem aktiven Steuergelenk zwischen Schneiden- und Mittelschuss und zum anderen mit einem passiven Gelenk zwischen Mit-telschuss und Schildschwanz. Mithilfe dieser beiden Gelenke ist es möglich, den geforderten engen horizontalen Radius von bis zu 150 m zu realisieren.

Die Maschinen verfügen ferner über eine Bentonit-Regelanlage, die auch außerhalb der Arbeitszeiten sicherstellt, dass der Druck in der Abbaukammer konstant bleibt. Fällt der vorgegebene Druck in der Abbaukammer, wird zum Ausgleich automatisch Bentonit aus Drucktanks mithilfe einer Druckluftregelanlage in die Abbaukammer geleitet.

Für die Verpressung des Ringspalts zwischen Erdreich und Tübbingring wird im Gegensatz zum Verpressen mit konventionellem Mörtel und Dickstoffpumpen das sog. Bi-Komponenten-System angewandt. Dabei wird zum einen eine spezielle Mörtelmischung (Komponente A) und zum anderen der sog. Beschleuniger (Komponente B) durch 6 Öffnungen am Schildschwanzende mithilfe von jeweils 6 Exzenterschneckenpumpen in den Ringspalt gepresst. Vermengen sich Mörtel und Beschleuniger, so verfestigt sich das Gemisch innerhalb weniger Sekunden. Dadurch können Setzungen, die beispielsweise durch zu langsames Aushärten des Mörtels entstehen können, vermieden werden.

Ausblick

Die beiden neuen Metrolinien für Rom, die Linien B1 und C, werden einen entscheidenden Beitrag liefern, um die angespannte Verkehrslage in der italienischen Hauptstadt zu entlasten. Dabei haben sich die vom Baustellenteam eingesetzten Erddruckschilde als die richtige Lösung erwiesen, um den He-rausforderungen dieses wichtigen Infrastrukturprojekts mit seinen über 30 km maschinellem Tunnelvortrieb gerecht zu werden. Es ist zu erwarten, dass Projektträger, Bauunternehmen und Maschinenlieferant auch die noch zu bauenden Abschnitte  erfolgreich im Teamwork Tunnelling bewältigen werden.

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